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Weil aufstinLand, das ihm der Rrieg genommen,
Rechtlich Verzicht der alte, blinde Rönig
In starrem Welfentrotze nie gethan.

Behielt man sein Privatvermögen inne
Und heb es für ihn auf, bis mürb' geworden
Des alten Herrn und seines Lohnes Linn.

Da niemals Frieden er mit Preußen schloß
Und selbst mit seiner Welfenlegion
„Loldaten" spielte, wie er das gewohnt.
Beschloß man, an den Zinsen ihn zu strafen
Und sie nicht mehr zum Rapital zu legen.
Vielmehr zur Abwehr seiner bösen Bänke
Und Machenschaften diesen Zinsbetrag
Bach eigner Einsicht bestens zu verwenden.
Zunächst bestand im Land Hannover selbst
Die löbliche Verwaltungs-Uommission,

Und wenn die Rosten der Verwaltung man
Bebst den Beschlagnahms-Rosten voll gedeckt.
Lo überreichte der Kinanzminister
Den Best dem Herrn Ministerpräsidenten,

- 986 -

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Der damit schaltete, wie ihm gefiel.

Dafür, daß die Verwendung richtig war
Und der Beschlagnahmsordnung voll entsprach.
Trug die Verantwortung er ganz allein.
Alljährlich legte er persönlich Rechnung
Dem Rönig ab, wies die Verwendung nach
Und eine Vrdre aus dem Rabinet
Hieß die Verwendung gut. Die Grdre legte
Man zu den Akten, die Belege aber
Verbrannte man und ihre Asche streute
Man in die Lüste. Nirgends steht geschrieben,

B)o all das schöne Welsengeld geblieben.

* *

*

Man kann vermuthen nur; ein mattes Licht
Fällt ab und zu in diese tiefe Nacht.

Daß ein Minister für den Lchwiegervater,

Mit dem es übel steht, durch Bürgschaftsleistung
Getreulich eintritt, ist ein hübscher Zug;

Daß er, als man den Bürgen würgen will,
Nichtzahlen kann, ist hübsch nicht, doch begreiflich.

Denn dreimalhundertfünfzigtausend Mark
Rann man sich am Gehalte nicht ersparen.
Leibst wenn man preußischer Minister ist.

Da treten Freunde ein für den Bedrängten,
Der seine Lage ihnen offenbart;

Der Bummel wird bezahlt und eines Tages
Erscheint der Herr Ministerpräsident
Bei dem Minister; mit lakonischem
„Von Majestät!" reicht dar er ein Packet
Und aus der Hülle des Packets spazieren
Die dreimalhundertfünfzigtausend Mark.
Gerührt von solcher königlichen Gnade,

Beugt der Minister ehrfurchtsvoll sein Haupt —
Und aus den ganzen wunderlichen Handel
Ram nie mit einer Lilbe man zurück.

Erst jetzt geräth die Welt in die Vermuthung,
Daß unser braver Welfenfonds gewesen
Der königliche Lpender; zu beweisen
Wird es kaum fein — ist der Belege Asche
In alle Winde lange doch verweht!

Berlin, Anfang April.

Lieber Jacob!

Der Mensch kann so alt werden wie 'ne olle Kuh, aber alle Dage lernt
er noch wat zu — der Spruch, der doch jewiß von 'ne riesije Weltweisheit
zeicht, fiel mir neilich in, wie ick in de Zeitung lesen daht, det Puttkamer
Widder mit Jewalt in'n Staatsdienst rin will. Weeßte, Jacob, een bisken
Abjebriehtheit jeheert ja heitzudage zu't menschliche Dasein, un et jiebt ja
Leite, die sich ihr bisken Brot dadurch verdienen missen, det se sich vorne
finfmal rausschmeißen lassen un hinten sechsmal Widder rinkommen. Ick vor
meine Person bin ja nu een kouragirler Kerl, det sagen se hier an'n Jörlitzer
Bahnhof Alle, denn ick habe mir ooch vor den diesjährijen Bockausschank
nich die Bohne jefirchtet, aber ick jeheere nich zu die Sorte Menschen. Wo
ick eenmal mit Ehren rausjeschmissen bin, da kannste mir Zucker versprechen,
da kriegt mir der Deibel nich Widder rin, un wenn er seine Jroßmutter als
Extraabjesandten bei mir hinschickt. Nee, wahrhaftig, ich krieje sowat nich
fertig. Aber det liegt bei mir jewiß an de Verpackung. Ick bin zu dämlich
un zu sehr in dämliche Vorurtheile ufsjewachscn. Mit so'n jeborenen Aristokraten
ist det natierlich wat Änderet. Der stoßt sich nich an sein Ehrjefiehl, der
kommt jleich Widder, wenn man blos Eener feist, un wenn er sich denn Widder

