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1035

Wat is, seine sieben Sachen zusammenpackt un eenen jemiethlichen Land-
oder Seeuffenthalt uffsucht. Na, un uff bet Pack, wat nid) mal so ville
Jeld hat, det et 'ne anständije Sommerreise unternehmen kann, da kommt et
doch ieberhaupt nich an, un Wesen die Brieder braucht man doch janz bestimmt
nich so'n Jeschrei zu machen. Caprivi hat keenen Nothstand, Forckenbeck oock)
nich', — ick weeß wirklich nich, wat de Leite wollen. Der heechste Beamte in't
janze Reich un der heechste Beamte in janz Berlin — na, wenn die et nich
wissen sollen, daun weeß ick wahrhaftig nich, wer et sonst woll wissen kennte.

Et is ja ooch zu dämlich. Kiek mal, Jacob, die Sache is doch klar
wie Torf. Wenn in Berlin nämlich keen Jeld wäre, denn kennten de
Berliner doch keene sonne Reisen bis nach Konstantinopel unternehmen, wo
se denn die armen tirkschen Reiber so mit zweemalhunderttausend Franken
unter de Arme jreifen missen. Se sind mit Stangen nach Konstantinopel
jejangen, un det wundert mir, det se Stangen ieberfallen haben, weil der
doch in die janze Jejend schon so lange bekannt is. Denn in de Bibel steht
doch ooch schon: „Se zogen mit Stangen uff'n Oelberg" — un da wundert
mir det eijentlich von die tirkischen Reiber, det se nich mehr Rücksicht uff
so'n ollet, rcnommirtet Reisebüreau jenommen haben. Jott, sonne Reiber
mag et woll bei die dheiren Zeiten oock) nich besonders jehen, denn een
festet Jnkommen haben se nich, wie bei uns, un denn missen se de Feste
feiern wie se fallen, denn finden ieberhaupt keene Ausnahmen statt un wer
se in de Quere kommt, der wird ausjeplündcrt bis uff de Fußlappen. Na,
mir leben ja nu hier nich in der Türkei, aber bese jcnug is et oock) manch-
mal. Aber det auswärtig Amt muß ick mir loben, det schießt vor so'n
Bankier oder Kommcrzienrath, oder wat der Bruder war, den se in de
wilden Wälder jeschleppt hatten, so mir nischt, dir nischt jleich zweemal-
hunderttausend Märker vor, un ick mechte woll wissen, ob se det vor mir
ooch jedahn hätten. Du brauchst keene Angst zu haben, lieber Jacob, det
ick mir vielleicht nach sonne Reiberjejend uff Reisen bejcben will, nee, weeßte,
ick bin een seßhafter Jermane. Ick bleibe in'n Lande un saufe eklig — un
nähre mir redlich, wollte ick sagen, denn brauche ick mir wenigstens blos
vor de inländ'sck)en Reiber in Acht zu nehmen.

Doch, lieber Jacob, et wird woll überall mit Wasser jekocht werden,
un man soll nich sagen, wat 'ne Sache is. Wenn se so'n Kommcrzienrath
een Paar Pimperlinge abnehmen, da kann ick wirklich nich so wat Firchter-
lichet drin erblicken; ick finde, det denn die tirkischen Reiber blos mal den
Spieß umjedreht haben. Aber wir wollen uns aus de Türkei, wo bekannt-
liä) der kranke Mann wohnt, man lieber wieder rückwärts nach Berlin
konzentriren, wo et in die jetzige Jahreszeit wirklich jar zu scheen is. Ick
sage Dir, 'ne Hitze, weeßte, ick bin den janzen Dag lauwarm. Un denn
die Sprengerei von den Majistrat — det sich man hier draußen bei uns
keen Springwagen blicken läßt, da kennten ja die Jungen die baarfüßijen
Beene naß machen. Un det wäre doch Schade.

