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Zum nationalliberalen Parteitag.
Auf Grund zuverlässiger Informationen können wir mit-
theilen, daß vor dein öffentlichen Parteitag der Nationalliberalen
in Berlin ein geheimer stattgefunden hat, auf welchem sich die
Führer der Partei mit einigen vertrauten Parteigenossen unter
einander offen über ihre Ziele und Hoffnungen ausgesprochen
haben. Unserem verehrten Mitarbeiter Dr. Horribiliskribifax
ist es gelungen, in Folge seines großen Ansehens bei allen Par-
teien, auch zu diesem geheimen Parteitag Zutritt zu erlangen,
nnb so sind wir in der angenehmen Lage, über das, was dort
verhandelt wurde, Bericht erstatten zu können, was unfern Lesern
um so interessanter sein wird, als die nationalliberalen Organe
bezüglich jener Verhandlungen sich in ein undurchdringliches
Schweigen hüllen.
Also Dr. Horribiliskribifax berichtet uns:
Dieser geheime Parteitag fand im Kaiserhof zu Berlin statt.
Als Getränk durfte nur Limonade genossen werden, da Herr von
Bennigsen fürchtete, geistige Getränke möchten feurige Reden nnb
feurige Beschlüsse veranlassen. Diese verständige Maßregel be-
wirkte denn auch, daß eine taktvolle Zahmheit und Zurückhaltung
bei den Rednern vorherrschte.
Zunächst nahm der Staatsmann mit der röthlich schimmern-
den Nase, Herr Marqnardsen aus Erlangen, das Wort.
„Es fällt mir schwer", sagte er, „mich in die Rolle des
Staatssozialisten hineinzufinden, die das Heidelberger Pro-
gramm von uns verlangt. Die Sozialreform des Reichskanzlers
geht einen gefährlichen Weg. Und wir sollen mit. Man wird
uns in den Blättern der freisinnigen Partei als „verkappte So-
zialisten" verdächtigen. Und ich habe so viele Fabrikanten unter
meinen Wählern!"
„Nur keine Furcht", erwiderte Herr Miguel. „Wenn sie
uns als „verkappte Sozialisten" bezeichnen, so bezeichnen mir sie
als „verkappte Republikaner". Mit der Sozialresorm ist es nicht
so schlimm. Sprechen wir viel von dieser Sache und thun
wir wenig dazu, so handeln wir weise."
„Bravo!" riefen einige jüngere Mitglieder. „Pst!" sagte
Herr von Bennigsen, „nur nicht heftig werden!"
„Aber", sagte Herr Meier von Breinen, „wenn wir die
Sozialreform des Reichskanzlers auch nur formell unterstützen, so
erwachsen für uns daraus bedenkliche Konsequenzen. Der Reichs-
kanzler meint immer noch, zur Durchführung der Sozialresorm
sei das Tabaksmonopol unerläßlich."
Bei dem Worte Tabaksmonopol erblaßten alle Gesichter.
„Ich", fuhr Herr Meier mit dumpfer Stimme fort, „kann
mich in Bremen nicht mehr sehen lassen, wenn auch nur Einer
von uns für das Tabaksmonopol stimmt."
„Jawohl", rief laut ein junges Mitglied und Herr von
Bennigsen legte wieder den Finger auf den Mund.
„Aber bester Meier", sagte Herr Miguel, „einstweilen lassen
wir uns doch erst wählen und dann erst kommt die Frage wegen
des Tabaksmonopols."
Meier zuckte die Achseln und nahm einen mächtigen Schluck
Limonade. Marqnardsen nickte ihm betrübt zu, die jüngeren Mit-
glieder ließen die Köpfe hängen.
„Die Sachen stehen in der That etwas bedenklich", meinte
Herr Ho brecht. „Wir können draußen schon sagen, daß wir
nicht gern für das Sozialistengesetz gestiinint hätten, wenn wir
es auch von Herzen gern gethan haben. (Allseitige Zustimmung.)
Allein es kommen noch andere Dinge in's Spiel. Wie wird es
Der weibliche Haardust.
Eine lochkragische Seelenriecherei.
Welche schrecklichen Konflikte die Theorie des Dr. Jäger von der
Riech Seele unter liebenden Herzen herbeiführen kann, das beweist ein
Vorfall, der sich jüngst in einer hochachibaren Familie zngetragen hat
und den wir hier erzählen wollen. Unsre geehrten Leser und Leserinnen
werden an der Wahrheit der Sache um so weniger zweifeln können, als
sie dieselbe ja gedruckt vor sich haben.