rinjedrängelt hat in sonnen Hungerleiderposten, denn dragt er die Neese mächtig
hoch un spuckt andere Leite uff de Mitze. Ick will ja hiermit nischt jesagt
haben, indem mir de Sache nischt anjeht, un ick ooch von Staatsämter un
sonne Sachen nischt verstehe, weil mir de Ferdebahn noch nich mal 'ne feste
Anstellung als Ritzenschieber verleihen Wirde, aber ich mach mir ieber sonne
Schohse doch meine Jedanken, un wenn ick se mir eenmal jemacht habe, na,
denn kann ick se Dir ja ooch richtig anvertrauen, indem ick weeß, lieber
Jacob, det jejen Dir det Jrab 'ne reene olle Kaffeeschwester is. Aber Spaß
bei Seite un Ernst in de Westentasche, alle Politiker, die ick kenne, un det
sind nich wenig, jlooben, det Puttkamer Oberpräsident von Pommern wird.

' Ick weeß zwar von Pommern nich bitte, ick habe blos immer von die
Knochen von den eenen pommerschen Jrenadier jeheert, die der ehemalije
Reichskanzler nie riskiren wollte. Et muß aber een scheenet Land sind, det
steht mal bombenfeste, un et muß ooch een stärket Land sind, sonst kennte et
sonnen Oberpräsidenten jaruich aushalten. De Pommerranzen — ick jloobe,
so Heeßen de Bewohner von Pommern — werden nich schlecht stolz sind,
wenn der scheene Puttkamer erst uff'n Rejierungsschemmel sitzt, na, un denn
werden se ja woll ooch Alles det zu erfahren kriejen, wat mir hier uns schon
an de Schuhsohlen abjeloofen haben. Aber ick werde bitter, det schmecke ick,

Das Opfer feines Berufs.

vC%o<r5&en: Staatsanwalt Spürer galt bei seinen Vorgesetzten als ein
eifriger und pflichtgetreuer Beamter, der nur den einzigen Fehler
F hatte, daß sein Eifer manchmal zu weit ging. Wenn er einen
Verbrecher auf die Anklagebank gebracht hatte, so machte er sich's
zur Ehrensache, die Schuldbeweise zu liefern, und die Vertheidiger behaup-
teten, er sei auch durch die besten Entlastungsbeweise nicht von seiner einmal
gefaßten Ueberzeugung abzubringen. Herr Spürer faßte eben seinen Beruf
ganz ideal auf und lebte nur für denselben. Die Welt schien ihm bald nur
ein großer Gerichtshof, in welchem er als Ankläger zu fungiren hatte. Alle
Menschen däuchteu ihm Angeklagte und so kam es, daß, wenn er auch in
der fröhlichsten Gesellschaft saß, er sich plötzlich im Geiste im Gerichtssaal be-
fand und demgemäß sprach. Die Menschen, in ihrer schnöden Auffassung
der Dinge, wissen eine solche Berufstreue und einen solchen Pflichteifer nicht
zu würdigen und gemeine Seelen machen sich lustig darüber, das niedere
Volk zumeist. Wie soll es auch die wahre Seelengröße würdigen!

Herr Spürer hat das erfahren müssen.

Der pflichttreue Staatsanwalt besuchte einst einen Freund einige Stunden
von der Stadt auf einem Landgut. Als er nach einem fröhlichen Gelage
gegen Abend aufbrach, lehnte er den angebotenen Wagen ab; er wollte zu
Fuß nach Hause. Alle Einsprache war umsonst. Der Weg ging durch einen
dunklen Wald. Plötzlich zog ein Gewitter auf, es ward stockfinster, der
Herr Staatsanwalt verirrte sich und tappte unter Blitz und Donner in dem
Walde herum. Schon wollte er verzweifeln, da sah er auf einer kleinen
Lichtung beim Schein des Blitzes einen Mann in Bauerntracht stehen. Hoch-
erfreut ging er auf ihn zu und bat, ihm den Weg zu zeigen.

