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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 2.1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.9079#0017
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Auf zürn Kreuzzug!

Moft0: „Nur immer lausen lassen,
was sich nicht halten läßt."

Otto Ru P P i us.

J»i Jahre 1248, also vor 637 Jahren, wurde von dem
König von Frankreich, Ludwig bcm Heiligen, ein Kreuzzug nach
Egypten unternommen, der bekanntlich sehr unglücklich ansfiel.
Angesichts der Thatsache, daß die Macht des Mahdi, des Pro-
pheten im Sudan, in so bedrohlicher Weise im Anschwellen be-
griffen ist, hat man sich an jenen Kreuzzug erinnert und sich die
Frage vorgelegt, ob es nicht an der Zeit fei; der Herrschaft des
Heidenthnms abermals, wie in der großen Zeit der Kreuzzüge,
mit den Waffen in der Hand entgegen zu treten, und hoffentlich
mit besserem Erfolg.

Freilich begegnet man da dem Hauptübel unserer Zeit: die
Menschen sind auch im sonst so romantischen Deutschland allzu
vernünftig geworden. Der Deutsche ist kein reiner Idealist mehr;
er kann sich nicht mehr zu dem hohen Gedanken erheben, daß,
wie früher, Egypten, Palästina und Kleinasien mehr Interesse
für ihn haben, als sein eigenes Vaterland. Es ist so gewöhnlich,
so alltäglich, sich nur mit den naheliegenden Interessen seines
eigenen Landes zu befassen. Diese deutschen Philister wollen
ein besseres Einkommen haben, statt sich damit zu beschäftigen,
wie man Geld zusammenbringt, um der bedrängten Christeuheit
in Egypten, in Hinterindien und China zu Hilfe zu konimeu.

Aber es gibt noch Leute, die von höheren Ideen erfüllt sind,
und so haben wir denn mit ungemeinem Vergnügen gelesen, daß
die fromme „Germania" zu einem Krenzzug gegen den
Mahdi aufgcfordert hat. Die „Germania", das beste Organ
des Herrn Windthorst, hat sich um Förderung idealer Zwecke,
z. B. um die Wallfahrt zu der wuuderthätigen Louise Late au,
so hohe Verdienste erworben, daß man wohl erwarten konnte, es

würde von dieser Seite auch ein Anstoß zu einem so zeitgemäßen
Unternehmen, tvie es ein Kreuzzug nach Egypten ist, gegeben
werden.

Wir können uns der Aufforderung, einen Krenzzug wider den
Mahdi zu organisireu, nur ans vollem Herzen aufrichtig an-
schließen und werden unser Möglichstes thnn, dies Unternehmen
bald zu Stande bringen und fördern zu helfen.

Leider vermissen wir in der „Germania" die positiven Vor-
schläge, wie das Unternehmen ausgeführt werden soll. Wir ge-
statten uns daher, einige Gedanken nach dieser Richtung zu äußern,
ohne uns damit anderen, zweckmäßigeren Vorschlägen verschließen
zu wollen.

Zum Generalissimus des ganzen Unternehmens tvüßten wir
in der That keinen Besseren vorzuschlagen, als unseren verehrten
Freund Windthorst. Daß er ein Meister in der Taktik, soivohl
beim Vormarsch als auch bei Rückzugsgefechten ist, hat er im
Reichstag und preußischen Abgeordnetenhaus hinreichend bewiesen.
Sicherlich würden die Horden des Mahdi einem solchen Feldherrn
nicht widerstehen können. Wenn unser Vorschlag acceptirt wird,
so möchten wir empfehlen, daß Herr Windthorst, falls er nicht
reiten gelernt hat, in dieser edlen Kunst gleich Unterricht nimmt.
Ein Feldherr muß zu Pferde erscheinen können. In Egypten
wäre sofort nach der Ankunft dann noch ein Kursus im Kameel-
ritt zu nehmen.

Als Generalstabschef würden wir Herrn Majnnke empfehlen,
der jetzt einsam ans seiner Pfarre in Schlesien trauert. Wir
haben eine Kartenschlägerin befragt, die uns gesagt hat, daß Herr
Majunke noch zu großen Dingen bestimmt sei. Die Zeit erscheint
uns als gekommen, da diese Weissagung sich erfüllen soll.

Als Offiziere des Kreuzheeres wären die sämmtlichen männ-
lichen Insassen von Klöstern, die sich noch in Deutschland be-

Aie reiche §frctu.

Eine Geschichte zur Warnung für Heirathskandidaten.

Von Kans Itrix.

Fritz Bäumlein war sonst ein guter Junge; er hatte nur den einen
Fehler, daß er zuviel auf das gab, was seine Großmutter sagte. Und
die Großmutter, die für eine sehr kluge Frau gehalten wurde, sagte zu
ihrem Enkel Fritzchen immer: „Heirathe nur eine reiche Frau!"

Fritzchen setzte sich mit den verschiedenen Heirathsbureaux in Ver-
bindung und siehe da, er hatte Glück — die reiche Frau kam. Schön
war sie nicht; sie war lang und dürr und roch aus dem Mund; auch
schielte sie ein wenig. Aber sie hatte eine Rente von 5000 Mark.