Der Herr Justizrath Dr. Bäumlein ist ein Mann in den besten Jahren
— die Helden und Heldinnen unsrer Erzählung sind nämlich sämmtlich
noch am Leben und befinden sich nicht allzuweit von uns — und hat vor
Kurzem ein junges hübsches Weibchen heimgeführt. Er hat Geld, sie hat
Geld und sie lieben sich obendrein. So schien kein Wölkchen den neuge-
tvölbten Himmel dieser Ehe trüben zu können und des Schnäbelns und
Kosens war kein Ende; es war, als sollten die Flitterwochen nimmer
aufhören.
Aber der Dichter hat Recht; des Lebens ungemischte Freude wird
keinem Sterblichen zu Theil.
Die Frau Emma — so hieß die Justizräthin — war ein wenig „ge-
lehrt" und hatte viel freie Zeit. Sie studirte eifrig die Schriften des
Dr. Jäger, der ihr sehr sympatisch war; sie trug auch die wollene Jäger-
kleidung für Damen. Aber keiner der tiefsinnigen Lehrsätze des Dr. Jäger
sagte ihr so zu, wie die Lehre vom weiblichen Haardust und dessen An-
wendung auf Speisen und Getränke. Man braucht nach dieser Lehre nur
ein Haar einer weiblichen Person zu pnlverisiren und dies Pulver unter
die Speisen und Getränke zu mischen, so werden diese Genußmittel da-
durch nervenbelebcnder und geschmackreicher gemacht. Da der große Zoologe
dies selbst gesagt hat, muß es wohl wahr sein.
Frau Emma war aber auch selbständige Denkerin, und so bildete
sie diese Theorie weiter aus. Sie begriff bald, daß nur der Haarduft
eines schönen, jungen Weibes oder Mädchens anziehend auf den wirken
könne, der die mit dem Haarpnlver versetzten Speisen genießt; der Haar-
duft einer häßlichen, alten Frau muß abstoßend wirken. Sie sollte dies
Resultat ihrer Forschungen bald in erstaunlicher Weise bestätigt finden.
Frau Emma wollte ihren Gatten zärtlich gegen sich erhalten und ihn
für immer an sich fesseln. Zu diesem Zweck versetzte sie alle Speisen mit
dem Duft ihres eigenen schönen goldblonden Haares, und siehe da, einen
zärtlicheren Gatten konnte sie sich nicht wünschen. Sie schwamm in
Wonne.
Nun hatten Justizrath Bäumleins eine alte Köchin, Jungfer Trine
genannt, eine vierschrötige Erscheinung mit einem starken Anflug von
Schnurrbart, und mit dichten, fettigen, schwarzen Haaren. Diese Trine
hatte, zum Geliebten einen alten Hnsareuwachtmeister, der sie wohl weniger
um ihres Haardnstes willen liebte, als um der saftigen Bratenstücke willen,
die Trine von der Tasel der Herrschaft für ihn abfalleu ließ. Die Jnstiz-
räthin sah wie alle Herrschaftedamen das Verhältniß nicht gern und wies
einst dem Wachtmeister die Thür. Nun mußte Trine den geliebten Husaren
heimlich sehen, und sie ergrimmte so sehr darüber, daß sie schwur, sich
bei der ersten Gelegenheit zu rächen.
Die Gelegenheit kam nur zu bald.
Die Mutter von Frau Emma erkrankte und Emma mußte an das
Krankenbett eilen nach S., etwa 20 Stunden von dem Aufenthaltsort des
Justizraths entfernt. Er konnte sie nicht begleiten. Ein ungeheurer
Schreck überkam das junge Weib. Wie nun, wenn sie den Speisen
ihren Haarduft nicht mehr beimischen konnte? Dann stand zu befürchten,
daß die Zärtlichkeit ihres Gatten nachließ und sich auf eine andere Person
wendete. Sie klagte sich bitter an, den Gatten so verwöhnt zu haben.
In ihrer Herzensangst vertraute sie sich der Köchin an und erklärte
ihr das Geheimniß nüt dem Pulver. Trine machte ein treuherziges Ge-
sicht und die Justizräthin glaubte ihr. Sie übergab ihr eine Schachtel
mit dem aus ihren blonden Haaren zubereiteten Pulver und beschrieb
ihr genau die Anwendung. Trine begriff sehr gut und Frau Emma
schied beruhigt, um an das Krankenlager ihrer Mutter zu eilen.
