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Die Abfchccffrrng des geheimen Wahlrechts. *)
Der Herr Reichskanzler wird dem Reichstage einen Gesetz-
Entwurf betreffmd die Beseitigung des geheimen Wahlrechts
vorlegen, wie Herr von Puttkamer s. Z. im preußischen Abge-
ordnetenhanse augekündigt hat. Die Oppositionsparteien haben
darüber natiirlich wieder einen großen Lärm erhoben. Jedem
vernünftigen und denkenden Menschen aber muß der Vorschlag
auf Abschaffung des Wahlgeheimnisses höchst zeitgemäß erscheinen
und man kann nur verwundert fragen, warum man nicht früher
auf diesen vortrefflichen Gedanken gekommen ist.
Die Philosophen haben uns längst nachgewiesen, daß der
Mensch keinen freien Willen hat. Und das ist unser Glück, denn
wohin kämen wir, wenn Jeder thnn konnte, was er immer wollte?
Da würde der Eine stehlen, der Andere morden, der Dritte
Häuser anzünden. Wenn also eine weise Vorsehung den Menschen
nicht überhaupt thnn läßt, was er will, so darf sie ihn auch
nicht wählen lassen wen er will.
Die erste Christenpflicht des Menschen ist die Zügelung seiner-
schlechten Leidenschaften. Er soll sich zwingen, das Gute zu
thnn und das Böse zu lassen. Und bei den Wahlen sollte dieser
oberste und herrlichste Moralsaz wegfallen? Das kann nur ein
im rohen Materialismus unserer Zeit versunkener Mensch ver-
langen.
Aber selbst da, wo der Geist willig ist, da ist das Fleisch
schwach. Der brave Staatsbürger geht oft zur Wahl mit dem
besten Vorsatz, nur einem gesinnungstüchtigen Manne seine
Stimme zu geben. Unterwegs aber kehrt er in eine jener mo-
dernen Gift-, Pest- und Lasterhöhlen, in ein Wirthshaus ein,
er trinkt Wein, Bier oder gar Schnaps, und nun ist er dem
Bösen verfallen. Ein Agent der volksverführerischen und regie-
rungsfeindlichen Partei begegnet ihm und er ist verloren; die
böse Leidenschaft treibt den sonst guten Staatsbürger, einem
Volksverführer seine Stimme zu geben.
Da aber greift der starke Arm des Staates schützend ein,
um den leiblich und geistig Bedrohten zu retten. Jeder Wähler
muß laut den Namen Dessen nennen, dem er seine Stimme giebt.
Im Wahllokal müssen dann — hoffentlich wird man dies im
neuen Gesetz nicht vergessen — Polizei-Kommissäre in
voller Uniform anwesend sein, welche sich genau notiren, wem
*) Vorstehender Artikel, den wir mit Vergnügen abdrucken, ist uns
von einem Mitarbeiter in Berliner Regierungskreisen zugegangen. Der-
selbe wünscht, wir möchten der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" den
Nachdruck ohne Quellenangabe gestatten, was unsererseits gerne geschieht.
Die Redaktion.
die einzelnen Wähler ihre Stimme geben. Daraus wird dann
für jeden Wahlbezirk eine Liste angefertigt, aus welcher zu er-
sehen ist, wie jeder Einzelne gewählt hat. Besonders für Vor-
gesetzte von Staatsbeamten, für die Regierung selbst, für Arbeit-
geber und Prinzipale, für Hausbesitzer und für die hohe Polizei
werden diese Listen von nicht zu unterschätzendem Interesse sein.
Die Sache ist um so praktischer, als man weiß, daß sich das
alles sehr ruhig abspielen wird und daß alle bisherigen Aus-
schreitungen unterbleiben werden. Angesichts der von Gott ein-
gesetzten Obrigkeit regt sich immer das bessere Theil im Men-
schen. Der ordentliche Wähler mag mit den bösesten Vorsätzen
in das Wahllokal treten — wenn er den überwachenden Polizei-
Kommissär in glänzender Uniform feierlich die Abstimmungen
notiren sieht, so wird sein Gewissen erwachen; er kehrt zur guten
Sache zurück und nennt einen Namen, der seine Regierung, seinen
Vorgesetzten, seinen Arbeitgeber mit inniger Freude erfüllt. So
erscheint der Polizei-Kommissär als schützender und rettender
Engel, was dazu beitragen wird, diese mit Unrecht von der
Opposition angefeindeten Beamten in das schönste Licht zu stellen.
