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Die Maßlostakeit. -SK^-

ir leben in einer schlimmen Leit,

So rufen sie aller Orten,

DeF armen Mannes Begehrlichkeit
Ist maßlos Heuer geworden! —

Sie wollen zügeln mit aller Vtraft
Oer Massen unruhig Getümmel,

Oamit nicht die Baume der Arbeiterschaft
Noch wachsen hinauf in den Himmel.

Gar theuer daF Fleisch, gar theuer da^ Brot
Sind worden in diesen Lagen,

Oer Arine vermag die grasze Math
Schier nimmermehr zu ertragen.

Sieh dort sein Weib, von Drummer beschwert,
OeF Elends Lhranen, sie rinnen —

Oa hat er höheren Tohn begehrt
Und maßlos heiszt sein Beginnen.

Er rackert sich ab kiF zur spaten Macht,
Beginnt mit dem Hahnenschrei wieder,

Oie Aeberlast hat ihn siech gemacht.
Entkräftet vorzeitig die Glieder;

Oa will er die Kürzere Arbeitszeit,

Oasz einige Stunden ihm blieben —

Hier, schreit e^, sieht man die Maßlosigkeit,

Lu der die Faulheit getrieben.

Lu ihreS Fleißes Bekräftigung
In ihren Machen, den großen.

Begehrt gar dringend Beschäftigung
Die Masse der Arbeitslosen.

Oie Väter der Stadt berathen gar viel,

Ooch ihre Weisheit ist spärlich;

DieF Volk Kennt doch gar Kein Maß und Liel,
So sagen sie; da§ wird gefährlich.

Und immer gewaltiger drängt die Math,

EF Kommen einhergefahren

Oer Hunger, die West und der grimme Lad,

Lu lichten deF Volkes Schaarcn.

Ooch immer noch singt man in solcher Leit
Dem Arbeichmann in die Ohren
OaF alte Lied von der Maßlosigkeit,

Gedichtet von herzlosen Lhoren! w. b.

Berlin, Mitte März.

Lieber Jacob!

Weeßt De, Jacob, jetzt kann et uns jarnich mehr schlecht jehen. Wenn
wir jetzt wollen, sind wir alle Dage scheene raus mit Siebzig, un wir
brauchen dazu noch nich mal in de preiß'sche Lotterie zu spielen. Du schittelst
mit 'n Kopp wie 'n ollet Droschkenferd, wat nich weiter loofen will un denkst
so bei Dir: „Naucke hat immer de jreeßten Rosinen in'n Sack un nachher
liegt er mit seine Kenntnisse doch immer in't Essen." Aber diesmal bist De
nu doch schief jewickelt, det kann ick Dir sagen, da kannste Jift druff nehmen.

Det Neieste von hier is, det ick mir nächstens als Rekrut in de Heils-
armee melden werde. Ick bin zwar von Natur Reichskrippel un nich wirdig,
mir von de Russen oder Franzosen doot schießen zu lassen, wenn et neethig
is; aber vor de Heilsarmee da schwärme ick riesig, det is wat, wat uns schon
lange jefehlt hat, die war uns nothwendijer als wie de Leffel zu't Suppe-
essen. Reilich war der Jeneral, wat der Heechstkommandirende is, hier in
Berlin, na, un da war wat jefüllig. De Zeitungsschreiber wußten jarnich
jenug zu erzählen, wat det vor een forscher Kerl war, un det er eenen Rock
anhatte mit schwarze Schniere dran un een rothet Kreiz uff den eenen Aermel.

Booth heeßt er un Draht sollen de Heilssoldaten in England haben, det wir
uns mit unfern lumpijen Juliusthurm man bejraben lassen können. Seehste,
Jacob, da habe ick mir nu in meine Dämlichkeit jesagt: „Wat steht denn
nu eigentlich so'n Jeneral aus? Wat der kann, det werde ick woll ooch noch
fertig kriejen, det mißte wenigstens mit'n Deibel zujehen."

Ratierlich muß man zuerst als janz jeweehnlicher Heilskommiskopp
intreten. Aber wat schad't denn det. Schiller, den se doch mitten uff'n
Gensdarmenmarcht hinjestellt haben, der sagt doch an eene Stelle von seine
Villen Werke: „Wer et erst hat zum Jesreiten jebracht, der steht uff de Leiter
zu de heechste Macht." Na, Jacob, zu'n Jefreiten werde ick doch woll noch
nich zu dusselig sind, wie ick hoffe, denn ick kenne Eenen, mit den kannste
Wände inrennen, un der is ooch Jefreiter. Also an de Dämlichkeit alleene
kann et bei mir nich liefen, ick halte mir selbst vor schlau jenug, um eenen
Posten als Heilsjefreiter zu bekleiden. Na, un wie weit is et denn von'n
Jefreiten bis zu'n Unteroffizier? Det bisken jroße Schnauze, wat dazu
jeheert, det traue ick mir bei eenige Uebung noch ziemlich rasch zu lernen, —
aber man ruhig, meine jeheimen Winsche brauchen nich jleich an die jroße
Jlocke jehängt zu werden. Aber ick bin so'n Held, det ick mir det Alles

Wie man berühmt wird.

