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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 1.1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.9078#0070
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-» Aus unseren Kolonien. <

Unser Mitarbeiter vr. Horribiliskribifax ist in den neuen
deutschen Kolonien an der Westküste Afrikas angekommen. Der
berühmte Korrespondent wurde dort allseitig mit der Ehrerbietung
ausgenommen, die seinem Weltruf gebührt. Er hatte sogar die
Freude, daß ein angesehener Häuptling der Neger in Groß-Popo,
der sich Kamehameha nennt, ihn zu sich rufen ließ und mit ihm
eine längere Unterredung über die Zukunft der Kolonien hatte.
Kamehameha empfing unseren Mitarbeiter unter einem pracht-
vollen Zelt, rings um sich seine Frauen gelagert. Alle saßen
mit nntergeschlagenen Beinen auf kostbaren Teppichen. Die Unter-
redung ging nach dem Berichte von Horribiliskribifax — natür-
lich mit Hilfe eines Dolmetschers — etwa wie folgt, vor sich:

Kamehameha: Da ich nun deutscher Reichsangehöriger ge-
worden bin, so muß ich auch zur christlichen Religion übertreten.

Horribiliskribifax: Ja; Sie werden aber auch Ihre Frauen
bis auf eine entlassen müssen.

Kamehameha: Sie machen mich traurig. Wenn ich das
nur früher gewußt hätte.

Horribiliskribifax: Aber Sie werden doch einsehen, daß
man auch Opfer bringen muß, wenn man der Segnungen der
Kultur theilhaftig werden will.

Kamehameha: Nun ja, ich werde mich daran gewöhnen.
Wenn mail uns nur sonst gewähren läßt.

Horribiliskribifax: Die europäische Zucht und Sitte wird
von den Männern und Frauen Ihres Volkes verlangen, daß sie
nicht mehr nackt umherlanfen, sondern sich mit Kleidern bedecken.

Kamehameha: Aber da schwitzen wir ja fürchterlich. Genügt
eine Schürze denn nicht?

Horribiliskribifax: Für die Klcktur darf man schon schwitzen.
Sehen Sie. so kleiden sich bei uns die Damen. (Zeigt ihm die
Photographie einer Modedame.)

Kamehameha: Aber die sieht ja ans wie ein gesatteltes
Pferd. Kann die denn noch schnaufen mit dem engen Gewand?

Horribiliskribifax: Das muß man Alles erst lernen. Und
hier sehen Sie einen Europäer. (Zeigt ihm das Bild eines modisch
gekleideten Mannes mit Angströhre.)

Kamehameha: Der hat ja einen umgestülpten Topf auf

dem Haupte. Aber scheint denn bei Euch nicht die Sonne, weil
Ihr fast keinen Rand am Hut habt?

Horribiliskribifax: Daran muß mail sich eben gewöhnen.
Es kommt bei uns Europäern weniger darauf an, praktisch unb
bequem, als vielmehr immer modern gekleidet zu sein.

Kamehameha: Aber da seid Ihr ja eigentlich thörichte
Leute. Unsere jungen Leute werden sich an diese Kleidung noch
schwerer gewöhnen, als mir Alten.

Horribiliskribifax: Das wird sich finden. Für eure jungen
Männer gibt es ohnehiil noch eine besondere Kleidung, wenn sie
in den Waffen geübt werden, was drei Jahre erfordert. (Zeigt
ihm das Bild eines Soldaten in Feldausrüstung.)

Kamehameha: O Bimbia und Großpopo! Alle die Sachen
sollen die jungen Leute tragen. Könnte man denn das viele
Gepäck nicht auf Maulthiere oder Pferde laden?

Horribiliskribifax: Das geht nicht; unser Militär muß
abgehärtet werden, wenn es felddienstfähig sein soll.

Kamehameha: Wenn aber unsere jungen Leute drei Jahre
lang sich in den Waffen üben sollen, wer sorgt dann für ihren
Unterhalt? Dann können sie doch nicht arbeiten.

Horibiliskribifax: Dafür sorgen eben die nicht unter den
Waffen befindlichen Staatsangehörigen, indem sie Steuern zahlen.

Kamehameha: Steuern, was ist das?

Horribiliskribifax: Das sind die Abgaben, die man an
den Staat leistet.

Kamehameha: So so! Hören Sie, die europäische Zivili-
sation ist aber keine billige Waare.

Horribiliskribifax: Das mag sein, aber sie bringt auch
höhere Genüsse mit sich. Ihre Fräulein Töchter werden dann
nicht mehr unter den Palmen untätig liegen, sondern werden
mnsiziren und tanzen lernen.

Kamehameha: Das mögen Ihre Damen besorgen. Bei uns
überläßt man das Mnsiziren und Tanzen den umherziehcnden
Gauklern.

Horribiliskribifax: Nun, lieber Freund, erhitzen Sie sich
nicht. Sie werden sich an Alles gewöhnen; in Kurzem werden
Sie die Zivilisation großartig und herrlich finden.

Das tapfere Schreiberlein.

Eine lustige Duellgeschichte von Hans Flux.

O war' ich doch ein Ritter,

Ei» Ritter vom goldnen Vließ!

