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verliert ooch jeden Anspruch daruff, in ernste landwirthschaftliche Anjelejen-
heiten ieberhaupt jeheert zu werden. In sonne Sachen kennen blos jeborene
Ritterjutsbesitzer mitsprechen, un wenn se zu die Ritterjieter ooch blos durch
de sojenannte nationale Dankbarkeit jekommen sind.

Seeste, Jacob, ick habe och meinen bescheidenen Ehrjeiz. Hab keene
Angst — Hoffpredijer will ick nich werden, Finanzminister ooch nich, een
Ritterjut wird mir woll ooch Keener so leichte mit de Packetfahrtjesellschaft
in't Haus schicken, aber, Jacob, meenste nich ooch, det ick schließlich mal een
Denkmal in Berlin verdiene? Warum soll ick denn nich? Sechste, de frei-
sinnijen Jrößen, die kriejen jetzt ooch so nach un nach ihre Denkmäler, un
se kieken von ihre marmornen und bronzenen Sockels so rin in't Menschen-
jewiehl, als wollten se sagen: „Blast mir mal den Stoob weg!" Un vor
de Friedrichsruher Rentiers da sammeln se immer noch feste weg — warum
soll ick denn nich ooch mal an de Reihe kommen? Lieber Jacob, wenn ick
nämlich een intellijentet Jestchte mache, denn sehe ick ooch jarnich so dämlich
aus, wie Du Dir vielleicht einbildst. Un det kann ick Dir sagen, Jacob,
det wäre der stolzeste Oojenblick von mein janzet Leben, wenn Du denn
mal nach Spreeathen kämst, un wir Beede jingen denn Arm in Arm nach
den Platz hin, wo ick stehe, un ick könnte Dir denn sagen: „Sechste, lieber
Jacob, det bin ick!"

Doch, wat nutzt det Reden, bis dahin wird woll noch mancher Droppen
de Spree langloofen, denn weeßte, außer Dir hat ieberhaupt noch keen
Mensch 'ne Ahnung von meinen Lieblingswunsch. Ick habe et noch nich
mal an meinen Stammtisch erzählt, indem ich firchte, so schmeißen mir raus
aus de Kneipe. Wenn ick blos wißte, wie ick den Plan in de Oeffentlich-
keit bringe. Seh null, vor die Leite, die et jarnich neethig haben, da finden
sich soville Schlauköppe, die Draht abladen, warum sollten sich vor mir armet
Luder nich ooch welche finden, die ooch een Paar Jroschen jeben?! Ick will
ja jarnich mal unter de Linden stehen, wo de Baustellen so schon so dheier sind,
ih Jott bewahre, wenn ick uff'n Lausitzer Platz sonne Ecke krieje, wo ick mir
jeden Morjen aus mein Fenster sehen kann, bin ick ja schon seelenszufrieden.

Ick jloobe, bescheidener wie ick bin, kann een Politiker so leichte ieber-
haupt nich sind; aber ärjern wirde et mir doch, wenn mein Plan janz un
jar in't Wasser fiele. Nu dhu mir den Jefallen un verrathe nicht von
meine jeheimen Winsche, mit welche Bitte ick verbleibe erjebenst un mit ville
Jrieße Dein treier Jotthilf Naucke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Crispi ex.

Crispi, Staatsmann maggiore,
Abgesägt ist con Furore.
Bismarck in miniatura
Folget seines Maestro Spura.

Grossmachtsdusli, Geld perdutti.
Noth und Elend sono Frutti.
Grob im Parlament furioso!
Diavolo ging drum los, o!

Crispi fällt dal Piedestallo
Fortgejagt mit uno Malo.
Grollt wie dunnemals il Nero!
La Italia freut sich sehro!

Hobrlfpähne.

Wir leben in der Fastenzeit;

Der Fromme geht zu Tische
Und speist anstatt des Coteletts
Mit Andacht Frucht und Fische.

Des Armen Fasten äußert sich
Jedoch in andrer Weise,

Ihm dient, wird seine Nahrung knapp,

Das Pferd als Fasten speise.

* *

*

An die Stelle der veralteten Partei Bismarck
8an8 phrase wird eine neue Partei Habsucht
8au8 phra36 treten.

rjr

*

Nicht lange, o Waldersee, trugst du die Last
Und des hohen Amtes Beschwerden.

Damit du hinfort nichts zu sagen hast,

Mußt Kommandeur du werden.

4- *

4

Uebec Kolonialpolitik wissen im Reichstage die Herren Oechelhäuser und
Mirbach am anschaulichsten zu sprechen. Wenn man ihre Reden liest,
ist es Einem zu Muthe, als ob man in einer endlosen afrikanischen
Wüste wandelte.

* *

*

Die Italiener haben jetzt so deutlich gemerkt, wo sie der Schuh drückt,
daß der heilige Crispinus, auch Crispi genannt, Fersengeld geben mußte.

* *

*

Ein Trunksuchtsgesetz! Deine Schoppen wird
Der Staatsanwalt künftig belauschen,

Und nur für die Kolonialpolitik
Darfst du dich auch ferner berauschen.

