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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 2.1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.9079#0065
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Dev We

Anläßlich der Kaiserzusammenkunft in Kremsier wurde von
Wiener Blättern behauptet, Rußland sei der Bringer und Beschützer
des Weltfriedens. Diese Sache schien uns Anfangs etwas zweifel-
haft und wir haben deshalb unseren weltberühmten Berichterstatter,
den Dr. Horribiliskribifax, nach Centralasien zu dem
russischen General Komaroff gesandt, welcher den Weltfrieden
bewacht und aufrecht erhält. Bekanntlich hat dieser tapfere Degen
erst türzlich ein paar hundert Afghanen niedergemacht, die frevel-
hafter Weise den Weltfrieden störten.

Unser Berichterstatter, dessen Beliebtheit bei allen militärischen
und politischen Größen unserer Zeit eine außerordentliche ist, wurde
von dem General Komaroff, Exzellenz, sehr gut ausgenommen. Er
fand den General in seinem Zelte von Filz, welcher Stoff unserem
Berichterstatter vorkam, als sei er von vielen kleinen Geschöpfen
belebt. Der General lag auf seinem Ruhebett und kratzte sich zu-
weilen heftig den Kopf; manchmal schien es, als wolle er
einzelne Haare seines stattlichen Bartes ausraufen oder sie zer-
drücken. Auf dem Tisch inmitten des Zeltes stand ein großes
Berliner Weißbierglas, in dem sich ein helles Getränk befand; es
war Nordhäuser. Der General lud mit einer freundlichen Ge-
berde unfern Berichterstatter zum Sitzen ein und es entspann sich
folgendes interessante Gespräch, das wir, mit Genehmigung Sr.
Exellenz und seiner hohen politischen und diplomatischen Wichtigkeit
wegen, dem Wortlaut nach mittheilen wollen:

Komaross: „Ah, Sie sind der Vertreter des „wahren Jakob"!
Ich lese das Blatt mit Vergnügen; es könnte aber etwas mehr
für die Interessen des heiligen Rußland thun."

Horribiliskribifax: „Wir werden uns bemühen, den Ideen
Ew. Exzellenz die weiteste Verbreitung zu geben."

Komaroff: „Da soll ich Ihnen also heute meine Ideen
entwickeln?"

Horribiliskribifax: „Zu dienen; die Ideen Ew. Exzellenz
über den Weltfrieden."

Komaroff: „Hm! Da müssen wir aber erst frühstücken,
wenn ich Ideen entwickeln soll. Sie thun doch auch mit?"

Horribiliskribifax: „Exzellenz sind sehr gütig."

Komaroff: „Nun, so trinken Sie!" (Er reicht ihm das
Weißbierglas mit dem Schnaps; unser Berichterstatter trinkt und
schüttelt sich unwillkürlich.)

Horribiliskribifax: „Hu! Hu!"

Komaroff (lachend): „Ja, die Leute aus dem verfaulten Westen
haben schwache Nerven. Wir Pioniere der Civilisation im Osten
sind aus besserem Stoff." (Er trinkt das Weißbierglas leer.)

Horribiliskribifax: „Wohl bekomm's Ew. Exzellenz und
dem heiligen Rußland!"

»2 - -

l'ffrteöe.

Komaroff: „Brav gesprochen! Sie essen doch auch etwas
mit! (Er zieht ein Talglicht aus der Tasche, bricht es entzwei
und reicht dem Doktor ein Stück.) Können Sie das vertragen,
Doktorchen?"

Horribiliskribifax: „Vielleicht, Exzellenz."

Komaroff: „Vielleicht! Diese verdorbenen Mägen im ver-
faulten Westen! Geben Sie's wieder her. (Er verzehrt im Nu
das ganze Talglicht.) So, nun können wir auch einmal uns mit
Ideen beschäftigen."

Horribiliskribifax: „Mit der Idee vom Weltfrieden."

Komaroff: „Ach so! Eigentlich hätte ich gern einmal die
Vorzüge des Nordhäuser Korn, des Berliner Gilka, des Harzer
Doppelkümmels und des Schwarzwälder Kirschwassers mit einander
kritisch verglichen. Aber da wir einmal am Weltfrieden sind,
können wir auch von diesem reden."

Horribiliskribifax: „Ew. Exzellenz würden mich glücklich
machen, wenn ich über den Weltfrieden etwas hören würde."

Komaroff: „Nun ja, Sie werden begreifen, daß ich über
den Weltfrieden meine eigenen Ideen habe."

Horribiliskribifax: „Ich begreife vollständig."

Komaroff: „Ich will Ihnen dieselben auch ohne Umschweife
mittheilen."

Horribiliskribifax: „Exzellenz würden mich wirklich sehr
verbinden."

Komaroff: „Nun, so hören Sie, die Sache ist sehr einfach.
Rußland bedeutet, wie Sie ja aus den Wiener und Petersburger
offiziellen Blättern erfahren haben, den Weltfrieden. Was die
nichtoffiziellen Blätter sagen, hat gar keinen Werth." (Ein Kosack
erscheint, der ein frisches Talglicht bringt und das Weißbierglas
mit Harzer Doppelkümmel füllt.)

Horribiliskribifax: „Sehr gut!"

Komaroff: „Ja, wenn Sie nur auch ordentlich mit mir
essen und trinken könnten! Aber fahren wir fort. Wenn Ruß-
land den Weltfrieden bedeutet, so ist der Weltfriede überall da,
wo Rußland herrscht. Und da wir von der lautersten Absicht be-
seelt sind, den Weltfrieden soviel als nur immer möglich auszu-
dehnen, so müssen wir möglichst viele Länder an uns nehmen."

