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Schlimmeres brachte der Orle'an'sche Krieg. Vom Jahre 1685 ab, in welchem im Auftrage des fran-
zösischen Königs, Abbe'Morel, in Heidelberg die Herausgabe aller Lehens- und Familienverträge aus dem
Archive verlangte, beginnt die Wanderung pfälzischer Archivalien nach Paris in das Palais Orleans, oder zu den
Commissioneu nach Strassburg, wo über das Erbe der Lise Lotte berathen und die Sequestrirung der Pfalz
betrieben ward. Durch die Forschungen desbairisehenAreh.ivbeamten Max Neudegger1) haben wir neuerdings
sehr merkwürdige und überraschende Mittheilungen, über alle diese Vorgänge erhalten. Hier war besonders der
Leiter der geistlichen Restitutionen Hautois und der Strassburger Prätor 0brecht thätig. Ganze Bestände
lagerten in des letztern Hause, darunter die beiden Prachtbände der Lehenbücher (Friedrichs I und Ludwigs V).2)
Noch im.J. 1727 musste der kurpfälzische Gesandte in Paris Grevenbroich, wegen Rückgabe dieser kost-
baren Bände bei Ob recht nachsuchen. Kurz zuvor 1721 war z.B. das für unsere Regesten so werthvolle Regal-
buch Ruprechts I3) zurückgekommen Bis zum Jahre 1749 haben die französischen Extraditionen gedauert.
Dürfen wir annehmen, dass Alles wieder zurückgekommen ist?

Bekanntlieh hat der französische König auch nach dem Ryswicker Frieden den Orle'an'schen Process
(Causa Äurelianensis) als Privatsache weiter führen lassen, der nach mannigfachen zu Frankfurt gepflogenen Unter-
handlungen der französischen und österreichischen Commissäre i. J. 1702 durch päpstlichen Schiedsspruch be-
endigt ward. Das Ergebniss dieser Compromissverhandlungen waren unter anderm einige Deduktionen *), welche
der seit 6. Juli 1700 von dem kurpfälzisehen Kanzler Baron Wiser als Rechtsrath zugezogene Ingolstadter
Professor Christoph v. Chlingensperg zusammengestellt und durch eigenes Gutachten vermehrt i- J. 1711
herausgegeben hat. Unter den mitgetheilten Aktenstücken finden wir die „Designatio locorum, ditionum etc.,
quae plenipotentiarius Äurelianensis reperire potuit, tum in libris vulgatis, tum in instrumentis, quae ipsä hactenus
communicata sunt." Diese von den Commissarien des französischen Sequestrations-Bureaus gemachten kurzen
Auszüge^) aus dem zur Feststellung der Orle'an'schen Erbschaft nach Frankreich verbrachten Archive, sind bis
dahin, insbesondere in Fällen, wo die Urkunden selbst fehlten, als authentische Quellen für die pfälzische Ge-
schichtsforschung so ganz besonders von dem vortrefflichen Johann GoswinWidder benutzt6) worden. Ich
muss dieses „Processus Äurelianensis" hier eingehender erwähnen, weil er noch heute in der Lokalge-
schichte Geltung und vielfach ein bedenkliches Durcheinander angerichtet hat. Diese Auszüge aus Pfälzer Urkunden
sind von zweifelhaftem Werthe. Vom Jahresdatum (denn nur ein solches führen sie) ganz abgesehen, herrscht
insbesondere bei den Urkunden der drei Ruprechte ein völliges Durcheinander, die Ortsnamen sind vielfach so
eorrupt wiedergegeben, dass sie ohne bestimmte Anhaltspunkte gar nieht zu enträthseln sind. Schon aus einer flöch-
tigen Durchsieht ergibt sieh, dass an diesen Auszügen französische Commissarien gearbeitet haben7), die selbst-
verständlich weder der deutschen Sprache, noch, was man kaum verlangen konnte, der deutschen Ortskunde und
was bedenklich ist, auch der Diplomatik nieht mächtig waren. Das wirft immerhin ein charakteristisches Licht"
.8) So viel sich mir aus Vergleiehnng der Urkunden mit den Listen der

') Geschichte der pfala- bayerischen Archive der Wittelsbacher (Archivalische Zeitschrift, Neue Folge I, 230-~
240, II 289—373. Der Schluss in Bd. IV erschien erst dieser Tage).

*) Jedenfalls diese beiden, nicht die Lehensbücher Friedrich IV können in den betr. Verzeichnissen gemeint sein.

3] Jetzt in Karlsruhe (Copialbuch 457).

■») a. Primitiae actorum compromissi Prancofurtensis in causa duoissae Äurelianensis contra Electorem Palatinum
1700; b. Continuatio etc.; c. Ultima et repetita Conelusio. Letztere ist von Chlingensperg. Alle drei Theile erschienen
unter dem Titel: Processus historico-.juriäieus in causa successionis Palatinae dominae Elisabethae Charlottae com. Pal.
ad Ehenum, ducissae Äurelianensis contra Johannem Wilhelmum, com. Pal Electorem. etc. justa transacta pacis Rys-
wicensis formatus, conclusus abritrante Christi in terris vicario demente XI. Ingolstad. fol. [1711].

5) In der Eegel werden dieselben als Chlingensperg, Processus, sonst auch einzeln als Continuatio etc. citirt,
da nur in diesem zweiten Theil die Listen stehen.

e) Versuch einer vollständigen Geographisch - Historischen Beschreibung der kurfürstlichen Pfalz am Rheine.
4 Bde. Frankfurt u. Leipzig 1786—1788.

') Hautois hatte sieh %. B. zum Uebersetzen einen stud. Brinkmann engagirt. Neudegger a. a. 0. 356.

8) Hier nur einige Proben: Guilielmus de humenas = Wilhelm v. Neuenahr; Philippus et Reinhardüs de Weissen,
bürg = Westerburg; Ludowicus Ding de Kirkel=dominus de Kirkel; Steinbock = Steinaeh; Heiligkreuz, Steinach = Heili»-
kreuzsteinach; Birkenbad = Bickenbach; Bruckel = Bruchsal u. s. w.
 
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