Trine! Hätte die arme Emma in die Tiefen deiner Seele blicken
können, die schwärzer sind, als deine Haare!
Das Befinden der Mutter Emmas besserte sich bald und die Justiz-
räthin eilte wie auf Flügeln in die Arme ihres geliebten Mannes zurück.
In die Arme? Ach, die Unglückliche. Sie fand ihn ganz anders wieder,
als sie ihn verlassen hatte. Seine Zärtlichkeit war ganz und gar ver-
schwunden. Er war nämlich mürrisch geworden, auf seiner sonst so
freundlichen Stirn lagen finstere Falten und er blickte düster vor sich hin.
Er bekümmerte sich kaum mehr um seine schöne junge Gattin.
„Bäumlein", sagte sie, „liebster Karl, was ist dir?" frug sie erschrocken,
als er ihre Liebkosungen zurllckivies.
„Hm!" brummte er.
„Liebst Du mich denn nicht niehr?"
„Hm!"
„Aber was fehlt Dir?"
„Nichts", brummte der Justizrath
Emma brach in Thränen aus. „Du liebst am Ende eine Andere?"
n$Q\X\!"
Die verzweifelte Frau rannte in die Küche zu der schwarzen Trine.
„Trine", schrie sie, „Du hast doch die Speisen mit dem Haardnft
versetzt?"
„Gewiß", betheuerte Trine mit dem unschuldigsten Gesicht von der
Welt.
„Aber die Wirkung", jammerte Emma.
„Da müssen die gnädige Frau eben die doppelte Dosis nehmen,"
meinte Trine.
„Gut, also mische künftig die doppelte Dosis bei", sagte Emma;
„vielleicht ändert er dann seinen Sinn". Sie schwankte hinaus. Hätte sie
den teuflischen Blick befriedigter Rache gesehen, den ihr die schnurrbärtige
Trine nachschleuderle, sie würde vor Schreck zusammengeschauert sein.
Aber sie sah ihn nicht.
Zum nationalliberalen Parteitag.
Auf Grund zuverlässiger Informationen können wir mit-
theilen, daß vor dein öffentlichen Parteitag der Nationalliberalen
in Berlin ein geheimer stattgefunden hat, auf welchem sich die
Führer der Partei mit einigen vertrauten Parteigenossen unter
einander offen über ihre Ziele und Hoffnungen ausgesprochen
haben. Unserem verehrten Mitarbeiter Dr. Horribiliskribifax
ist es gelungen, in Folge seines großen Ansehens bei allen Par-
teien, auch zu diesem geheimen Parteitag Zutritt zu erlangen,
nnb so sind wir in der angenehmen Lage, über das, was dort
verhandelt wurde, Bericht erstatten zu können, was unfern Lesern
um so interessanter sein wird, als die nationalliberalen Organe
bezüglich jener Verhandlungen sich in ein undurchdringliches
Schweigen hüllen.
Also Dr. Horribiliskribifax berichtet uns:
Dieser geheime Parteitag fand im Kaiserhof zu Berlin statt.
Als Getränk durfte nur Limonade genossen werden, da Herr von
Bennigsen fürchtete, geistige Getränke möchten feurige Reden nnb
feurige Beschlüsse veranlassen. Diese verständige Maßregel be-
wirkte denn auch, daß eine taktvolle Zahmheit und Zurückhaltung
bei den Rednern vorherrschte.
Zunächst nahm der Staatsmann mit der röthlich schimmern-
den Nase, Herr Marqnardsen aus Erlangen, das Wort.
„Es fällt mir schwer", sagte er, „mich in die Rolle des
Staatssozialisten hineinzufinden, die das Heidelberger Pro-
gramm von uns verlangt. Die Sozialreform des Reichskanzlers
geht einen gefährlichen Weg. Und wir sollen mit. Man wird
uns in den Blättern der freisinnigen Partei als „verkappte So-
zialisten" verdächtigen. Und ich habe so viele Fabrikanten unter
meinen Wählern!"
