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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 4.1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.9080#0053
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343

Der gedutzte Sachse.

Die Reichstagsboten vom Wahlkartell
8u Gaste beim Kanzler jüngst waren;

Da war auch ein Füßchen „Bayrisch" znr Stell';
Wein giebt's nicht, den kann man ja sparen.

Und der Treuesten Einer aus Sachsenland
Stand gelehnt in der Fensternische,

Den Blick andächtig zum Kanzler gewandt,

Daß einen gnädigen Wink er erwische.

Man redete hin und man redete her
Von Steuern, die schon unter Dache,

Die Kartellbrüder tranken die Gläser leer,

Denn sie sind Männer vom Fache.

Da rief Se. Durchlaucht zum Nischenmann:
„Du, schau mal hinunter zum Hofe,

Und wenn der Kerl mit dem Bier kommt 'ran,
Sag', daß etwas schneller er loofe!"

Da durchzuckt den Mann ein freudiger Strahl,
Aus seiner Haltung, der strammen,

Klappt nationalliberal er mit einem Mal
Wie ein Taschenmesser zusammen.

Er flüstert: „Recht gerne, kaum bin ich werth
Die durchlauchtigsten Stiefeln zu putzen,

Wie fühl' ich beglückt mich und hoch geehrt,

Daß wir so einseitig uns dutzen!"

Da schüttelt der Kanzler vor Lachen sich baß:
„Ich dachte, daß Sie mein Sohn sei'n!

Na, Sie soll'n anstechen das frische Faß.

Für das „Du" soll das Ihr Lohn sein!"

Und alle Organe vom Wahlkartell
Verkünden jetzt laut mit Posaunen
Die traute Verbrüd'rung an höherer Stell',
Drob alle Philister erstaunen.

Und besonderer Jubel im Sachsenland,

Daß die Beiden „einseitig" sich dutzen:

Auch dem beschränktesten Unterthanenverstand
Leuchtet ein der Kartellwahlen Nutzen!

Milans Schicksal.

Nachdem die Königin Natalie von Serbien
nach der Krim abgereist war, um mit Rußland
gegen ihren Ehegatten zu konspiriren, hat sich
Milan in ein österreichisches Bad begeben,
um dort die Folgen seines ehelichen Konfliktes
auszubaden. _

Etwas vom Jenseits.

A. : Welche Leute kommen am sichersten in
den Himmel?

B. : Die Ehevermittler.

A. : Warum diese?

B. : Sie werden dort am nothweudigsten ge-
braucht, weil bekanntlich die Ehen im Himmel
geschlossen werden.

Beruhigend.

„Meine Darlegungen machten auf die Zuhörer-
schaft einen sehr beruhigenden Eindruck",
sagte Max Hirsch, als zahlreiche Zuhörer während
seiner Rede eingeschlafen waren.

Neue Parteien.

Nachdem die Skat-Philister und die Kegel-
Brüder bereits Kongresse halten und Verbände
für ganz Deutschland gründen, werden sie es sich
auch nicht nehmen lassen, nächstens in corpore
in die Wahlagitation einzutreten und eigene
Abgeordnete aus ihren Kreisen durchzubringen,
welche im Reichstage ihre Trümpfe ausspielen
und die Fragen der Zeit spielend lösen wür-
den. Diese neuen Parteien sind jedoch nicht un-
gefährlich, da die Skatspieler gern stechen und
die Kegler es auf den Umsturz abgesehen haben.

Der Jntrignant.

Kritiker: Das Liebhaberfach liegt Ihnen
allzu ungünstig; Sie sollten Jntriguant werden,
denn Tücke und Falschheit würden Sie vor-
züglich zum Ausdruck bringen.

Schauspieler: Woraus schließen Sie das?

Kritiker: Nun, Sie haben so ein falsches
Pathos.

Schicksalsfrage.

Es ging betrübt ein Rhinozeros

Durch der Dschungeln Dickicht und Ranken.

Aus seinem Äug' eine Thräne floß,

Es trug sich mit Selbstmordgedanken.

Es klagte seufzend im Abendwind:

„Hier trag' ich der Armuth Bürden,

Jndeß meiner Brüder manche sind
Schon eingesessen in Würden.

Warum ward mir noch kein Amt zu Theil
Und noch nicht der kleinste Orden?

Warum bin ich, zu des Staates Heil,

Noch kein Bürgermeister geworden?"

Doch leider verhallet sein Klageton;

Kaum hört ihn ein Stammesgenosse.

Es blühen das Glück und die Protektion
Nicht jedem Rhinozerosse.

Saisongem'äß.

Onkel: Ich werde meinem ungerathenen Neffen
einen eisigen Empfang bereiten.

Tante: Das wird ihm bei der gegenwärtigen
heißen Temperatur sehr angenehm sein.

Der verkannte Merkur.