Aber, wie ick Dir schon erwähnte, is oogenblicklich nich ville los bei

uns, un det kommt daher, det wir uns nu mitten mang die Saurejurkenzeit
befinden. De janze Politik is in de Bäder jejangen un sammelt neie
Kräfte, de Parlamente haben sich in blauen Dunst uffjelöst un sinnen vor-
läufig uff neue Jesetzesvorlagen un neie Steiern, un der eenzije Politiker
in janz Berlin bin ick wahrscheinlich oogenblicklich, un wenn ick ooch een
bedeitender Kerl bin, wat ick nich bestreite, so kann ick alleene aber ooch nich
ville machen; et mißte sonst jrade sind, det ick mir vielleicht mit Bennigsen
ieber den nationalmiserablen Parteitag, der hier abjehaspelt wurde, unterhalte.
Aber da ziehe ick denn doch vor, bat ick mir von Dir, lieber Jacob, vor heute
mit eenen besonders feinen Bickling verabschiede, womit ick verbleibe erjebenst
un mit ville Jrieße Dein treier Jotthilf Naucke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Hobrlfxähne.

Es wollen jetzt die „Unfehlbaren"

Der Kapitalmacht Führer sein;

Der Bismarck und der Papst, sie wahren
Des Mammons Vorrecht im Verein.

Und dennoch wird die Arbeit siegen,

Wie auch der Geldmacht Priester dröhn —

Wir hobeln, daß die Spähne fliegen,

Am Bau der bessern Zukunft schon.

* *

*

Der gegenwärtige Sommer hat schon viele
trübe Tage gezeitigt, aber der trübseligste

war doch der uationalliberale Parteitag.

* *

*

Zwischen der serbischen Königin Natalie und dem Rubel findet
eine gewisse Wechselwirkung statt. Wenn in Serbien der Rubel auf

Reisen ist, entstehen bei den Reisen Nataliens Schwierigkeiten.

* *

*

Es ist der Papst ein braver Mann,

Er weiß in die Welt sich zu schicken,

Und weil er uns nimmer beglücken kann,

Will er uns be-encykliken.

* *

*

Unsere Großindustriellen sind manchmal außerordentlich unpraktisch. Einer-
seits ereifern sie sich über den Sklavenhandel in Ostafrika, andererseits
wollen sie Kulis aus dem fernen China einführen! Was liegt hier näher,
als daß man den Sklavenhandel in den Dienst des nationalen Profits stellt
und anstatt der Kulis die deutsch-ostasrikanischen Sklaven ankauft und bei uns
einführt! Das wäre gleichzeitig eine nationale und reformatorische That!

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Verdienste erworben, und mit welcher Selbstver-
leugnung sie dem Züchter der Reptilien die Kürassier-
stiefel geküßt habe, das im Einzelnen zu erörtern,
verbiete ihm (Redner) die Bescheidenheit. (Lebhaftes
Bravo.) Sie habe Deutschland zum ersten Militär-
und Polizeistaat gemacht und die Kaserne und das
Zuchthaus zu einem nie dagewesenen Rang erhoben.
„Nicht mehr ist Germania die sentimentale Jung-
frau von ehedem, ihr Herz ist ehern geworden, kalt-
blütig kann sie ihre Kinder hungern sehen, um in
ihrem Waffenschmuck den Nachbarinnen zu imponiren
und ihre Lieblinge stark und reich zu machen. Aber
auch wir haben Ideale," rief Redner Pathetisch,
„der Millionarismus ist unser Ideal und mit Weh-
muth gedenken wir heute des Züchters der Reptilien,
der auch der Züchter der Millionäre war. (Die
Anwesenden ziehen die Taschentücher.) Doch, liebe
Freunde, keine Sentimentalitäten. Demüthig beugen
wir unser Haupt unter die force majeure. (Die
Anwesenden, mit Ausnahme der Heidelberger und
Rheinländer, stecken die Taschentücher wieder ein.)
Ja, es mit der jeweiligen force majeure zu halten,
das war bisher unser Prinzip, wenn Sie es so
heißen wollen, der feste Pol in der Erscheinungen
Flucht und soll es auch künftig bleiben." (Lang-
anhaltender Applaus.)

Der zweite Redner war Professor Kohl.

