Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
931

uff den ollen Fleck, na, un bet Eenzige, wat De von Veränderung spieren
kannst, det is, det se nu in manche patriotische Kneipen de Bismarckhäringe
jetzt Caprivihäringe nennen. Een Unterschied is et zwar immer, aber er is
doch nich so jroß, det Eener von uns Beede darieber stolpern kennte.

Et muß doch wat Schrecklichet find, mit so'n jroßen Politiker. Wie
De weeßt, verstehe ick ja ooch eenen ziemlichen Happen von de hohe Politik,
aber jrade heile bei'n Jahresschluß da merke ick doch, det eijentlich een ziem-
licher Unterschied zwischen manchen Politiker is. Denkste vielleicht, ick habe
mir durch meine politische Loosbahn ooch blos den kleensten Sachsenwald
zujelegt? Denkste, det ick eene eenzije kleene Papiermille mein eijen nenne?
Un wat ick an Ritterjieter un Ahnenschlösser un Dotationen un Jeburtstags-
jescheake von det deitsche Volk besitze, det kann ick Alles jut un ferne in een
eenzijet Schnuppduch zusammenpacken. Na, un von meine Werthpapiere
will ick man erst jarnich reden, sonst liebst Du mir vielleicht den juten Rath,
det ick mir 'ne Radaumitze von'n Stralauer Fischzug zulejen soll, wo mit
jroße Buchstaben druff steht: „Ick reicher Hund!" Ick finde es, offen je-
standen, verflucht dämlich, det meine Politik nich sonnen Anklang find't, denn
sonst wollte ick die Telejraphen-Verwaltung mal sehen, die aus meine Wälder
nich de Telejraphenstangen bezieht, un die Beheerde sollte et nich jut haben,
die uff änderet Papier schreibt, als uff solchet, wat uff meine Papiermillen
jemacht is.

Nu een ander Bild. Det Sozialistenjesetz sind wir ooch los, un de
Leite reden jetzt jrade noch so bitte davon wie von seinen Beschitzer, den
scheenen Puttkamer. Ick habe trotz meine ausjedehnte Bekanntschaft aber
noch keenen Menschen jesunden, der hier bei uns mit 'ne Dienamietpatrone
in de Rocktaschen rumlooft, oder der den Staat uff 'ne jrausam jewaltige
Art mit eenmal Plötzlich umstirzen will. Heile mechten ja nu de Spießbirjer
et nich wahr haben det se so um den ersten Oktober rum nich wußten, wo

se hin sollten vor Angst, aber ick habe mir damals schon in'n Stillen je-

freit, woraus De mal wieder sehen kannst, lieber Jakob, wat ick doch in'n
Jrunde genommen vor een weitkiekender Politiker bin.

Aber ieber Eens frei ick mir doch. Un det is, det ick mir keen Majo-
rat zu jrinden brauche. Lieber Jakob, denke doch mal blos, wo ick bei die

schlechten Zeiten det bitte Jeld vor die Stempelsteiern herkriejen sollte!

Seehste, Jakob, die Stempelsteierjeschichte von den preiß'schen Minister
is ooch noch eene Errungenschaft, die wir det letzte Jahr zu verdanken
haben. Ick will heite bei'n Jahresschluß nich mehr bitte Worte ieber die
Jeschichte verlieren, blos soville will ick Dir sagen, det bei mir der Steier-
erheber noch nie vorbeijejangen is.

Nu, Jakob, wollen wir det olle Jahr wirdig beschließen un det neie
richtig anfangen. Ick sage Dir weiter nischt, lieber Jakob, wie: „Wir
wollen bleiben, wat wir sind." Un nu een „verjniegtet neiet Jahr vor Dir
un alle Fremde", womit ick verbleibe erjebenst un mit bitte Jrieße

Dein treier

Jotthilf Naucke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

•;=$•• HobelsMhnr.

Zum neuen Jahre quält man sich gegenseitig
mit allerlei Glück- und Segenswünschen, und man
weiß doch, daß die neuen Jahre immer wieder blos
das Alte bringen, was man schon den alten Jahren
auf ihre Sündenregister gesetzt hatte. Die einzige
erfreuliche Zeiterscheinung, welche ich für das
neue Jahr mit Bestunmtheit Voraussagen kann, ist
das.Erscheinen des „Wahren Jacob", der
immer auf's Neue für heiteres Wetter in den Leser-
kreisen sorgen wird.