Eine zeitgemäße Historie von Hans Flux.

^ie Gebrüder Bummelmaier waren sehr lustige Studenten gewesen.
Sie hatten es im Saufen und Raufen ziemlich weit gebracht
und hatten das Vermögen ihrer braven Eltern so ziemlich aus-
gebraucht, aber im Examen waren sie durchgefallen. Sie waren
nun zu ihren Eltern heimgekehrt und mußten Trübsal blasen, denn der
Vater sagte, er habe kein Geld mehr, um es verjubiliren zu lassen, und
gab seinen hoffnungsvollen Söhnen den guten Rath, Advokatenschreiber oder
Polizeispitzel oder auch, wie dereinst der berühmte Studiosus Hieronymus
Jobs, Nachtwächter zu werden.

Das waren schlimme Tage; Mutter und Schwester weinten sich die
Augen roth und der Vater kam aus dem Zorn gar nicht mehr heraus.

Fritz und Hans — so hießen die beiden edlen Brüder — waren nahe
daran, allen Lebensmuth zu verlieren. Endlich aber sagte Fritz:

„Halt, ich hab's!"

„Was hast du?" sagte Hans trostlos.

„Sehr einfach," meinte Fritz. „Ich werde Afrikareisender."

„Afrikareisender?"

„Natürlich, ich helfe Afrika erforschen. Das ist ein Beruf, bei dem man
noch etwas verdienen kann, wenngleich die Konkurrenz auch da schon groß ist.

Gesagt, gethan! Der Vater gab brummend noch einmal ein Sümm-
chen her, Muttter und Schwester schossen ihre Sparpfennige dazu und Fritz
reiste nach Ostafrika ab, nachdem er mit seinem Bruder sehr lange und sehr
geheimnißvoll über die Sache verhandelt hatte. Von dieser Zeit an sah auch
Hans wieder zuversichtlicher in die Welt.

Man vernahm einige Zeit hindurch nichts von dem neuen Afrikaforscher.
Die Mutter und die Schwester weinten still um ihn; der Vater brummte
etwas von Taugenichts, wenn die Rede auf ihn kam.

Aber eines schönen Tages stand im Tageblatt zu lesen, der junge
Afrikareisende Fritz Bummelmaier, ein sehr unternehmender Mann, habe
mit einem Dutzend von Eingeborenen einen sehr kühnen Zug in das Innere
unternommen nach einer Gegend, wo man viel Elfenbein zu erbeuten oder
einzutauschen hoffe.

Das war ein Aufsehen in der Vaterstadt. Alles unterhielt sich von
dem kühnen Zuge des Fritz Bummelmaicr und das Tageblatt sagte, die
Stadt dürfe stolz sein, einen solchen Sohn zu haben. Fritz war mit einem
Male der interessanteste Mann des Tages geworden. Sein Bild ward groß
ausgestellt — zum Glück war es vorher noch ausgenommen worden — und
die jungen Damen bekränzten es. Man fand ihn mit einem Mal hübsch
und geistreich; jedenfalls hatte er eine große Zukunft.

Hans, den man kaum beachtete, lief stillvergnügt umher und beobachtete
genau, was sich zutrug.

Da kam eine Hiobspost, die das ganze Städtchen in die fürchterlichste
Aufregung brachte. Im Tageblatt war nämlich zu lesen, daß die Expedition
des jungen Bummelmaier von räuberischen Wilden überfallen worden sei,
als sie, mit Elfenbein schwer beladen, sich auf dem Rückweg nach der Küste
befand. Fritz hatte, wie der einzige Ueberlebende aussagte, eine Menge
werthvoller Messungen und Aufzeichnungen gemacht. Die Wilden hatten
den Ueberfall mitten im Urwald ausgesührt. Es kam zu einem förmlichen
Gefechte; Fritz und seine Gefährten schlugen sich wie Helden, aber gegen die
Uebermacht des Feindes war ihre Zahl zu gering. Als sie ihre Munition
verschossen hatten, fiel Einer nach dem Andern unter den Keulen, Speeren
und Pfeilen des Feindes. Fritz Bummelmaier ward niedergestreckt, nachdem
er ein Dutzend Feinde getödtet; sein Diener, der aus dem Gefechte allein
entkam, sah ihn, von drei Speeren durchbohrt, sterbend am Boden liegen.

Das war ein Rennen und Laufen in der Vaterstadt des Unglücklichen.
Das Vaterhaus der Gebrüder Bummelmaier konnte die Kondolenzbesucher
kaum aufnehmen. Der Vater nahm sie ernst und würdig entgegen; die
Mutter rief fortwährend: „Ach, sie werden meinen Jungen doch nicht ge-
fressen haben, die Kannibalen!"
 
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