Aber es gibt auch Elemente, bei denen sich die Böswillig-
keit und die Sucht nach staatsfeindlichen Umtrieben so sehr fest-
gesetzt hat, daß auch der Anblick eines ihre Abstimmung noti-
renden Polizei-Kommissärs sie nicht zum Besseren bewegen kann.
Leider ist auch eine große Zahl dieser Leute unabhängig und
kann in keiner Weise hinterher für ihre staatsfeindlichen Abstim-
mungen zur Rede gestellt oder zur Rechenschaft gezogen werden.
Hier hört eben die wohlwollende und väterliche Fürsorge des
Staates vollständig auf. Zum Glück befinden sich aber diese
unverbesserlichen und der staatlichen Belehrung nicht zugänglichen
Elemente weitaus in der Minorität und damit wird der eigent-
liche Zweck des neuen Gesetzes erreicht sein, wenn das verderb-
liche Wahlgeheimniß die guten Elemente nicht mehr verführen
kann. Denn die Hauptsache ist, daß sich in allen parlamenta-
rischen Körperschaften eine feste Majorität für die Regie-
rung vorfindet. Wozu hätten wir auch Wahlen, wenn sie nicht
dazu bestimmt wären, der Regierung eine Majorität zu ver-
schaffen?
Die öffentliche Wahl wird noch eine Menge von Vortheilen
mit sich bringen. Es wird nicht mehr Vorkommen, daß man
Leute zu Abgeordneten wählt, die gar nichts haben, die ohne
Handschuhe ausgchen und die nicht einmal die nöthige Garderobe
besitzen, um von einem Minister zur Soiree geladen werden zu
können. Eine gute Regierung braucht viele Einnahmen; viele
Die verzauberten Möpse.
Jungfrau Amalie war zwar sehr reich, aber sie hatte dennvch keinen
Mann bekommen. Warum weiß man eigentlich nicht. Amaliens Eltern
waren sehr fromme Katholiken gewesen. Sie hatten ihre Tochter dem-
gemäß mit dem Gedanken vertraut gemacht, einst die Reichthümer der
Familie der Kirche zu überlassen. Als die Eltern starben, war Amalie,
die einzige Erbin, vorläufig noch irdisch genug gesonnen und ihr Sinn
noch nicht hinreichend auf die himmlischen Güter gerichtet. Sie behielt
also einstweilen ihr Vermögen für sich selbst, statt es für die Kirche zu ver-
wenden. Indessen hatte sich der Ruf ihrer kirchlichen Gesinnung schon
verbreitet, und die Mönche des vor der Stadt belegenen Klosters beeilten
sich, Amalien sich vorzustellen. Namentlich den dicken Pater Franziskus
sah man täglich aus- und eingehen.
Allein die irdischen Neigungen waren bei Amalie nicht ganz in die
Brüche gegangen, trotzdem sie nunmehr in den Sechszigen stand. Im
übrigen konzentrirte Amalie ihre Zärtlichkeit auf ihre Möpse. Sie hatte
deren drei Exemplare von seltener Fettigkeit und Trägheit. Diese Möpse
wurden zärtlich gehegt und gepflegt; sie schliefen auf gestickten Kissen und
Nachts nahm die Gebieterin je einen von ihnen abwechselnd mit sich ins
Bett. Eine alte taube Magd mußte die Möpse täglich waschen und
kämmen; Fräulein Rosa dagegen hatte die Fütterung der süßen Thiere
zu besorgen. Rosa war eine Waise, welche Amalie zu sich genommen
hatte. Rosa hätte gerne dieses klösterliche Leben mit einem anderen ver-
tauscht, allein was sollte sie machen? Sie war arm und verlassen und
so entschloß sie sich, um nicht der Noth zu verfallen, jeden Tag die Büß-
predigten Amaliens und des Paters anzuhören.