Lehrer: Welche Stellung nahm Merkur in
der Gemeinschaft der Götter ein?

Schüler: Merkur war der G o t t d e r S ch w a-
ben, denn man sagt auch: der schwäbische
Merkur.

Verbindungshut", ..Sozialreformhut", „Antikornzollhut",
„Kunstbutterhut". „Znckerstcuerhut lFa<ron Dalldorf)" rc.

X in Frankfurt a. M. Daß in Frankfurt a. M. unter
den dortiacn Friseur- und Pcrrückenmacher-Gehilfen eine
aehcimc sozialistische Verbtnduna entdeckt worden sein soll
welche angeblich einen Revtilienfonds zur Unterstützung so-
zialistischer Bestrebungen sammelte, ist auch uns zu Ohren
gekommen, nicht aber, daß bei den vorgenominenen Haus-
suchungen die Marseillaise der Perrückenmacher-Jnriung zu
Tage gefördert worden ist mit dem schrecklichen Refrain:
„Die Frösch', die Frösch', die sein ä lustig Chor,

Die braucht man nit zu kämme, die hab'n ja gar kei Hoor!“
Diese Zeilen haben in höheren Kreisen als besonders staats-
gefährlich großes Aergerniß erregt und wird eifrig auf den
Verfasser dieser schändlichen Verse gefahndet.

Ein Hamburger. Sie fragen an. ob „Adje" so viel
bedeutet wie „Ad6", „Adschüs" oder „Adieu", und ob „Adje
Bumm" vielleicht soviel heißen soll, wie „Adieu, lieber Bumm!"
Sie befinden sich im Jrrthum. „Adje", richtiger „Aadje",
ist der Kosenamen von „Adolf". Also „Adje" ist der Vor-
und „Bumm" der Familien-Name. Beides zusammen der
Titel einer Hamburger Lokal-Posse. Daß ein Hamburgi-
scher ReichstagSabgcordnctcr von seinen Angestellten „Aadje
Dumm" genannt wird, ist jedenfalls ein Jrrthum. Auch
daß man ihn allgemein den „Bananen - Th rannen"
oder ,,King Bell" nennt, beruht, wie wir aus sicherer Quelle
wissen, auf Erfindung.

E. H. (2B R.l. Berlin. Die Geschichte vom „Staats-
rettcr Pastor Braun in Goldentraum" ist bekannt und so
oft in Deutschland passirt, daß ein besonderes Eingehen
darauf in einem längeren Gedicht als verspätet und demnach
überflüssig erscheint.

K. in Chemnitz. Dankend abgelehnt. Es ist auf dem
„Kaßberg" gar nicht so gemüthlich!

Soeben ist erschienen und durch alle Kolporteure
beziehen:

Der illustrirte

zu

Meue Wett - Kcrkenöer

für das Schaltjahr 1888.

Goldene Bodenregeln des Handwerks.

Dem Stift oder Lehrjungen.

Wer nur den lieben Gott läßt walten
Und steht sich mit der Meist'rin gut,

Der ist das beste Kind beim „Alten"

Und wenn er noch so wenig thut.

Dem Gehilfen oder Gesellen.

Durch Fleiß brauchst Du nicht g'rad' zu glänzen,
Auch brauchst Du nicht sehr viel zu leru'n.

Leg' tüchtig nur Dich auf's Fuchsschwänzen,
Dann kannst Du auch bald Meister wer'».

Dem Meister oder Krauter.

Und bist Du Meister dann geworden,

Dann quetsch' nur die Gesellenbrut;

Doch siehst von ferne Du 'nen Orden,

Zieh' bis zur Erde Deinen Hut;

Laß treten Dich, wenn sie nur zahlen;

Vor Allem muthig geh' voran
Als Reaktionsmann bei den Wahlen,

Dann bist Du ein gemachter Mann!

Aus Altona.

Die schwarzen Prinzen aus „Bellstown", *)
Sie wurden nicht lange gebeten,

Sondern schlankweg per Ordre de Mufti
Den Zwangskassen beigetreten;

Doch die freien Kassen können
Gern diesen Verlust verschmerzen,

Sucht man sie doch so schon von oben
Genugsam stets anzuschwärzen!

*) Sind auf Verlangen King VellS in Kamerun bei
einem Altonaer Zunftmeister in die Lehre gegeben, um die
edle Zimmcrkunst zu erlernen.

Wriefkusten.

I. C. in Berlin. Sie schreiben: „Das in allen Ar-
beiter-Zeitungen befindliche Inserat des Herrn Aug. Heine
in Halberstadt enthält soviel Laune und Humor, so daß ich
es mir nicht versagen kann, den „Wahren Jakob" darauf
aufmerksam zu machen. Ich habe die Blnmeniese in Vers-
letn gebracht und hoffe, daß Sic dem unschuldigen Witz den
Passirschcin nicht verweigern werden. Herr Heine empfiehlt
unter verschiedenen Hutfayons:

t) Den.elastischen' ,Grillenbergcr',

Heine, es wird immer ärger!

