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1079

Ick mißjönne nu de Antisemiten ihr Verjnicjen in keener Hinsicht.
Wat der Mensch braucht, muß er haben, un wenn et een papierlederner
Leibrock von Holz is. Ick finde, det die Seite stets uff den jroßen Beifall
der jesammten Bevölkerung rechnen kennen, wenn se die Maßnahmen der
russischen Rejierung in öffentliche Volksversammlungen billijen. Det hat
hier neilich eener von de jreeßten Häuptlinge jedahn, un det Ende von't
Lied wird sind, dat er den russischen Knutenorden mit kreizweise über ein-
anderliegende Peitschenstiele kriegt. Natürlich wird det Ding in een Futteral
von echtet Juchtenleder verpackt. So entpuppen se sich nämlich am besten,
un se werden ja ooch woll nich eher ruhen, bis Berlin janz un jar eene
russische Jarnisonsstadt jeworden is. De Friedrichsstraße Wirde sich sehr
jut zu eenen russischen Schießstand eignen, weil se hibsch jrade is, un uff
det Publikum braucht doch jewiß keene Nicksicht jenommen zu werden.

Also wer de Antisemiten nich nach Kräften unterstitzt, der hat von
richtije Politik ieberhaupt keene Ahnung. Wat nutzen uns denn die janzen
Redensarten von Kultur un Zivilisation, wenn man nich mal Eenen, der
nich in de Jesellschaft paßt, nach Sibirien spediren kann. Denn hat die
janze Sache weiter keenen Zweck.

So mittlerweile fangen se nu ooch an, mächtijen Radau von wejen de
Antisklavereilotterie zu machen. Ick spiele nich Lotterie, dat weeßt Du ja,
lieber Jacob, weil ick Ehrenmitjlied des Vereins der Nietenbesitzer bin,
aber die Idee von die Lotterie, die jefallt mir doch mächtig. Wenn die
schwarzen Sklaven erst erfahren, dat se hier in Deitschland zu ihre Befreiung
ausjeknobelt werden, denn muß se ja det Herz vor Freide puppern. Die
missen doch faktisch denken, det et bei uns hier ieberhaupt keene Sklaven
mehr jiebt, un se missen jlooben, det man hier Alles in Freiheit rum-
plantscht. Na, ick will se den schwarzen Staar nu nich stechen, indem se sich
sonst wahrscheinlich davor bedanken wirden, zum Beispiel mit eenen weißen
Lohnsklaven ihr Loos zu vertauschen, un det se lieber in ihre Sklavenketten
weiter schmachten wollen.

Aber jebet Ding muß natierlich von de richtije Seite anjefaßt werden,
un de Hauptsache is, dat de Sklaven in Afrika befreit werden. Ick zolle
die janze Jeschichte meine heechste Anerkennung, womit ick verbleibe erjebenst
un mit bitte Jricße Dein treier Jotthilf Naucke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Antisemitisches.

A. : Finden Sie es nicht geschmacklos, daß die Antisemiten bei der
Kasseler Wahl für den kapitalistischen Kandidaten, statt für Pfannkuch
eingetreten sind?

B. : Im Gegentheil, ich finde es sehr geschmackvoll. Die Judenfresser
wollten zur angenehmen Abwechslung einmal Psannkuch'n verzehren.

Erstes Erfordernist.

A. : Was muß man leisten, um Kommerzienrath zu werden?

B. : Man muß sich um Handel und Industrie hoheVerdienste erwerben.
A.: Aha, deshalb beziehen die Kommerzienräthe aus dem Ertrag der

Aktiengesellschaften, deren Leiter sie sind, immer den höchsten Verdienst.

H Hobrlsxähne.

Wie gut ist doch der arme Mann,

Wie schlimm ist doch der Reiche dran!

Der Reiche macht Vergnügungsreisen

Auf Schienen von geflicktem Eisen,

Leicht wird er in den Tod geschickt.

Dem Armen, der zu Fuße schreitet

Wird solches Schicksal nie bereitet,

Sind seine Stiefel auch geflickt.

Drum preis' dich glücklich, armer Mann,

Kein Baare kann an dich heran.

* *

-t-

Die Loose der preußischen Sklavenlotterie
eignen sich besonders zur Verbreitung in Arbeiter-
kreisen, denn es wird gewiß kein Großindustrieller
etwas dagegen haben, wenn die Arbeiter sich ein Sklavenloos wünschen.

* *

*

Ihr Herren, die Ihr vom Jenseits stets

Dem Volke singt Trosteslieder —

Gebt diesseits nur Euren Reichthum her,

Im Jenseits bekommt Ihr in wieder.

* *

*

In Zeiten politischer Windstille wird von politischen Zeitungen der
meiste „Wind" gemacht.

* *

*

Der Nothstand und der Bazillus,

Die bringen der Menschheit Gefahr,

Doch sind sie dem Aug' des Gesetzes

Zumeist noch unsichtbar.

* *

*

Daß in Berlin das Auftreten eines Kraftmenschen so großen Effekt
macht, wundert mich nicht. Bei der jetzigen Lebensmittelvertheuerung und
der daraus folgenden schlechten Volksernährung sangen kräftige Menschen
bereits an, eine Sehenswürdigkeit zu werden.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Nante über das Trunksuchtsgesest.