„Nur keine Furcht", erwiderte Herr Miguel. „Wenn sie
uns als „verkappte Sozialisten" bezeichnen, so bezeichnen mir sie
als „verkappte Republikaner". Mit der Sozialresorm ist es nicht
so schlimm. Sprechen wir viel von dieser Sache und thun
wir wenig dazu, so handeln wir weise."
„Bravo!" riefen einige jüngere Mitglieder. „Pst!" sagte
Herr von Bennigsen, „nur nicht heftig werden!"
„Aber", sagte Herr Meier von Breinen, „wenn wir die
Sozialreform des Reichskanzlers auch nur formell unterstützen, so
erwachsen für uns daraus bedenkliche Konsequenzen. Der Reichs-
kanzler meint immer noch, zur Durchführung der Sozialresorm
sei das Tabaksmonopol unerläßlich."
Bei dem Worte Tabaksmonopol erblaßten alle Gesichter.
„Ich", fuhr Herr Meier mit dumpfer Stimme fort, „kann
mich in Bremen nicht mehr sehen lassen, wenn auch nur Einer
von uns für das Tabaksmonopol stimmt."
„Jawohl", rief laut ein junges Mitglied und Herr von
Bennigsen legte wieder den Finger auf den Mund.
„Aber bester Meier", sagte Herr Miguel, „einstweilen lassen
wir uns doch erst wählen und dann erst kommt die Frage wegen
des Tabaksmonopols."
Meier zuckte die Achseln und nahm einen mächtigen Schluck
Limonade. Marqnardsen nickte ihm betrübt zu, die jüngeren Mit-
glieder ließen die Köpfe hängen.
„Die Sachen stehen in der That etwas bedenklich", meinte
Herr Ho brecht. „Wir können draußen schon sagen, daß wir
nicht gern für das Sozialistengesetz gestiinint hätten, wenn wir
es auch von Herzen gern gethan haben. (Allseitige Zustimmung.)
Allein es kommen noch andere Dinge in's Spiel. Wie wird es
Der weibliche Haardust.
Eine lochkragische Seelenriecherei.
Welche schrecklichen Konflikte die Theorie des Dr. Jäger von der
Riech Seele unter liebenden Herzen herbeiführen kann, das beweist ein
Vorfall, der sich jüngst in einer hochachibaren Familie zngetragen hat
und den wir hier erzählen wollen. Unsre geehrten Leser und Leserinnen
werden an der Wahrheit der Sache um so weniger zweifeln können, als
sie dieselbe ja gedruckt vor sich haben.
Der Herr Justizrath Dr. Bäumlein ist ein Mann in den besten Jahren
— die Helden und Heldinnen unsrer Erzählung sind nämlich sämmtlich
noch am Leben und befinden sich nicht allzuweit von uns — und hat vor
Kurzem ein junges hübsches Weibchen heimgeführt. Er hat Geld, sie hat
Geld und sie lieben sich obendrein. So schien kein Wölkchen den neuge-
tvölbten Himmel dieser Ehe trüben zu können und des Schnäbelns und
Kosens war kein Ende; es war, als sollten die Flitterwochen nimmer
aufhören.
Aber der Dichter hat Recht; des Lebens ungemischte Freude wird
keinem Sterblichen zu Theil.
Die Frau Emma — so hieß die Justizräthin — war ein wenig „ge-
lehrt" und hatte viel freie Zeit. Sie studirte eifrig die Schriften des
Dr. Jäger, der ihr sehr sympatisch war; sie trug auch die wollene Jäger-
kleidung für Damen. Aber keiner der tiefsinnigen Lehrsätze des Dr. Jäger
sagte ihr so zu, wie die Lehre vom weiblichen Haardust und dessen An-
wendung auf Speisen und Getränke. Man braucht nach dieser Lehre nur
ein Haar einer weiblichen Person zu pnlverisiren und dies Pulver unter
die Speisen und Getränke zu mischen, so werden diese Genußmittel da-
durch nervenbelebcnder und geschmackreicher gemacht. Da der große Zoologe
dies selbst gesagt hat, muß es wohl wahr sein.
Frau Emma war aber auch selbständige Denkerin, und so bildete
sie diese Theorie weiter aus. Sie begriff bald, daß nur der Haarduft
eines schönen, jungen Weibes oder Mädchens anziehend auf den wirken
könne, der die mit dem Haarpnlver versetzten Speisen genießt; der Haar-
duft einer häßlichen, alten Frau muß abstoßend wirken. Sie sollte dies
Resultat ihrer Forschungen bald in erstaunlicher Weise bestätigt finden.