2) .Vierecks ,steif in braun und schwarz',

Freue dich, du treues Herz!

3) ,Bebel', ,weich in allen Farben',

Deutschlands Wunden jetzt vernarben!

4) .Liebknecht', ,schwarz', ei sieh, potz Blitz,

Das ist noch der beste Witz!"

Hiermit haben wir Ihren Wunsch unter Htnweglassung
der Bum-Bum-Strophe erfüllt. Im Uebrigcn wünschen
wir dem Herrn Heine besten Absatz für seine „steifen",
„elastischen" und „weichen" Filzwaaren, die angeblich schon
„seit Menschengedenken" getragen worden sind. Nur möchten
auch >vir andere Fayonnameu Vorschlägen. Z. B. „Geheimer

JnhaltS-Verzeichniß:

Kalendarium. j GrößcnverhSltntsse. Tiefen

Gemeinnütziges. ! und Höhen auf der Erde.

Post- und Tclcgraphen-Nach- i Von O. Köhler.

richten. Eine Blitzphotographie.

Zinsberechnung, Zcituntcr- Im Vorbeigeh'n.

schiede, Statistisches. Else Belse Novellette von

Messen und Märkte. Minna Kautsky.

Das Jahr — ein L-ben. Die Ursachen der Farben-
Blanka. lStudienkopf.) Pracht. Bon Professor A.

Unser Flüchtling. Erzäh- Dodcl-Port.

lung von Rob. Schwcichel. Bon Stufe zu Stufe. Bon
Morgeiwoth. Gedicht. | W. BloL.

Die Schlacht von Sempach. Fliegende Blätter.

Physiognomische Studien. Rebus, Räthsel.

Hiezu als Gratisbeilage: l Oeldruckbild „Am Meeres-
strande" und 1 Wandkalender.

Preis 50 Pf.

Bon der Internationalen Bibliothek liegt nunmehr
komplet vor:

Die Dcrrroin'scHe MHeorie. Bon Or. Edward
Aveling Broschirt Mk. 1.50. Geb. Mk. 2.—.

Kcrrk ^Tarx’ GekorrornifcHe LeHrerr.

Gemeinverständlich dargestellt und erläutert von Karl
Kautsky. Broschirt Mk. 1 50. Geb. Mk. 2.—.

WektscHöpfung urtö Weltuntergang.

Die Entwicklung von Himmel und Erde vom Standpunkte
der Naturwissenschaft aus dargcstellt von Oswald Köhler.
Broschirt Mk. 2.-. Geb. Mk. 2.50.

Demnächst gelangt zur Ausgabe:

Die kündkicHe Arbeiterfrage. Nach dem

Russischen. Complet in 2 starken Heften fl 50 Pf. Ge-
bunden Mk. 1.50.

Bei dem allgemeinen Interesse, welches die Nothlage der
Landwirthschaft, sowie die Lebensmittelkonkurrcnz Her-
vorrufen, dürfte diese Schrift den Lesern der „Inter-
nationalen Bibliothek" willkommen sein, da sie die Grnnd-
und Bodenfrage und die landwirthschaftliche Produktions-
weise unter den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen
von einer noch wenig beleuchteten Seite zeigt.

Abomas Morus unö feine Wtopie.

Mit einer historischen Einleitung von Karl Kautsky.
Complet in 3 Heften fl 50 Pf. Gebunden Mk. 2.—.

Der erste Abschnitt enthält: das Zeitalter des Huma-
nismus und der Reformation; der zweite Abschnitt
giebt einen Abriß der Wirksamkeit dieses merkwürdigen
Mannes als Schriftsteller und Politiker. Diele biogra-
phische Studie, die das Verständniß des Morus'schen So-
zialismus anbahnt, dürfte umsomehr von allgemeinem
Interesse sein, da Morus in Deutschland so gut >vie un-
bekannt ist. Der dritte Abschnitt bringt eine Darstellung
der „Utopia", jenes Werkes, mit dem der utopische So-
zialismus anhebt und nach dem er benannt worden.

KHcrrles Iourüeu, fein Leben u. feine Theorien.
Von August Bebel.

Dus moöeune Gleuö unö öie nroöerne
Hlebeuvölberung. Zur Erkenntniß unserer so-
zialen Entwicklung. Bon Max Schippel.

lieber theils fertige, Iheils in Vorbereitung begriffene
Arbeiten wird s. Z. Mittheilung erfolgen.

Einer regen Bethetligung am Abonnement entgegen-
sehcnd, zeichnet hochachtungsvoll

I. H. W. Dich' Verlag in Stuttgart.
 
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