„Pfui, Fritz," sagten seine Freunde, „wie magst du, ein junger
Mensch von sechsuudzwanzig Jahren, diese häßliche und zänkische alte
Schachtel heiratheu, die vierzehn Jahre älter ist als du. Da kann nichts
Gutes dabei herauskommen."

Fritz Bäumlein lächelte überlegen: „Meine Großmutter hat's ge-
sagt!"

Darauf erwiderten die Freunde nichts inehr. Er heirathete und
hatte nun die ersehnte reiche Frau. Zwar wollte ihm Manches nicht ge-
fallen, allein er dachte: „Eine Rente von 5000 Mark ist nicht von Pappe"
und er sah darüber hinweg.

Sie traten die Hochzeitsreise an und stiegen in einem Schweizer
Hotel ab. Die Kellner lächelten über das Paar, allein Fritz konnte nichts
sagen, es sah wie Freundlichkeit aus. Als es Essenszeit war, sagte Fritz:

„Liebe Anna, laß uns auf dem Zimmer essen; es ist so gemüthlicher."

Sie sah ihn funkelnden Auges an: „Schämst du dich meiner schon?
Aha, du hast nur mein Geld geheirathet."

„Aber Anna," meinte Fritz, „ich — —"

„Wir gehen zur Tafel!" sagte Anna gebieterisch.

Fritz wagte keinen Widerspruch. „Später werde ich sie schon anders
gewöhnen," tröstete er sich.

Man erschien an der Tafel, wo die Gäste neugierig sich das selt-
same Paar besahen. Anna war wie umgewandelt. Sie war die Zärt-
lichkeit selbst gegen ihren Manu; sie legte ihm selbst vor, sie streichelte
ihm die Wangen, legte zuweilen ihren Arm um seinen Nacken und drängte
sich an ihn, als ob sonst Niemand da wäre.

Die Gäste lächelten spöttisch und ein anwesender Maler skizzirte das
seltsame Paar. Anna schien von dem Allem nichts zu bemerken; Fritz
aber saß da, geknickt wie ein krankes Huhn, und ließ Alles willenlos
über sich ergehen.

Endlich war die Tafel zu Ende. Als man wieder auf dem Zimmer
ankam, verschwand die Freundlichkeit aus Anna's Zügen. Sie sah so fuchs-
teufelswild aus, daß Fritz erschrak.

„So!" schrie sie, „Du willst nicht einmal vor den Leuten zeigen, wie
glücklich wir sind!"

„Aber Anna — —"

„Still, Elender!" kreischte sie.

„Anna!"

Sie wälzte sich vor Wuth auf dem Boden umher, nachdem sie zu-
vor vorsichtig ihre Oberkleider abgelegt hatte, um diese nicht zu be-
schädigen.

„Um Gotteswillen!" rief Fritz, der befürchtete, der Lärm möchte einen
Zusammenlauf sämmtlicher Hausbewohner verursachen, „Anna, verzeihe,
ich will Alles thun, was du verlangst."

„Das will ich meinen," rief sie, „für mein Geld kann ich auch etwas
verlangen."

Die Hochzeitsreise dauerte drei Wochen und Fritz hatte die Pflicht,
an jeder Hoteltafel mit seiner Frau Zärtlichkeiten austauschen zu müssen
und zu bemerken, wie er von allen Gästen regelmäßig ausgelacht wurde.
Häufig schlugen auch Worte wie: „Alte Gans!" oder: „Dummer Junge!"
an sein Ohr. Aber er hoffte, es werde sich tioch Alles zum Bessern
wenden; die Großnmtter hatte es ja auch gesagt.

Als man von der Hochzeitsreise nach Hause kam, wurde man von
einem seltsamen weiblichen Wesen empfangen. Man wußte nicht, sollte
man es Frau oder Mädchen nennen; das Wesen war fünfzig Jahr alt
und hieß Trine. Fritz hatte noch nie ein so schmutziges und häßliches
Frauenzimmer gesehen; da war seine Frau noch ein Engel dagegen.

Trine schien den jungen Ehemann kaum zu bemerken. Dagegen
machte sie vor Anna die verschiedensten Kratzfüße und frug unterwürfig:
„Was befehlen die gnädige Frau?"

Fritz war empört. „Wer ist diese alte Megäre?" frug er Anna,
sobald sie Mein waren.

„Alte Megäre!" sagte Anna, die das Wort „alt" nicht hören konnte;
„ich bitte sehr, das ist meine Köchin, eine sehr treue und zuverlässige
Person."

Jetzt schwoll aber Fritzen der Kannu: „Was, eine solch widerwärtige
Person soll unsrer Küche vorstehen? Ich werde sie heute noch hinaus-
werfen!"

„So!!!"

„Jawohl!"

„Jaja," sagte Anna höhnisch, die Arme in die Hüften stemmend,
„das wußte ich wohl. Ich hätte ein hübsches junges Dienstmädchen, so
etwa von achtzehn bis zwanzig Jahren, engagiren sollen, damit du dich
 
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