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1042

Wem Kanzler.

Zsit jeder Woche steigt das Brot,

Am Himmel drängt sich wolk' auf Wolke
And immer höher steigt die Äoth,

Die blasse Roth, in unserm Volke.

And immer kleiner wird das Stück,

Das seinen Rindern reicht der Arme,

And immer weiter weicht zurück.

Die Hoffnung, daß mau sich erbarme.

Denn unser weiser Ranzler spricht:

„An einen Aothstand glaub' ich nicht."

Und all die Aäthe um ihn her —

Die trennt erst recht die höchste Nauer,
Ls trennt auch sie ein weites Neer
Vom Volk und seiner Aoth und Trauer.
Die würden wohl betreten sein.

Die hochwohlweiseu Herren Aäthe,
wenn bleich und hohlen Blicks herein
Der Aothstand ihres Volkes träte
And fragte: „wo ist er, der spricht:
„An einen Aothstand glaub' ich nicht?"

Ls präsentirt sich täglich nett
Und opulent im hohen Hause
Der Volksvertreter das Buffet
And ladet ein zur Frühstückspause.

And wo er stand und wo er ging,
wo immer ihm beliebt zu speisen —
Nan fragte keinen Pfifferling
Aach Boggenmehl und Boggenpreisen.
was Wunder, wenn Taprivi spricht:
„An einen Aothstand glaub' ich nicht?

Nuß nahen erst ein düstrer Zug

Nit schwarzen Bannern sich in Schweigen,

Der Codte vor das Haus Dir trug.

Am sie Dir stumm und ernst zu zeigen?

Nutzt erst Verhungerte Du sehn
Als Zeugen wider Deine Zölle,

Lh' Dir die Augen übergehn.

Als schautest Du in Dante's Hölle,

And eh' der Nund verstummt, der spricht:

„An einen Aothstand glaub' ich nicht!?"

Lr wagt sich freilich nicht heraus
Ins modische Gewühl der „Linden" —
Im Kettet nur, irrt Hinterhaus,

Im Dachlogis ist er zu finden;

And weil er in den Winkeln hockt.
Statt in den Parks herumzulungern,
weil unsre Armuth so verstockt,

In der Verborgenheit zu huttgern,
Lieht Herr Taprivi nichts und spricht:
„An einen Aothstand glaub' ich nicht."

Wenn alle Stränge reißen un jarnischt mehr ziehen will, denn verkoofe
ick jeflickte Eisenbahnschienen. Ick kann mir nämlich wirklich nich denken,
det det een schlechtet Jeschäft sein fall, denn sonst wirde sich doch wahrhaftig
een Mann wie der Jeneraldirektor Baare mit sowat nich abjeben. Zwar —
ick will nischt jesagt haben — er weeß ja von die janze Jeschichte nischt,
wie er in offenkundije Jerichtsverhandlung selbst injestanden hat, un so'n
Jeneraldirektor muß man einfach jlooben, indem det doch een janz anderer
Kerl is, wie wir jewehnlichen Sterblichen.

Seh' mal, Jacob, wir leben doch nu oogenblicklich in de Reisezeit.
Alles, wat so'n bisken wat is, det macht nu, det et rauskommt, um so-
jenannte Landluft, direkt aus'u Kuhstall, zu schnappen. Na, un da kommt
et ja nu woll vor, det der Draht nich janz ausreicht, un det man denn janz
in de Nähe von Berlin bleiben muß. Zu die letzte Katejorie von Welt-

reisenden jeheere ick natierlich ooch — wenigstens ick wollte bis jetzt — aber
nachdem ick nu hinter die Baare'sche Schienenlieferungen jekommen bin, da
krauche ick heechstens noch in de Ferdebahn rin, indem ick noch nich jenau
informirt bin, ob der freindliche Jeneraldirektor hierzu nich ooch de Schienen
liefert: aber in de Eisenbahn, nee, Jacob, da kriejste Jotthilf Naucken so
leichte nich Widder rin. Ick bin jewiß Eener, der Kurasche hat, un 'ne
Pulle kann noch so jroß sind, Hab' keene Bange, det ick vielleicht deswejen
erbleiche, — aber det Eisenbahnfähren is bei sonne Enthillungen denn doch
'ne Sache, die een ruhijer, steierzahlender Staatsbirjer als vill zu riskant
mit Entschiedenheit von sich zurickweisen sollte. Et is ja richtig un een
bewiesener Rechtsjrundsatz, wenigstens kenne ick eenen pensionirten Kalkulator,
un der versteht mächtig ville von Juristerei, un der sagt et ooch: „Wenn
zwee detselbe duhn, denn is et noch lange nich detselbe." Seh' mal, lieber
Jacob, stell' Dir mal vor, ick will Eenen bemogeln. Also bei't Schaskopp-
spielen, weil mir det am nächsten liegt. Wat meenste woll, wat mir Passirt,

Wage der Cetc£.

övner ließ ich auf den Fluren
Reichlich sprossen Jahr für Jahr,
Segnete der Pflugschar Spuren,

Daß die Scholle fruchtbar war;

Sonne schien, es sprüht' der Regen
Und die Saat zu Halmen schwoll:

Doch der Mensch, an meinen Segen
Heftet er den Fluch, den Zoll!

Ueppig wogt, gleich weitem Meere,

Hin und her die grüne Saat.

Golden färbt sich bald die Aehre
Und die Schaar der Schnitter naht.

