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988

Mindthorft. f

ls Windthorst's Seele kam zum Himmelsthor,
Stand zum Empfang bereit ein Engelchor,
Der sang vierstimmig: „Sei gegrüßt im Himmel!"
Dann tönte vieler Glöcklein hell Gebimmel,

Es kamen allerliebste Cherubim,

Die duft'ge Sträußchen überreichten ihm.

Drauf Petrus selbst respektvoll trat heran —

Er hatte seine Festtagskutte an —

Und sprach mit einer tiefen Reverenz:

„Sei'n herzlich Sie willkommen, Exzellenz!

Wird das ein Jubel sein bei allen Frommen
Da drinnen, daß Sie endlich zu uns kommen,

Der den Kulturkampfkanzler siegreich zwang,

Zu machen nach Kanossa einen Gang.

Nicht länger will ich Sie aufhalten hier,

Gleich schließ' ich Ihnen aus die Himmelsthür." —
Da plötzlich ward vernommen ein Tumult
Und eine Stimme rief: „Gemach! Geduld!
Energisch muß erheben ich Protest,

Daß in den Himmel ihn man eingehn läßt!"

's war Luzifer, der rasch mit einer Schaar
Von Höllengeistern hergekommen war.

Bestürzung hat die Engel da erfaßt;

Auch Petrus war vor Schrecken tief erblaßt.

„Weß klagst Du an den hochverehrten Mann?"
Sprach zitternd er, und Luzifer begann:

„Mich wundert, heil'ger Petrus, Deine Frage.
Kraft meines Amtes ich erhebe Klage,

Daß er die Lebensmittel half vertheuern

Durch Zölle und durch indirekte Steuern.

Die Heereslasten, die das Volk so schwer
Seit lang bedrücken, half vermehren er.

Er wirkte mit, Gesetze zu verhindern,

Durch die der Arbeit Loos man sollte lindern.

Die Freiheit, die er selbst einst hoch gepriesen,
Verleugnet' er zuletzt, trat sie mit Füßen
Und führte seine Schaaren auf den Pfad
Des Rückschritts als verschmitzter Diplomat.

Er ward sogar das Haupt von einem Bunde,

Der strebt zu hindern, daß das Volk gesunde
Und spritzt verleumderisch sein frommes Gift
Auf den Befreiungskampf, in Wort und Schrift.
Auf seiner Schaar Machtstellung nur bedacht,

Hat Schritt um Schritt den Krebsgang er gemacht,
Verschachert ungenirt des Volkes Rechte,

Bekämpft das Gute, unterstützt das Schlechte.
Daher verlang' ich, daß er auf der Stelle
Mit mir hinabmarschire in die Hölle." —
Sprach's; es verstrich Minute um Minute,
Verlegen zupfte Petrus an der Kutte,

Dann sagt' er: „Was erwidern Exzellenz
Auf die Anklagen Seiner Pestilenz?"

Herr Windthorst sprach: „Nicht Ehre noch Gewinn,
Die Kirche nur erfüllte meinen Sinn,

Die ich zur ersten Großmacht wollt' erheben.

Das Volksrecht gab ich Preis mit Widerstreben;
Doch Hab' ich's durch der Lage Zwang gethan.
Ihr seid doch auch gewiß ultramontan!" —

„O nein," sprach Petrus, „hier liebt man das Licht.
Ultramontan ist man im Himmel nicht.

Des Volkes Wohlfahrt über Alles geht
Und höher als der Kirche Macht es steht.

Der Staatsmann soll das Volk besrei'n, beglücken;
Er sündigt schwer, hilft er es unterdrücken.
Erkauft zu theuer wird der Kirche Macht,

Wenn Freiheit, Recht als Opfer wird gebracht.
Drum, Exzellenz, ich Sie nicht rühmen kann —
Verzeihen Sie — als großen Handelsmann;

Denn das Geschäft, das mit des Volkes Recht
Sie machten, war im Grunde herzlich schlecht.
Zwar haben Sie Herrn Goßler's Fall erzielt
Und Ihre Schaar die erste Geige spielt:

Doch giebt es eine stärk're Macht als sie,

Das ist die Sozialdemokratie.

Kein noch so großer frommer Volksverein
Wird sie zu schwächen je im Stande sein;

Sie schreitet fort von Sieg zu Sieg, dieweil
Sie nur erstrebt des Volkes wahres Heil.

Ja, früher noch als Sie sind aufgestanden
Die Sozialisten in den deutschen Landen. —
Verehrter, ich bedaur' es ungeheuer:

Sie müssen jetzo in das Fegefeuer.

Die höhere Instanz muß erst entscheiden,

Wie viele Jahre Sie dort müssen leiden
Und ob der Himmel einst steht Ihnen offen.
Servus! Auf Wiedersehen! will ich hoffen."

ü. 8t.
 
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