* *

Die wissenschaftlichen Kapazitäten vr. Eisenbart und 7)r. Schmierkäs
haben festgestellt, daß das Kochin absolut nichts taugt, weil sich nicht im
Entferntesten ein einträgliches Kurpfuschereigeschäft damit treiben läßt.

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

Ach, wie war dereinst so jugendmuthig
In die ferne Fremde er gezogen,

Nach dem falschen, flücht'gen Glücke jagend
Und wie kehrt er körperlich gebrochen,

Gram und elend wieder zu der Heimat!

Hat als Kohlentrimmer sich verheuert,

Doch er ist der Arbeit nicht gewachsen,

Die stets sein aufs Neue wieder harret
Tief in jenen gluthdurchhauchten Räumen;
Dennoch treibt man drohend und gefühllos
Immer wieder ihn mit rohen Püffen
Vorwärts, vorwärts in den Höllenrachen. —

Weiter zieht das Schiff die scharfe Furche,
Gleichsam schmiegend seinen schlanken Körper
An die lauen Wellen, die jetzt schmeichelnd,
Lustig hüpfend, plätschernd es umspülen.

Nieder sinkt die Nacht; am Horizonte
Tauchte schon die Sonnenscheibe goldig
In der Wogen unbegränzten Spiegel;

Aus des Tropenhimmels tiefem Blauen
Tauchet Stern auf Stern mit mildem Strahle,
Und des Südens Kreuz im Silberscheine
Leuchtet hoffnungspendend hell hernieder.

Einsam lehnt ein Mann dort an der Reeling,
Auch sein Auge schweift empor zum Himmel;
Doch ihm strahlt von oben keine Hoffnung.
Jener Trimmer ist es, jener kranke,

Einmal noch ist wieder er entronnen
Wie zerschlagen seiner Sklavenarbeit.

Einmal noch in durstig langen Zügen
Athmet er die Luft, die leise kühlend

Ihm die fieberheiße Stirn umfächelt.

Einmal noch! — Mit bangem Schaudern denkt er,
Daß nach kurzer Frist, die ihm gegeben,

Wiederum zum dumpfen Kohlenraume
Schmerzhaft er die Glieder würde schleppen.
Ekelhaft ist ihm die karge Kost schon,

Ekelhaft die dunsterfüllte Koje;

Kaum, daß ihnen in dem Schaff gemeinsam
Wasser wird gereicht, um zu befreien
Sich vom widerlichen Staub der Kohlen.

Ha! Nur einmal seinen wunden Körper
Wohlig in den weichen Wellen baden
Und vergessen alle, alle Leiden,

Die er täglich, stündlich nun erduldet!

Murmelnd aus des Meeres dunkler Tiefe
Jst's, als lock' es ihn mit leiser Stimme:

„Komm' zu mir, von allen deinen Qualen
Ruhst du aus in meinen weichen Armen,
Schlummerst du in meinem sanften Schooße!"
Ueber Bord neigt er sich jetzt voll Sehnsucht,
Einmal noch denkt er der fernen Heimat,

Einmal noch blickt er hinauf zum Himmel,

Dann ein Sprung und in die nasse Tiefe
Stürzt der Mann, getrieben von Verzweiflung.
Einmal noch taucht auf sein blasses Antlitz,

Dann vom Strudel weit hinweg getragen
Sinkt das arme Menschenkind hinunter
In die bodenlose Meerestiefe. —

Von der Wache tönt die Schreckenskunde:

„Ueber Bord ein Mann!" Ein hastig Rennen,
Ein Kommandoruf vom Deck des Schiffes,
Aechzend steuert rückwärts die Maschine.

Just beim Gläschen Grog in guter Laune,

Denn es freut ihn schnelle Fahrt zu machen,

Trifft den Kapitän die schlimme Botschaft.

Da eilt er aufs Deck in hellem Zorne:
„Vorwärts, full speed!“ tönt es durch das Sprachrohr.
Ei, das lohnte! Eines Trimmers wegen
Unnütz noch die Boote auszusetzen
Und die Zeit, die so unendlich kostbar,

Solchen Falles wegen zu vertrödeln!

In das Schisijournal nur wird getragen,

Daß „ein fieberkranker Kohlenzieher
Ist im Dunkeln über Bord gesprungen,

Der Versuch zur Rettung war vergebens."

Weiter folgt der Dampfer seinem Kurse,

Zornig bricht sein Bug die mächt'ge Meerfluth,
Mehr noch schürt man jetzt die Kesselfeurung
Einzuholen schleunigst die Versäumniß. —

Aber fern, gar fern in ihrem Stübchen
Weilet die Matrone traurig einsam,

Faltet fromm die altersmüden Hände,
Segenswünsche murmelnd ihrem Sohne
Der so lang schon sandte keine Botschaft.
Hoffnungsvoll trägt stets sie der Gedanke
Froh und glücklich wieder ihn zu schauen,

Den im Schooß sie hoffnungsvoll getragen.

Ach, es ahnet nicht die treue Mutter,

Daß ihr Sohn, der ferne Heißersehnte
Schläft im dunkeln, tiefen Schooß des Meeres!

Jakob Audorf.
 
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