Frau Emma wollte ihren Gatten zärtlich gegen sich erhalten und ihn
für immer an sich fesseln. Zu diesem Zweck versetzte sie alle Speisen mit
dem Duft ihres eigenen schönen goldblonden Haares, und siehe da, einen
zärtlicheren Gatten konnte sie sich nicht wünschen. Sie schwamm in
Wonne.
Nun hatten Justizrath Bäumleins eine alte Köchin, Jungfer Trine
genannt, eine vierschrötige Erscheinung mit einem starken Anflug von
Schnurrbart, und mit dichten, fettigen, schwarzen Haaren. Diese Trine
hatte, zum Geliebten einen alten Hnsareuwachtmeister, der sie wohl weniger
um ihres Haardnstes willen liebte, als um der saftigen Bratenstücke willen,
die Trine von der Tasel der Herrschaft für ihn abfalleu ließ. Die Jnstiz-
räthin sah wie alle Herrschaftedamen das Verhältniß nicht gern und wies
einst dem Wachtmeister die Thür. Nun mußte Trine den geliebten Husaren
heimlich sehen, und sie ergrimmte so sehr darüber, daß sie schwur, sich
bei der ersten Gelegenheit zu rächen.
Die Gelegenheit kam nur zu bald.
Die Mutter von Frau Emma erkrankte und Emma mußte an das
Krankenbett eilen nach S., etwa 20 Stunden von dem Aufenthaltsort des
Justizraths entfernt. Er konnte sie nicht begleiten. Ein ungeheurer
Schreck überkam das junge Weib. Wie nun, wenn sie den Speisen
ihren Haarduft nicht mehr beimischen konnte? Dann stand zu befürchten,
daß die Zärtlichkeit ihres Gatten nachließ und sich auf eine andere Person
wendete. Sie klagte sich bitter an, den Gatten so verwöhnt zu haben.
In ihrer Herzensangst vertraute sie sich der Köchin an und erklärte
ihr das Geheimniß nüt dem Pulver. Trine machte ein treuherziges Ge-
sicht und die Justizräthin glaubte ihr. Sie übergab ihr eine Schachtel
mit dem aus ihren blonden Haaren zubereiteten Pulver und beschrieb
ihr genau die Anwendung. Trine begriff sehr gut und Frau Emma
schied beruhigt, um an das Krankenlager ihrer Mutter zu eilen.
Trine! Hätte die arme Emma in die Tiefen deiner Seele blicken
können, die schwärzer sind, als deine Haare!
Das Befinden der Mutter Emmas besserte sich bald und die Justiz-
räthin eilte wie auf Flügeln in die Arme ihres geliebten Mannes zurück.
In die Arme? Ach, die Unglückliche. Sie fand ihn ganz anders wieder,
als sie ihn verlassen hatte. Seine Zärtlichkeit war ganz und gar ver-
schwunden. Er war nämlich mürrisch geworden, auf seiner sonst so
freundlichen Stirn lagen finstere Falten und er blickte düster vor sich hin.
Er bekümmerte sich kaum mehr um seine schöne junge Gattin.
„Bäumlein", sagte sie, „liebster Karl, was ist dir?" frug sie erschrocken,
als er ihre Liebkosungen zurllckivies.
„Hm!" brummte er.
„Liebst Du mich denn nicht niehr?"
„Hm!"
„Aber was fehlt Dir?"
„Nichts", brummte der Justizrath
Emma brach in Thränen aus. „Du liebst am Ende eine Andere?"
n$Q\X\!"
Die verzweifelte Frau rannte in die Küche zu der schwarzen Trine.
„Trine", schrie sie, „Du hast doch die Speisen mit dem Haardnft
versetzt?"
„Gewiß", betheuerte Trine mit dem unschuldigsten Gesicht von der
Welt.
„Aber die Wirkung", jammerte Emma.
„Da müssen die gnädige Frau eben die doppelte Dosis nehmen,"
meinte Trine.
„Gut, also mische künftig die doppelte Dosis bei", sagte Emma;
„vielleicht ändert er dann seinen Sinn". Sie schwankte hinaus. Hätte sie
den teuflischen Blick befriedigter Rache gesehen, den ihr die schnurrbärtige
Trine nachschleuderle, sie würde vor Schreck zusammengeschauert sein.
Aber sie sah ihn nicht.