Horribiliskribifax: „Ah, ich verstehe."

Komaroff: „Den Verleumdern, die behaupten, wir hätten
bei unseren Eroberungen uns Mühlsteine und glühendes Eisen an-
geeignet, darf man nicht glauben. Ich bin froh, wenn ich ein
Talglicht zu meinem Schnaps finde."

Horribiliskribifax: „Ich werde der Welt die Wahr-
heit über Ihre edlen Bestrebungen mittheilen."

Komaroff: „Ich danke Ihnen. Schicken Sie mir auch die

Die tapfere Köchin.

Eine so ziemlich wahre Geschichte. Von Kcrrrs Illlr».

„Da werden Weiber zu Hyänen
Und treiben mit Entsetzen Scherz!"

Unsere Erzählung hat die Eigenschaft, so ziemlich wahr zu sein, und
das ist schon etwas werth. Vielleicht gefällt sie dem Leser eben deshalb;
die geehrten Leserinnen aber mögen daraus ersehen, daß es im schwachen
Geschlecht immer noch Heldinnen gibt und daß der Küchendragoner (egues
culinae) eine ganz gefährliche Waffengattung ist.

Es war im Jahre 1866 und der Würgengel des Kriegs flog durch
Deutschlands Gauen. Der Ort, wo unsere Geschichte spielt, bekam von
feindlichen Heeren zwar nichts zu sehen, und man Hörle weder den Donner
der Geschütze, noch das Geknatter der Gewehre. Dennoch wurde der
kleine Ort von den Wirkungen des Kriegs heimgesucht. Daran war seine
eigenthümliche Lage schuld, denn der Ort war eine sogenannte Enclave
und gehörte Preußen. Aber er lag weit ab vom großen preußischen
Staatsgebiet und war rings von bayrischem und württembergischem Ge-
biet umschlossen. Ein preußischer Amtmann regierte als Statthalter das
kleine Fleckchen Preußen.

Null befand sich am Ort ein heißblütiger junger Mann Namens
Bock, der ein sehr erbitterter Gegner der Preußen war. Man hatte ihn
zwar aufgefordet, als Freiwilliger mit gegen die Preußen zu ziehen,
allein er zog es vor, jeden Abend seine Schlachten hinter dem Schoppen
zu schlagen. Das war auch weniger ungemüthlich, als bei Kissingen oder
bei Langensalza. Aber wenn der junge Bock auch im Allgemeinen der
Anschauung huldigte: ,,Weit davon ist gut vor'm Schuß!" so war er
doch ein wellig ehrgeizig. Und so faßte er den Entschluß, sich in der
Geschichte des Jahres 1866 einen Platz zu erwerben, ohne in's Feld zu
ziehen. Dies gelang, nur wurde unser Held auf eine andere Weise be-
rühmt, als er sich träumte.

Er entwarf nämlich den kühnen Plan, Bachberg — so nennen wir

!

seine zu Preußen gehörige Vaterstadt — den Preußen durch einen kühnen
Handstreich zu entreißen. Mit einer Anzahl von Bürgern wurde im
Wirthshause die furchtbare Verschwörung gebildet, welche die erhabene
Mission haben sollte, Bachberg den Klauen des preußischen Adlers zu
entwinden. Man setzte die Ausführung auch gleich auf den folgenden
Abend fest.

Der Plan war, in Masse vor das Amthaus zu rücken und es zu
besetzen, im nöthigen Falle, wenn Widerstand geleistet würde, es mit
Sturm zu nehmen. Dann wollte man sich der Person und der Papiere
des Amtmanns bemächtigen und feierlich proklamiren, daß Bachberg nicht
mehr zum Königreich Preußen, sondern zum Königreich Bayern gehöre.

Indessen wurde der Plan gleich am nächsten Morgen theilweise
durchkreuzt. Der Amtmann hatte von dem beabsichtigten Handstreich
Wind bekommen und hatte seine Papiere gerettet; er war fort. Seine
Familie war schon früher verreist, und so blieb im Hause Niemand zu-
rück , als die Köchin, die Nannerl. Diese im Augenblick sehr wichtige
Persönlichkeit war keine Preußin, sondern eine derbe Bayerin. Ihre
Figur war groß, breit und derb und sie hatte eine rauhe Stimme, so-
wie einen bedeutenden Anflug von Schnurrbart auf der Oberlippe. Nau-
nerl war gar nicht häßlich, aber sie hatte bisher anscheinend noch kein
zartes Verhältniß gehabt. Die jungen Leute hegten Bedenken, ihr den Hof
zu machen, seitdeni es bekannt geworden war, wie sie den jungen Bock,
den Helden unserer Verschwörung, behandelt hatte. Dieser hatte sie, als
er einmal Abends am Brunnen vorbei ging, so in der Dämmerung,
um die Taille fassen wollen, dafür aber von ihr eine Ohrfeige erhalten,
die seinen Schädel acht Tage lang brummen machte. Nannerl hatte aber
auch ein Paar von Händen, die Respekt einflößeu konnten.

Von Politik wollte sie nichts wissen und verstand auch nichts da-
von; sie war einfach ihrer Herrschaft ergeben. Den Krieg bedauerte sie
deshalb, weil dabei, wie sie sagte, so viele junge und hübsche Männer
in's Gras beißen müßten.

Das Wohl des preußischen Staats war also in Bachberg den Hän-
den einer bayrischen Köchin anvertraut, die noch dazu keine Politik trieb.
 
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