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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 1.1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.9078#0077
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Nr. 10.

Erscheint monatlich einmal. Preis pro Nummer IO Pfennig.

1884.

KUtzdrahtmeldungen. Wahlwoche 1884.

Afrika. St.Lüderitzki. Im Oktober ist nichts annekirt worden.

Berlin. Aus guter Quelle verlautet, daß am 26. u. 27. Oktober
in jedem Wahlkreise 1001 Versammlungen abgehalten werden sollen.
Die Sozialdemokraten haben keinen Mangel an Reserenten, dagegen
beabsichtigen die Deutschfreisinnigen und Antisemiten, die Wähler anzu-
telcphoniren. Ein sinnreich konstruirter, extra für Stöcker erfundener
Apparat gestattet letzterem, seine Stimme bald wie „Engelszungen"
säuseln, bald wie die Posaune von Jericho ertönen zu lassen. Die
Verbote werden gleichsalls elektrisch ausgeführt. Die Helmspitzen der

Kommissare sollen mit der Telegraphenleitung durch Drähte verbunden

werden.

Schwerin i. M. „Wir Mecklenburger sind doch bessere Menschen",
drahtet Auer. „Fasiungslos steht Deutschland da, geknickt und be-
schämt, daß die wahre Freiheit nur noch in Mecklenburg zu finden ist.
Diesmal reißt der Draht hoffentlich nicht."

Kairo. Aegypten zahlt wieder — in die Taschen der Engländer.
Paris. Die Kriegserklärung ist seitens China immer noch nicht
erfolgt. Die Franzosen schlugen in Anerkennung dieser Friedensliebe
in der letzten Woche 3000 Chinesen todt.

Wahl-Stoßseufzer

des loyalen Spießbürgers.

Man will uns ohne Ende quälen,
Nun sollen wir schon wieder wählen
And werden um die Ruh' gebracht
Durch solchen Lärm bei Tag und Rächt.

Ruhstörer mag der Richter strafen;
Wir wollen lieber ruhig schlafen;

Wir haben noch vergessen nicht,

Daß Ruhe erste Gürgerpflicht.

Da kommen ste mit tausend Sachen
And woll'n uns damit glücklich machen;
Wir wissen leider selber nicht,

Woran's uns eigentlich gebricht.

Wir sollen ird'scher Lust entsagen,

Das ist nicht gut für unsern Magen,
Verspricht uns Windthorst auch sogleich
Dafür das ganze Himmelreich.

Wir sollen noch mehr Steuern zahlen,
Damit macht uns Kleist -Rehow Gualen,
Wenn man auch will zu unserm Schuh
Den Rothen bieten stärker Trutz.

Herr Richter schimpft auf die Regierung
Rnd tadelt deren ganze Führung;

Wir brauchen auch Opposttion,

Doch ist es zu gefährlich schon.

Herr von Gennigsen meint es gut;

Wir glauben ihnr mit frohem Muth
Rnd halten zu ihm treu und still —

Wenn wir nur wüßten, was er will.

Schon naht stch die Entscheidungsstunde,
Wir schauen rathlos in die Runde,

Wohin man dreht und wendet stch,

Gleibt doch die Lage fürchterlich.

Wer will uns rathen, will uns helfen?
Sollen wir heulen mit den Wölfen?

O Jacob, lieber alter Freund,

Du hast's mit uns stets gut gemeint.

O last uns diesmal nicht im Stiche,
Gedenk' die Angst, die fürchterliche,

Rnd gib uns treulich au, was nun
Wir soll'n zu unsrem Gesten thun!

lat» b.

Ci, was zerbrecht ihr euch die köpfe?
Ihr habt ja Alle lange Zöpfe,

Die stnd so stark und dick und breit
And wecken der Chinesen Reid.

Rnd vom Münchhausen die Geschichte
Kam euch wohl auch schon zu Gesichte.
Münchhausen trug an seinem Schopf
Wie ihr stets einen großen Zopf.


Als er einst in den Sumpf geflogen,

Am eigenen Zopf herausgezogen
Hat er stch selbst mit viel Geschick;

Das macht ihm nach; ich wünsch' euch Glück!
 
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