Der Bauer war gern bereit, doch schimpfte er sehr auf die schlechten
Wege und ans die Regierung. Als das so immer weiter ging, sagte der
Staatsanwalt:

„Sie können so nicht weitersprechen. Ich bin der Staatsanwalt Spürer.
Ich werde Untersuchung gegen Sie einleiten. Wie heißen Sie?"

„Was?" schrie. Ider Bauer.

„Sie verleumden die Regierung!"

„Dann wird der Herr Staatsanwalt die Wege auch allein finden,"
höhnte der Bauer und verschwand im Gebüsch. Der Staatsanwalt mußte
die ganze Nacht unter strömendem Regen im Wald umherirren, ward bis
auf die Haut naß und lag sechs Wochen an Rheumatismus darnieder.

Aber der Pflichteifer sollte dem Staatsanwalt noch mehr Unglück bringen.

Sein liebster Universitätsfreund feierte Hochzeit und selbstverständlich
war Spürer unter den Gästen. Er saß neben der jugendschönen Braut des
Freundes. Beim Champagner erhob sich der Staatsanwalt, um der Braut
zuzutriuken. Er rühmte die Vorzüge des jungen Paares. Von der Braut
sagte er in seiner schwungvollen Sprache: „Daß die holde Braut, in der
solch eine schöne Seele wohnt, den künftigen Gatten glücklich machen werde,
wird die einzuleitende Untersuchung ergeben."

Die Braut sah erröthend nieder, der Bräutigam ward blaß, junge Damen
kicherten, ältere sahen strafend drein; kurz, man sah ganz deutlich, daß die
Gesellschaft dem hohen Gedankenflug des Herrn Staatsanwalts nicht zu
folgen vermochte; das machte den pflichteifrigen Beamten mit Recht zornig.
Er sah sich grimmig um, und als einige junge Leute lachten, schleuderte er
einen wüthenden Blick auf sic und verließ im Bewußtsein gekränkter Maunes-
würde die Hochzeit. Hochzeitsfeste und dergleichen wurden ihm von diesem
Augenblick an zuwider. Er stürzte sich in die Politik.^

Es fand sich auch ein Wahlkreis, der den Herrn Staatsanwalt in den
Reichstag wählte, und er nahm das Mandat an, fest entschlossen, als Ver-
treter der Bestrebungen der Negierung alle nörgelnde Opposition und alle
Umsturzgelüstc auf das Entschiedenste zu bekämpfen. Er dürstete nach par-
lamentarischen Erfolgen; er wollte den Spöttern zeigen, was er leisten könne.
Gleich in der ersten Sitzung des Reichstags meldete er sich zum Wort. Ein
Oppositionsmanu hatte scharf die Handhabung des Sozialistengesetzes getadelt
und den Uebereifer des Herrn Staatsanwalts gerügt. Dieser vorwitzige
Mensch hieß Schneider.

Der Staatsanwalt stürzte sich auf die Rednertribüne.

„Meine Herren," rief er mit donnernder Stimme, „der Angeklagte
Schneider leugnet die Schuld . . . ."

Die Stimme des Redners ging in einem allseitig ausbrechenden Ge-
lächter unter. Umsonst klingelte der Präsident; das Gelächter wollte kein
Ende nehmen und erhob sich von Neuem, als der Abgeordnete Spürer, im
höchsten Grade erregt, in den Saal schrie: „So verzichte ich auf die Anklage."

Der Abgeordnete Schneider meinte, er könne nicht antworten, weil er
vor lauter Lachen Seitenstechen bekommen habe.

Herr Spürer ist im Reichstag nicht wieder aufgetreten. Er zog sich
zurück und mied alle Gesellschaft, da die Oppositionsblätter sich der Sache
bemächtigt hatten und sich darüber lustig machten. Er vergrub sich ganz in
seine Akten; sein Beruf ward ihm doppelt theuer. Weitum im Lande war
er gefürchtet ob seiner Schneidigkeit, und die Oppositionsblätter bereuten es
manchmal bitter, ihn so gereizt zu haben, denn er nahm in seinen Plaidoyers
Revanche dafür.
 
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