O Liebe, wie bist du bitter,

O Liebe, wie bi|t du süß!

(Scheffel, Trompeter von Säckingen.)

o mag es gleich dem Tronipetcr von Säckingen manchmal
geseufzt und gewehklagt haben, das arme Schreiberlcin
Amandus Knauer iu dem schönen Städtlein P. Denn sein
Herz war in Liebe entflammt, in heißer brünstiger Liebe
zu etner vaterländischen Schönen. Wie viel hübsche Blondinen und
Brünetten es auch sonst in P. geben mochte, sein Herz hing nur
an Einer, an eines Bäckers rothwangigem Töchterlein, das so rund
und stattlich gediehen war, wie die großen Brodlaibe, die der biedere
Herr Papa Bäckermeister alltäglich anzufertigeu pflegt. Der Herr Bäcker-
melster Grimm war stolz auf seine Kunst und kannte kein größeres Ver-
gnügen, als nlit seinen nervigten Armen in der Teigmulde zu tagewerken.
Was seine Tochter betraf, so mar es bei ihm selbstverständlich, daß nur
ein Mitglied der ehrsanien Bäckerzunst ihre Hand und Mitgift haben
konnte. „Soll sich irgend Einer unterstehen," hörte man ihn oft beim
Schoppen sagen, „der unser ehrsames Handwerk nicht versteht" — und
Meister Grimm inachte mit seiner breiten Hand eine nicht mißzuverstehende
Geberde, die ein schmächtiges Schreiberlein schon in Angst versetzen mochte.

Aber es unterstand sich doch Einer, nämlich Herr Amandus Knauer,
trotzdem er kein Bäcker war. Herr Amandus halte Math. Wir wissen
nicht, wie er dazu gekommen, sich des holden Bäckertöchterleins Liebe zu
gewinnen und wo er den ersten Kuß von ihren schwellenden Lippen ge-
pflückt — kurz, er fand Gegenliebe. Die runde Bertha konnte allerdings
dem heißgeliebten Helden der Feder nur wenige Zusammenkünfte gewähren
und so mußte sich der arme Knauer auf häufige Fensterpromenaden ver-
legen. Bei dieser Gelegenheit faßte Meister Grimm einmal Verdacht und
sagte in seiner Blumensprache zur runden Bertha: „Wenn dieser dürr-
beinige Schreiber dir nachstellt, schlage ich ihm alle Knochen entzwei."
Das hatte insofern seine Richtigkeit, als etwas anderes denn Knochen an
Knauer überhaupt nicht entzwei zu schlagen war.

Bertha theilte zitternd ihrem Geliebten bei einem Rendezvous, das
Abends unter der Hausthüre stattfand, während Meister Grimm ausge-
gaugen war, die böse Absicht des Vaters mit. Allein der tapfere Herr
Amandus Knauer, der viele Ritterromane gelesen und sich daran be-
geistert hatte, suchte die zaghafte Geliebte zu ermuthigen.

„Theures Weib, gebiete deinen Thränen,

„Nach der Feldschlacht ist mein feurig Sehnen!"
so rief er pathetisch, „jawohl, ich werde mich zur Feldschlacht stellen.
Ich gehe morgen zu Deinem Vater und halte um Deine Hand an."

„Ach, was wird das geben!" schluchzte Bertha.

„Nur Muth," rief er in heldischer Stellung, „diese Arme schützen
Pergamus. Ich komme."

„Aber Papa ist so grob," seufzte Bertha.

„Das stört mich nicht," sagte Knauer stolz. „Ich werde ihm
imponiren!"

„Ach!" sagte Bertha. Dann nahmen sie Abschied, sie in Thränen,
er voll Zuversicht.

Am nächsten Vormittag um elf Uhr präsentirte sich Herr Armandus
iu schwarzem Frack, engen schwarzen Beinkleidern, tveißer Weste, gelben
Glacehandschuhen und mit der „Angströhre" in der Hand bei Meister
Grimm. Er ward von dem Dienstmädchen ins Staatszimmer geführt.
Bertha wurde nicht sichtbar, gleich darauf aber erschien Meister Grimm,
von oben bis unten mit Mehl bestäubt. Er sah recht bärbeißig aus.

„Was wollen Sie?" knurrte er unheimlich.

„Herr Grimm," flötete Amandus Knauer, „ich liebe Ihre Tochter
und" —

„So!" knurrte Meister Grimm und seine Hände zuckten und schienen
etwas zu suchen.

„Bitte um deren Hand!" fuhr Knauer fort.

„Warten Sie einen Augenblick," rief Meister Grimm und eilte hinaus.

„Ah," frohlockte Herr Amandus, „ich habe ihm imponirt. Ich wußte
es ja. Nun kommt er wieder und bringt Bertha."

Er kam wieder und brachte — nicht Bertha, sondern einen derben
Ochsenziemer.

„Warte, Schreiberseele," schrie er, „ich will Dir solche Possen ver-
treiben." Dabei packte er den armen Schreiber, der ob solchen Angriffs
ganz fassungslos war, am Kragen, legte ihn über seine Kniee und be-
 
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