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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 4.1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.9080#0070
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Nr. 46

Erscheint monatlich einmal. Preis pro Nummer lO Pfennig

1887.

MWes IjiuiuTnttifrtj-ratirtrrtjEs ponatsülatt

Blitzdrahtmeldungen.

Berlin. Dic5Leipzigerstraße. in welcher sich das Rcichstagsge-
bäude befindet, wird im bevorstehenden Winter für den öffentlichen
Verkehr gesperrt werden. Man befürchtet, daß andernfalls die um-
fangreichen Agrar-Zölle nicht durckkoinmen könnten.

Dresden. Ein hiefiger höflicher Rath hat die Uebungen in der
Kunst der Rede wieder arifgenommen. Von Schlesien ist bereits eine
Partie Blech Nr. 1 und 2 eingetroffcn, womit er den Befähigsnach-
weis ablcgen will.

München. Gutem Vernehmen nach wird die deutsche Arbeiter-
schutzgesepgebungsmaschine auf unserer nächstjährigen Knnstgewcrbe-
ausstellung als besondere Rarität gegen Entr6e gezeigt werden.

Hamburg. Die Hunde dürfen ivicder ohne Maulkorb hcrum-
laufen. Die alte Hansasreiheit ist gerettet.

Paris. Nach zuverlässiger Quelle haben die miserablen Deutschen
durch spitzbübifche Frauenzimmer unsere braven Generale verführen lassen,
um sie im Heer zu diskreditiren. Wir haben die Intrigue durchschaut
und hallen Caffarel und Genossen für die ehrlichsten Leute von der Welt.

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Sie lind wieder dn!

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Wm nicht cs schneidend scharf und kühl
Durch Nebelbrau'n herab von Norden;
Am Strand das modische Gewühl
Ist dünner jeden Tag geworden;

Im Dünensand hat ausflanirt
Der Schwarm der grostkarrirten Narren,
Nnd in dem Schuppen einguartirt
Man stillvergnügt den Dadekarren.

Nun wird an hohlem Zeitvertreib
Man in der Großstadt wieder naschen —
Man hat stch eben nur den Leib,

Man hat die Seele nicht gewaschen.
Man wollte ja an Sund nnd Haff
Nicht mit dem Cw'gen stch vermählen,
Die Nerven nur, die müd' und schlaff,
Zu kräftigem Geniesten stählen.

Sie haben an des Meeres Strand
Sich nicht gebeugt vor Nrgewalten,

Sie haben stch mit eitlem Tand,

Wie an der Spree, hübsch unterhalten;
Dem ganzen schwatzenden Gemisch
Non Haken- und Germanennasen —
Hat ihm ein Seewind herb und frisch
Der Seele trüben Dunst zerblasen?

Hat ste der Sachfluth Athemzug
Erfüllt mit männlichen Gedanken,

Hat er ersetzt durch kühnen Flug
Die Niedrigkeit, an der ste kranken?
Hat er, wie Hauch der neuen Zeit,
Erneuert ste im tiefsten Leben,

Der Seele Nampfesfreudigkeit,

Dem Rückgrat wieder Halt gegeben?

Nnd hat, wenn hoch nnd höher stieg
Die Flut mit hohlem, dumpfem Drausen,
Des ffnstern Elementes Sieg
Geweckt ein ahnungsvolles Grausen?
Nnd mahnte doch ste an den Feind,
Den halb erst anfgestandnen Niesen,
Hiest es frivol nicht: ,Mv6r mind!
Nach uns die Sintfluth! Wir geniesten'."?

Was haben ste am Meer geträumt
l Im Morgenlicht, in Abendhelle,

Wenn ihre Sohle leicht beschäumt
Die am Gestad gebrochne Welle?

Wie man es ans den Fugen bringt,
Des Nolkes Recht mit goldnen Hebeln,
Wie es am Sichersten gelingt
Die Presse elegant ;u knebeln!

Wie man zurückerobern kann

Die Freiheit, die man selbst verscherzte —

Wo war der wunderliche Mann,

Der schrullenhafte, doch beherzte,

Der, wenn der Möoe Schrei geklagt,
Die Sonne sank in goldneu Gluthen,
Sich ernst und sinnend das gefragt
Nnd stch gelobt, für ste zu bluten?

Was haben ste am Meer gedacht,

Am stuth- und schaumgenetztcn Mole?
Wie man sein Dett stch weicher macht
Durch Zölle und durch Monopole,

Wie man das Wahlrecht langsam kürzt,
Dis es zuletzt im Herrn entschlafen,

Wie man die Strafgesetze würzt
Durch „zeitgemäße" Paragraphen!

Die Freiheit höhnt setzt jeder Zwerg
Nnd untreu wird ihr selbst der Darde;
Der Gentleman von Heidelberg
Nnd Windthorsts rüst'ge schwarze Garde,
Wie mancher Standpunkt' ste auch trennt,
Höchst einig stnd ste über diesen
Die Freiheit, die kein Obdach kennt,
Sieht zu den Zöllnern stch verwiesen.

Mit ihnen aber — glaubt es nur —
Wird ste die Frühlings-Dirkhahnbachen
Nnd selbst die Herbftes-Seebadkur
Euch ungemüthlich einst — versachen!

So war es einst, so ist es jetzt —

Sie findet Liebe und Erbarmen,

Sie findet Schirm, verfehmt, gehetzt,
Nur bei den Zöllnern und den Armen.
 
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