*

Der Trost für Minister, deren Tage bereits

gezählt sind, ist der Umstand, daß die Tage jetzt

wenigstens länger werden.

* *

*

Die Zeit vergeht mit Allgewalt,

Schon wieder ist ein Jahr entfloh'n.

Und bin ich siebzig Jahr erst alt,

Bekomm' ich eine Staatspension.

Der Fall Lucius bewerft wieder, wie das Bismarck'sche Regime darauf
bedacht war, hilfsbedürftige Unterthanen zu unterstützen Es sorgte sogar
dafür, daß nicht durch die regelrechte Besteuerung das Fideikommisbrot
des armen Millionärs vertheuert wurde.

*

Eugen Richter wüthet gegen die Altersversicherung. Er scheint
doch zu merken, daß seine Partei nicht zu denen gehört, die Aussicht haben,
noch recht alt zu werden.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.


Herrliche Bitte.

O deutsches Volk, schließ aus dein Herz
Und höre auf der Armen Schmerz!

Herum laß gehn den Bettelhut,

Das thut den armen Leuten gut! -

Wer einen Pfennig geben kann,
Versäum' es nicht, der brave Mann.

Es sind in Nöthen — wohlverstanden!
Die armen Zuckerfabrikanten!

Bauer, wach' auf!

früh hinaus aufs Aehrenseld
Rüstig ging der Michel,

In dem Mund die Tabakspfeis',
In der Hand die Sichel.

Einen Wandersmann er traf
Bei der Kirchhosmauer;

Beide gingen nun selband,
Handwerksbursch und Bauer.

Flink des fremden Burschen Zuug'
Spann der Rede Faden,

Sprach von mancherlei, auch von
Sozialdemokraten.

Doch bei dem Wort überlief
Micheln kalter Schauer,

Murmelnd einen frommen Spruch
Schlug ein Kreuz der Bauer.

Lachend rief der Wanderbursch:

„Ei, was hast du, Lieber,

Daß dich Plötzlich überfiel
So ein Hasenfieber?

Sahst am Weg wohl eine Schlang'
Liegend aus der Lauer?

Oder den Teufel in Person?

Sag' es mir doch, Bauer!" —

„Die Sozialen »vollen ja
Feld und Geld uns rauben,
Weib und Kind, Familienglück
Und den Christenglauben.

So hat der Kaplan gesagt
Und der dicke Brauer,

Auch im Sonntagsblättlcin stands."
Also sprach der Bauer. —

Sprach der Fremde: „Unverschämt
Hat der Psaff gelogen
Und der Brauer sammt dem Blatt
Haben frech betrogen.

Was der Sozialist im Schild
Führt, weiß ich genauer;

Bin ja selber Sozialist.

Hör' mich ruhig, Bauer.

Große Noth bedrückt das Volk,

Elend ungeheuer.

Arbeitslöhne sind gering,

Lebensmittel theuer.

So im kleinen Handwerk auch
Wird es immer flauer.

Kaum auch über Wasser hält
Sich der kleine Bauer.

Immer ärmer wird das Volk,

Doch wie Sand am Meere
Häufen Reiche Schätze auf,

Werden Millionäre.

Das erfüllt gerechten Sinn
Mit Empörung, Trauer.

Nur Gerechtigkeit es ist,

Was wir wollen, Bauer!

Redlich schasst der Sozialist,

Lebt von seinem Schweiße;

Doch es raubt das Kapital
Seine Frucht dem Fleiße;

Schöpft sich ab den süßen Rahm
Von der Arbeit sauer,

Erntet mühlos was gesät
Arbeitsmann und Bauer.

Heilig uns Sozialen ist
Das Familienleben.

Väter, Mütter wollen wir
Kindern wieder geben.

Denn durch Hungerlöhne wie
Lange Arbeitsdauer
Wurde das Familienglück
Schwer zerrüttet, Bauer.

Keines Glauben stören wir,

Ob zur Gottesmutter
Er null wenden sein Gemüth,

Ob zu Martin Luther.

Ob dein Rock von schwarzer Färb'

Oder grauer, blauer,

Gilt uns gleich, und ebenso
Was du glaubst, o Bauer.

Bauern, wachet auf! Ihr habt
Lang genug geschlafen.

Laßt euch länger scheeren nicht
Gleich den dummen Schafen.

Reichet uns d'e Bruderhand,

Zeigt euch klüger, schlauer,

Als die Kutt', der Geldsack glaubt.

Auf, erwache, Bauer! j. st.
 
Annotationen