Jawohl, es gab auch etwas zu büßen. Amalie hatte einen
Großneffen, den jungen Karl Hildebrand, der als Referendarius in dem
Städtchen angestellt war. Er war ein angenehmer, vergnügter und
freisinniger Mensch; deßhalb konnten ihn die Mönche so wenig leiden
als er sie.
Aber noch etwas anderes kam ins Spiel. Rosa hatte gar schöne
tiefblaue Augen und Hildebrand hatte zu tief hineingesehen, um sie je
wieder vergessen zu können. Seine Neigung wurde erwidert. Was wäre
einfacher gewesen, als daß Amalie das Glück der jungen Leute begünstigte?
Allein wann hätte je eine alte Jungfer ruhig mit ansehen können, wie
ztvei nette junge Leute sich lieben, sich heiraten und mit einander glück-
lich werden? Als Amalie die Zuneigung der jungen Leute sah, geriet sie
in den heftigsten Zorn. Sie drohte, Rosa aus dem Hause zu jagen,
wenn das Verhältniß nicht aufhöre. Um Rosas willen hielt sich Karl
zurück und kam nur wöchentlich einmal zum Besuch. Rosa zog sich dann
zurück.
Soweit der ernste Teil unserer Geschichte. Nun kommt der heitere.
Trotz Mönchen und Möpsen blieb Amalie nicht von der Langeweile
verschont; sie bekam Migräne und Hypochondrie. Der Arzt, den sie zu
Rathe zog, konnte ihr nur empfehlen, sich zu zerstreuen; so entschloß sie
sich denn, in ein Bad zu gehen. Rosa mußte natürlich mit.
Als Hildebrand von der beabsichtigten Badereise hörte, machte er
Amalien einen Besuch. Er fand den Pater bei ihr.
Hildebrand beglückwünschte Amalien zu ihrem Entschluß.
„Ach!" seufzte Amalie in ihrem zärtlichsten Basse.
„Was ist dir?" fragte Hildebrand.
„Ach, meine Möpse!" stöhnte Amalie.
„Was ist's mit den Möpsen?"
„Wer wird meine armen Möpse behüten, wenn ich fort bin! Meine
Magd ist zu nachlässig."
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Die Abfchccffrrng des geheimen Wahlrechts. *)
Der Herr Reichskanzler wird dem Reichstage einen Gesetz-
Entwurf betreffmd die Beseitigung des geheimen Wahlrechts
vorlegen, wie Herr von Puttkamer s. Z. im preußischen Abge-
ordnetenhanse augekündigt hat. Die Oppositionsparteien haben
darüber natiirlich wieder einen großen Lärm erhoben. Jedem
vernünftigen und denkenden Menschen aber muß der Vorschlag
auf Abschaffung des Wahlgeheimnisses höchst zeitgemäß erscheinen
und man kann nur verwundert fragen, warum man nicht früher
auf diesen vortrefflichen Gedanken gekommen ist.
Die Philosophen haben uns längst nachgewiesen, daß der
Mensch keinen freien Willen hat. Und das ist unser Glück, denn
wohin kämen wir, wenn Jeder thnn konnte, was er immer wollte?
Da würde der Eine stehlen, der Andere morden, der Dritte
Häuser anzünden. Wenn also eine weise Vorsehung den Menschen
nicht überhaupt thnn läßt, was er will, so darf sie ihn auch
nicht wählen lassen wen er will.
Die erste Christenpflicht des Menschen ist die Zügelung seiner-
schlechten Leidenschaften. Er soll sich zwingen, das Gute zu
thnn und das Böse zu lassen. Und bei den Wahlen sollte dieser
oberste und herrlichste Moralsaz wegfallen? Das kann nur ein
im rohen Materialismus unserer Zeit versunkener Mensch ver-
langen.
Aber selbst da, wo der Geist willig ist, da ist das Fleisch
schwach. Der brave Staatsbürger geht oft zur Wahl mit dem
besten Vorsatz, nur einem gesinnungstüchtigen Manne seine
Stimme zu geben. Unterwegs aber kehrt er in eine jener mo-
dernen Gift-, Pest- und Lasterhöhlen, in ein Wirthshaus ein,
er trinkt Wein, Bier oder gar Schnaps, und nun ist er dem
Bösen verfallen. Ein Agent der volksverführerischen und regie-
rungsfeindlichen Partei begegnet ihm und er ist verloren; die
böse Leidenschaft treibt den sonst guten Staatsbürger, einem
Volksverführer seine Stimme zu geben.
