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deutsch e Kunsr

es zu fehr hohen £eiftungen. Die Bauten Friedrichs des örofjen, die Dresdner Archi-
tektur, die Bauten in den geiftlichen Fürftenthümern Weft- und Süddeutfchlands, Schlüters
Merke und die Kleinplaftih des Porzellans bilden eine durchaus eigenartige Weiterent-
wichelung der übernommenen 6edanken.

Es uerfteht fich uon felbft, dajj die Fürften die Rkademien in ihren Refidenzen gründeten
und nicht etwa in den Bürgerftädten, in denen das nationale £eben der uorhergehenden
Epoche gegipfelt hatte. Diefe Refidenzen waren noch zur Reformationszeit meid kleine
oder doch fchwach entwickelte Candftädtchen gewefen, die an Bedeutung unendlich tief unter
den großen Bürgerftädten ftanden. Sie waren künftliche Gründungen, die Jahrhunderte
lang nur durch den Fürften und feinen Hof lebten. Ihr Strafjennek wurde mit Rbficht
auf Repräfentation angelegt, die Häufer in den neuen Stadttheilen dienten nicht dem Be-
dürftig ihrer Bewohner, fondern der Dekoration der „Haupt- und Refidenzftadt".
Diefe üerhältnifte mufj man im Rüge behalten, wenn man die eigenartige tage der
deutfchen Kunft im neunzehnten Jahrhundert uerftehen will.
Dach den Kriegen der napoleonifdten Epoche war mit dem Wohlftande des Bürgerthums fein
nationales Bewufjtfein erwacht. Die alten Bürgerftädte begannen aus langem Schlafe zu
erwachen, und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts hatten fie wiederum die meiften
Refidenzen an öhonomifcher Wacht weit überholt, mit alleiniger Rusnahme Berlins. Reben
den alten Bürgerftädten Hürnberg, Rugsburg, Frankfurt, Cöln, Ceipzig, Hamburg, Bremen
kamen die Zentren der neuen Induftrie in Sachfen und Weftfalen hoch. 6rof>e üermögen
und ein hoher Stand mittlerer Wohlhabenheit fammelten fich an Orten, in denen die alt-
eingefeffene künftlerifche Schaffenskraft eingefchlafen oder neue nicht erwacht war.
Unterdefj war überall der moderne Staat an die Stelle des abfoluten Fürftenthums
getreten, deffen fämmtliche Funktionen er übernommen hatte und deffen Einrichtungen
er im Wesentlichen unoerändert beftehen liefj, indem er fortführte und ausbaute, was
die Fürfien begonnen hatten.

Ruch die Rkademien wurden Staatsinftitute, und es wurden fogar noch einzelne im
Sinne der begehenden neu gegründet.

Die Rkademien lagen an den Orten, wo der Fürft des abfolutiftifchen Zeitalters ihrer
bedurft hatte, nicht oder nur ausnahmsweife dort, wo das 6efet5 des wirthfdtaftlichen
Schwergewichts der neuen Zeit üe »erlangt hätte und uor Rllem nicht in den alten
Stammeshauptftädten.

So ift es gekommen, dafj in Deutfchland die fogenannten Kunftftädte entfiehen konn-
ten, in denen Kunft gelehrt und gefchaffen wurde, wie an den kleinen deutfchen Uni-
üerfitäten Wiffenfchaft gelehrt und gefchaffen wird, außerhalb des Wellenfchlages der
Zeit, mehr in abstracto.

Diele Eigenfchaften der deutfchen Kunft des neunzehnten Jahrhunderts erklären fich
aus diefem Zuftande. üor Rllem zwei, die geringe Widerftandsfähigkeit gegen fremde
Einflüffe und der mangelhafte Rnfchlufj an das leben der ausfchlaggebenden üolks-
fdticht, des Bürgerftandes.

Hätte es einen einzelnen Mittelpunkt für das wirthfchaftliche und geiftige Ceben in Deutfch-
land gegeben, fo wäre zweifellos die Widerstandskraft gegen die öedanken, die aus
Paris kamen, ftärker gewefen. Denn wenn im neunzehnten Jahrhundert oon fremden
Einftüflen in Deutfchland die Rede ift, fo hat man immer zuerft an Frankreich zu den-
ken. Daneben tritt mehr mittelbar und fehr fpät erft England auf.

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