Ick kann et nich anders leugnen, als daß ick dem jeplanten Trunk-
suchts-Jesetz meine vollste Sympathie einschenke. Wenn det Trinken erst in
eene ordentliche Reglementsmäßigkeit jebracht wird, denn jetzt det mit die
Unjerechtigkeit nich so weiter, daß uns die jroßen Herren alle juten Weine
und Ligueure wegtrinken und vor uns blos det Fuseljetränk bleibt, sondern
Jeder kriegt seine jesetzliche Pulle von die Trunksuchtsapotheke vorschrifts-
mäßig geliefert.

Herr" Beanstandungen zu erleiden hatte. Vor Herren
soll man immer Respekt haben, gleichviel, ob sie
alt oder neu sind. Auch der Molkte in der Ber-
liner Ausstellung, welchen die Jury nicht aufhängen
lassen wollte, thut uns leid. Was uns aber am
meisten gegen die heutige Zensur einnimmt, ist der
Umstand, daß sie sich als viel zu wenig schneidig
erweist. Sie läßt z. B. eine Literatur aufkommen,
welche aller frommen Sitte Hohn spricht. Anständige
Schriftsteller entblöden sich nicht, Zitate aus den
heidnischen Schriften Schillers und Goethes abzu-
drucken, welche letztere leider noch immer nicht kon-
fiszirt sind.

Mit der Moral in der modernen Malerei steht
es nicht besser. Von Heiligenbildern sieht man
wenig und selbst die Portraits von Nationalheiligen,
welche früher einen großen Raum in unseren Aus-
stellungen beanspruchten, fangen an, in den Hinter-
grund zu treten. Man findet weniger Bismarcks
als sonst, und weder auf der Berliner, noch auf
der Münchener Kunstausstellung haben wir ein ein-
ziges Portrait von Baare, Schweinburg oder Pindter
gesehen. Statt dessen malt man noch immer die
heidnischen Götter, und obendrein in skandalösen
Kostümen. Kein Jupiter in Pelz, kein Merkur in
Frack und weißer Weste, keine Venus in Kloster-
tracht ist zu erblicken; es herrscht meistens ein leben-
diger Fleischton vor — trotz des Geschreies, welches
man über die hohen Fleischpreise macht. Hier sollte
die Zensur mit einem großen Pinsel Alles über-
strcichen, was ungehörig ist. Man fürchte nicht,
daß dadurch künstlerische Interessen geschädigt wer-
den. Man braucht von Kunst nicht das Geringste
zu verstehen, und kann deshalb doch ein großer
Pinsel sein.

Der schneidige Sepp.

^er Sepp trägt seinen Sonntagsrock
’ Und eilt zur Schenke hin,

Er denkt nicht dran, daß Werktag ist!
Was hat der Sepp im Sinn?

Er kauft sich Wein und lärmt und lacht.
„Sag', Sepp, was fällt dir ein?

Warum soll heut ein Feiertag
Speziell für dich wohl sein?"

Da sprach der Sepp: ,,'ne Rauferei
Bestand ich einst mit Glanz
Und schlug das rechte Auge aus
Dem Nachbarssohn, dem Franz.

„Und wenn sich dies Ereigniß jährt,

Zieh' ich mein Festkleid an,

Und fei're jubelnd meinen Sieg, —

Wie ärgert Franz sich dann!"

„Pfui, Sepp! Solch schnödes Handeln ist
Nicht christlich, nicht human!

Nimm' dich in Acht! Dem Magistrat
Zeig' ich dein Treiben an!"

„Dem Magistrat?" lacht Sepp, „sehr gern
Mich der gewähren läßt!

Er thut dasselbe ja, wie ich!

Er hält ein Sedansest!"

Dir Antisemiten in Raffel.

Der Antisemiterich immerdar
Verschlinget die Juden mit Haut und Haar,
Doch soll er stimmen für der Arbeit Recht,

Da macht er sich lieber zum „Judenknecht."

Spaltung in der Sozialdemokratie.

Erster Sozialdemokrat (zur Kellnerin):
Bringen Sie mir Knödel.

ZweiterSozialdemokrat: Ich möchte Kalbs-
braten.

Spießbürger: Da sieht man wieder, wie
uneinig die Sozialdemokraten unter einander sind!
Was soll denn aus dem sozialdemokratischen Pro-
gramm werden, wenn der Eine Knödel und der
Andere Kalbsbraten will?

,,M ist lieb ig."

^enn ein Fremder in der Presse
Deutsche Uebelstände rügt
Und der Wahrheit giebt die Ehre,
Statt daß er das Volk belügt:

Wird aus Deutschlands Paradiesen
Dieser Frevler ausgewiesen
Ohne all' und jede Gnade,

Denn um Solche ist's nicht schade.

Warum geht er nicht behutsam
Auf dem breiten Mittelweg,

Wo sich die zusammenfinden,

Die gesinnungslos und trag ?

Warum legt er seine Hände
In des Landes Uebelstände?

Uns're Fehler bleiben stehen,

Und wem das nicht paßt — muß gehen.

Der Scharfsichtige.

Lehrer: Lehmann! Lehmann! hüten Sie sich!
Wenn Sie auch Ihr Gesicht ganz still halten, ich
sehe doch, daß Sie lachen!
 
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