Da aber greift der starke Arm des Staates schützend ein,
um den leiblich und geistig Bedrohten zu retten. Jeder Wähler
muß laut den Namen Dessen nennen, dem er seine Stimme giebt.
Im Wahllokal müssen dann — hoffentlich wird man dies im
neuen Gesetz nicht vergessen — Polizei-Kommissäre in
voller Uniform anwesend sein, welche sich genau notiren, wem
*) Vorstehender Artikel, den wir mit Vergnügen abdrucken, ist uns
von einem Mitarbeiter in Berliner Regierungskreisen zugegangen. Der-
selbe wünscht, wir möchten der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" den
Nachdruck ohne Quellenangabe gestatten, was unsererseits gerne geschieht.
Die Redaktion.
die einzelnen Wähler ihre Stimme geben. Daraus wird dann
für jeden Wahlbezirk eine Liste angefertigt, aus welcher zu er-
sehen ist, wie jeder Einzelne gewählt hat. Besonders für Vor-
gesetzte von Staatsbeamten, für die Regierung selbst, für Arbeit-
geber und Prinzipale, für Hausbesitzer und für die hohe Polizei
werden diese Listen von nicht zu unterschätzendem Interesse sein.
Die Sache ist um so praktischer, als man weiß, daß sich das
alles sehr ruhig abspielen wird und daß alle bisherigen Aus-
schreitungen unterbleiben werden. Angesichts der von Gott ein-
gesetzten Obrigkeit regt sich immer das bessere Theil im Men-
schen. Der ordentliche Wähler mag mit den bösesten Vorsätzen
in das Wahllokal treten — wenn er den überwachenden Polizei-
Kommissär in glänzender Uniform feierlich die Abstimmungen
notiren sieht, so wird sein Gewissen erwachen; er kehrt zur guten
Sache zurück und nennt einen Namen, der seine Regierung, seinen
Vorgesetzten, seinen Arbeitgeber mit inniger Freude erfüllt. So
erscheint der Polizei-Kommissär als schützender und rettender
Engel, was dazu beitragen wird, diese mit Unrecht von der
Opposition angefeindeten Beamten in das schönste Licht zu stellen.
Aber es gibt auch Elemente, bei denen sich die Böswillig-
keit und die Sucht nach staatsfeindlichen Umtrieben so sehr fest-
gesetzt hat, daß auch der Anblick eines ihre Abstimmung noti-
renden Polizei-Kommissärs sie nicht zum Besseren bewegen kann.
Leider ist auch eine große Zahl dieser Leute unabhängig und
kann in keiner Weise hinterher für ihre staatsfeindlichen Abstim-
mungen zur Rede gestellt oder zur Rechenschaft gezogen werden.
Hier hört eben die wohlwollende und väterliche Fürsorge des
Staates vollständig auf. Zum Glück befinden sich aber diese
unverbesserlichen und der staatlichen Belehrung nicht zugänglichen
Elemente weitaus in der Minorität und damit wird der eigent-
liche Zweck des neuen Gesetzes erreicht sein, wenn das verderb-
liche Wahlgeheimniß die guten Elemente nicht mehr verführen
kann. Denn die Hauptsache ist, daß sich in allen parlamenta-
rischen Körperschaften eine feste Majorität für die Regie-
rung vorfindet. Wozu hätten wir auch Wahlen, wenn sie nicht
dazu bestimmt wären, der Regierung eine Majorität zu ver-
schaffen?
Die öffentliche Wahl wird noch eine Menge von Vortheilen
mit sich bringen. Es wird nicht mehr Vorkommen, daß man
Leute zu Abgeordneten wählt, die gar nichts haben, die ohne
Handschuhe ausgchen und die nicht einmal die nöthige Garderobe
besitzen, um von einem Minister zur Soiree geladen werden zu
können. Eine gute Regierung braucht viele Einnahmen; viele
Die verzauberten Möpse.
