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Seels überdauern, sie sei unzerstörbar, wie die Zeit selbst.
Jch weiß nicht, ob es so ist; uoch Niemand hat's bewiesen und
Niemand widerlegt. Aber eines weiß ich bestimmt: das ist,
daß die bloße endlose Dauer mir nicht helsen würde! Jn mir
wechselt die Welt wie um mich. Was als Gehalt meines Vor-
stellens, meines Fühlens, meines WollenS in mir ist, das tritt
in der Zeit aus und verschwindet in der Zeit. Wenn ich un-
zerstörbar sein soll, so muß ich auch ungeworden sein: aber
was weiß ich von dem, was vor meiner Gebnrt mir geschehen
ist? Nnd wenn ich so, ein Ahnsverus, durch die endlosen
Tage mich hinschleppen, immer Neues in mir wie uni mich ent-
stehen uud vergehen sehen svll, — ist das die Mühe und die
Last des Seins werth?

Was denken sich die Menfchen bei dieser cndlosen Dauer
ihres Lebens, an die sie glaüben? Wenn der gemeine Mensch
in seincm Glückseligkeitsbedürsniß sich in dem Gedanken dieser
,,Unsterblichkeit" gefällt, so wünscht er nur, aus der cndlosen
Tiese der Zeiten endlose Lust zu schopfen. Wenn der bessere
Mensch, unbesriedigt von dem, was ihm hier zu leisten ver-
gönnt war, den ganzen Ablaus der Zeitcn sür sich verlangt,
so liegt der Werth eines künstigen Lebens sür ihn nicht in
jener unbegrenzten Dauer, sondern in der Fülle sittlicher Be-
thätigung, die sie ihm ermöglichen soll: werthlos wiirde die
cndlose Existenz auch ihm werden, wenn er ohne diesen Jnhalt
nur so einfach weiter existiren sollte.

Die blvße endlose Dauer befreit mich nicht von der Macht
der Zeit, sie stürzt mich nnr tieser unter dieselbe. Die bloße
Dauerhaftigkeit meines SeinS ist mir werthlos. Nur ein ele-
mentares und rohes Empfinden hat Respect vor dieser brutalen
Haltbarkeit, in welcher jeder Stein dem besten meiner Gedanken
übcrlegen ist. Von der Vergänglichkeit des zeitlichen Wesens
komme ich auch durch die endlose Eristenz nicht frei. Wenn
 
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