Seine Rede war eine ergreifende Elegie auf den
Abgang Bismarck's. Die nationalliberale Partei,
führte er aus, sei wie Käthchen in Shakespeares
„Der Widerspenstigen Zähmung" von Petruchio
Bismarck, dem sie manchmal opponirte, trefflich
gezähmt worden, so daß sie in der dritten Lesung
immer für das stimmte, was sie in der ersten und
zweiten Lesung bekämpft hat. Das gereiche ihrer
Selbstentsagung zu hoher Ehre. Jetzt sei ihr Ge-
mahl Petruchio „fern von Madrid," (dem Redner
will vor Rührung die Stimme versagen, aber er
ermannt sich und fährt fort,) der Partei geziemte
es, gleich einer indischen Witwe den Holzstoß zu be-
steigen. Aber sie könne etwas besseres thun, der
Parteitag, solle die Heiligsprechung Bismarcks feier-

lich proklamiren. Er stelle im Namen seiner Freunde
diesen Antrag. —

Nach lebhafter Debatte wurde beschlossen, die
Heiligsprechung beim Bankett zwischen Suppe und
Braten vorzunehmen.

Ein Antrag auf Abänderung des Namens der
Partei in „nationalreaktionär" wurde abgelehnt mit
der Motivirung, weil die Partei sich auf keine
Richtung engagiren wolle und heute nicht wissen
könne, wie sie morgen gesinnt sei. Den historischen,
aber längst veralteten Namen „nationalliberal"
möge man immerhin beibehalten, denn er verleihe
der Partei einen gewissen Nimbus.

Nach mehreren Rednern trat der Schwabe
Prügelmaier auf die Tribüne, der sich als ehe-
maliger Anarchist vorstellte. (Sensation und Bravo.)
Er sei an Stelle Johannsens von Einbeck ge-
kommen; dieser letztere sei verhindert gewesen, weil
er für das Passage-Panoptikum engagirt worden sei.
Im Namen der schwäbischen Parteigenossen bean-
tragte er folgende Resolutionen, welche einstimmig
angenommen wurden:

1. Der Delegirtentag erklärt, daß die Partei-
mitglieder nicht verpflichtet seien, liberalen Grund-
sätzen zu huldigen.

2. Die Arbeiterschutzgesetzgebungsmaschine wird
bis zum 20. Jahrhundert abgestellt, die Arbeiter
könnten sonst leichter Millionäre werden, als die
Kapitalisten.

3. Politik ist Privatsache.

Das Menu des hierauf folgenden Banketts
lautete:

Krebssuppe.

Salm millionaise.

Reptilienragout mit Kartellklöschen.

Schwarzwild ä la Canossa.

Kapaun, byzantinisch.

Septennatspudding.

Die Tafelmusik hatte folgendes Programm:
Rückwärts, rückwärts! Marsch . . Liberalius.
Ouvertüre aus der „Afrikanerin" . Meyerbeer.
Der Papst lebt herrlich in der Welt Falk.

Um's gold'ne Kalb, Walzer . . .
Auf den Bauch will ich mich legen.

Konzertarie.

Chimmt a Vogerl geflogen. . . .
„Jndustria und Agraria," Duett aus
der Oper „Vampyr" . . . .

Mir sein ja die lustigen Hammer-
schmiedsg'sell'n.

Einst und Jetzt.

Linst lauerten Ritter und Reisige
Im Rusch, die lockeren Zeisige,

Bis daß die gelegene Ltunde schlug;

Vorüber kam der waarenzug.

Ach, der Begleitung ging es schlecht.

Denn niedergeworsen ward Herr und Anecht.

Das Gut ward auf die Burg geschafft.

Der Aaufmann in des Verließes Hast;

Dort mußt' er schmachten, ferne der R)elt,
Bis daß war gezahlt das Lösegeld.

Lolch Reiten und, Rauben war keine Lchande,
Ls thaten's die Ldelsten im Lande.

* *

*

Am Balkan giebts Räuber noch genug.

Die lasten entgleisen den Grientzug.

Lie fangen die Passagiere ein
And schleppen sie ins Gebirge hinein.

Die Armen können nur kommen los
§ür ein Lösegeld unmenschlich groß.

* *

*

Roch immer wünschen die „Ritter" von heut
Zurück sich die gute alte Zeit.

Lie mögen sich zu den Türken empfehlen.
Dort können im Busch sie rauben und stehlen.

Strauß.

Jgelhof.

Knopfloch

Zöllner.

Schwab.
 
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