Aber wenn im Sonnenbrände
Taglang ihnen Schweiß entquoll,
Können kaum sie — o der Schande! —
Sätt'gen sich: das macht der Zoll.

Aus dem Schacht, aus den Fabriken
Kehret heim der Arbeitsmann,

Will sich stärken und erquicken,

Doch kein Brot er finden kann;

Leer der Beutel, leer der Kasten
Und es faßt ihn wilder Groll:
„Schnödes Land, wo Fleiß'ge fasten!"
Ruft er und er flucht dem Zoll!

„Warum weinst du, kleiner Knabe,
Tummelst dich nicht froh im Feld?" —
„Weil ich großen Hunger habe
Und der Vater hat kein Geld." —

Und ein Strom von heißen Thrünen
Aus den blauen Augen quoll.

Und ich knirschte mit den Zähnen
Und verwünschte laut den Z o l l.

Ans dem Meer, auf Schienenpfaden
Schnaubt das Dampfroß feurig fort,
Kehrt mit Schätzen reich beladen
Zu dem heimatlichen Port;

Was gereift die fernen Lenze
Heim'schem Mangel wehren soll.

Doch die Wächter an der Grenze
Heischen unerbittlich: Zoll.

Weh euch, ihr versteinten Herzen,

Die nach Gold ihr maßlos giert,

Die da taub für Andrer Schmerzen,

Die des Volkes Noth nicht rührt;

Die der Brüder Wohlfahrt meucheln,

Daß die eignen Taschen voll,

Und dazu noch schamlos heucheln,

Eine Wohlthat wär' der Z o l l.

Drum, o Volk, sollst dich ermannen,

Fordern dein zertret'nes Recht;

Zeige jenen Zolltyrannen,

Daß du weißt, was gut, was schlecht.

Deine Stimme laß erschallen
— Schweigend dulden wäre toll —

Bis die Schranken sind gefallen

Rufe, donn're: Fluch dem Zoll! .7.8t.

Vorschläge zur Osslziersversorgintg.

Es giebt bekanntlich kein hilfloseres und ver-
lasseneres Wesen, als den pensionirten Offizier.
Während der deutsche Arbeiter nach Vollendung
seines siebzigsten Lebensjahres schmunzelnd die dreißig
bis fünfzig Pfennige tägliche Rcichsrente einstreicht,
müssen die armen Offiziere sich oft schon im kräf-
tigsten Mannesalter, im vierzigsten bis. fünfzigsten
Lebensjahre, pensioniren lassen und sich mit einer
Rente begnügen, die zum Biertrinken zu viel und
zum Champagner zu wenig ist. Der deutsche
Offiziersverein, welcher die Meinung vertritt, ein
dienstuntauglicher Offizier sei zu jedem bür-
gerlichen Berufszweige noch immer im höchsten
Grade brauchbar, will daher Bürger meist er-
stellen, Fabrikinspektorenämter und ähnliche
leichte Beschäftigungen, welche ein Invalid so neben-
bei besorgen kann, für pensionirte Offiziere reservirt

sehen. Der Offiziersverein ist der Ueberzeugung,
daß nur ein Offizier ein städtisches Gemeindeivesen
ersprießlich leiten kann, da bei ihm jede Opposition
der Stadtverordneten als subordinationswidrig straf-
bar und jede abfällige Kritik der Verwaltung eine
Beleidigung ist, welche nach Offiziers-Parole mit
dem Säbel erledigt werden muß. Ebenso verhält
es sich mit dem Fabrik-Jnspektorat. Sind alle
Fabrik-Inspektoren Offiziere, dann wird man bald
dafür sorgen, daß die Werkführer in den Fabriken
Korporale sind. Beschwerden über Mißslände im
Betrieb wird man sodann in jener unvergleichlich
wirksamen und praktischen Weise zu handhaben
wissen, wie dies beim militärischen Beschwerdewesen
hinsichtlich der Soldatenmißhandlungen rc. geschieht.
Dann werden die Fabrikinspektorenberichte sehr
schnell ein günstigeres Bild von der Industrie zeigen,
als bis jetzt.

Aber es wäre durchaus verfehlt, wenn man nur zu
den genannten Aemtern pensionirte Offiziere zulassen
wollte; es ist auch jeder andere Posten den Offizieren
in erster Linie einzuräumen. Die Professorenstellen
aller wissenschaftlichen Disziplinen auf den
Hochschulen sind wie geschaffen für diesen Zweck,
denn wer verstände wohl von irgend einer Dis-
ziplin mehr als ein pensionirter Offizier? Auch
sollte man darauf achten, daß bei Gemälde-Aus-
stellungen stets nur Bilder von pensionirten
Offizieren angenommen werden; der Offizier
betrachtet Landschaften vom strategischen Standpunkte,
Menschen vom Gesichtspunkte der Diensttauglichkeit,
Früchte, Wild rc. mit dem geübten Blick des
Fourage-Meisters, kurz, er legt immer den höchsten,
idealsten Maßstab an, deshalb kann auch nur ein
Offizier wahre Kunstwerke schaffen. Er weiß mit
dem Pinsel umzugehen, denn sein Offiziersbursche
ist gewöhnlich ein solcher; er versteht auch die
Farbengebung, denn mancher Rekrut wurde von
ihm vielleicht grün und blau geschlagen — natür-
lich ohne Erregung von Schmerzgefühl. Auch als
Schauspieler, Musiker und Opernsänger
sollte man nur pensionirte Offiziere anstellen, denn
 
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