Jungfrau Amalie war zwar sehr reich, aber sie hatte dennvch keinen
Mann bekommen. Warum weiß man eigentlich nicht. Amaliens Eltern
waren sehr fromme Katholiken gewesen. Sie hatten ihre Tochter dem-
gemäß mit dem Gedanken vertraut gemacht, einst die Reichthümer der
Familie der Kirche zu überlassen. Als die Eltern starben, war Amalie,
die einzige Erbin, vorläufig noch irdisch genug gesonnen und ihr Sinn
noch nicht hinreichend auf die himmlischen Güter gerichtet. Sie behielt
also einstweilen ihr Vermögen für sich selbst, statt es für die Kirche zu ver-
wenden. Indessen hatte sich der Ruf ihrer kirchlichen Gesinnung schon
verbreitet, und die Mönche des vor der Stadt belegenen Klosters beeilten
sich, Amalien sich vorzustellen. Namentlich den dicken Pater Franziskus
sah man täglich aus- und eingehen.
Allein die irdischen Neigungen waren bei Amalie nicht ganz in die
Brüche gegangen, trotzdem sie nunmehr in den Sechszigen stand. Im
übrigen konzentrirte Amalie ihre Zärtlichkeit auf ihre Möpse. Sie hatte
deren drei Exemplare von seltener Fettigkeit und Trägheit. Diese Möpse
wurden zärtlich gehegt und gepflegt; sie schliefen auf gestickten Kissen und
Nachts nahm die Gebieterin je einen von ihnen abwechselnd mit sich ins
Bett. Eine alte taube Magd mußte die Möpse täglich waschen und
kämmen; Fräulein Rosa dagegen hatte die Fütterung der süßen Thiere
zu besorgen. Rosa war eine Waise, welche Amalie zu sich genommen
hatte. Rosa hätte gerne dieses klösterliche Leben mit einem anderen ver-
tauscht, allein was sollte sie machen? Sie war arm und verlassen und
so entschloß sie sich, um nicht der Noth zu verfallen, jeden Tag die Büß-
predigten Amaliens und des Paters anzuhören.
Jawohl, es gab auch etwas zu büßen. Amalie hatte einen
Großneffen, den jungen Karl Hildebrand, der als Referendarius in dem
Städtchen angestellt war. Er war ein angenehmer, vergnügter und
freisinniger Mensch; deßhalb konnten ihn die Mönche so wenig leiden
als er sie.
Aber noch etwas anderes kam ins Spiel. Rosa hatte gar schöne
tiefblaue Augen und Hildebrand hatte zu tief hineingesehen, um sie je
wieder vergessen zu können. Seine Neigung wurde erwidert. Was wäre
einfacher gewesen, als daß Amalie das Glück der jungen Leute begünstigte?
Allein wann hätte je eine alte Jungfer ruhig mit ansehen können, wie
ztvei nette junge Leute sich lieben, sich heiraten und mit einander glück-
lich werden? Als Amalie die Zuneigung der jungen Leute sah, geriet sie
in den heftigsten Zorn. Sie drohte, Rosa aus dem Hause zu jagen,
wenn das Verhältniß nicht aufhöre. Um Rosas willen hielt sich Karl
zurück und kam nur wöchentlich einmal zum Besuch. Rosa zog sich dann
zurück.
Soweit der ernste Teil unserer Geschichte. Nun kommt der heitere.
Trotz Mönchen und Möpsen blieb Amalie nicht von der Langeweile
verschont; sie bekam Migräne und Hypochondrie. Der Arzt, den sie zu
Rathe zog, konnte ihr nur empfehlen, sich zu zerstreuen; so entschloß sie
sich denn, in ein Bad zu gehen. Rosa mußte natürlich mit.
Als Hildebrand von der beabsichtigten Badereise hörte, machte er
Amalien einen Besuch. Er fand den Pater bei ihr.
Hildebrand beglückwünschte Amalien zu ihrem Entschluß.
„Ach!" seufzte Amalie in ihrem zärtlichsten Basse.
„Was ist dir?" fragte Hildebrand.
„Ach, meine Möpse!" stöhnte Amalie.
„Was ist's mit den Möpsen?"
„Wer wird meine armen Möpse behüten, wenn ich fort bin! Meine
Magd ist zu nachlässig."