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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0029

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2376

zwitscherten die Schwalben da, auf einmal drang ein Gebrüll zu
ihnen herüber, ein gräßliches, athemloses, jammervolles Schreien!
Drüben in der Anstalt schlugen sie wieder einen.
„Mein Gott", rief sie, „die Unglücklichen!" Die junge Frau
preßte die Hände gegen ihre kleinen rosigen Ohren und warf sich
jammernd auf die Ruhebank. Dabei klagte sie laut ihren Gatten an.
O, der Elende! Jetzt stand er dabei, dicht neben dem Gezüchtigten,
und verwandte kein Auge von dessen Körper. Einmal ist sic vor Angst
und Mitleiden hinüber gelaufen, da hat sie's gesehen, — durch das
Guckloch in der Zellenthiir — wie der Unselige dabeistand und kein
Ange davonließ! Sein fahles Mördcrgesicht wird dann dunkclroth . . .
und die Hände macht er auf und wieder zu, als griffe er etwas. . .
das Scheusal! und dabei die Augen! Und zuletzt Ivar sein ganzes -

Maler zu sich hinüber und . . . daher machte das Deckengemälde im
Gartcnsaal nur langsame Fortschritte. ."
„Du Fritze, merkste wat?" kicherte Karl, „jetzt paß uff!"
„Karl, halt Dein Maul und stör' uns nicht immer!" erhielt er
brummig zur Antwort.
Der Blonde oben, mit seiner leisen, sanftmüthigen Stimme er-
zählte weiter:
„Zn Weihnachten wurde das Bild fertig. Vielleicht hatte es der
Maler absichtlich hinausgezögert, denn nun, da er nichts mehr in der
Villa des Direktors zu thun hatte, war er wieder auf seine öde Zelle
angewiesen und ein paar Wochen später wurde ihm obendrein plötzlich
die Vergünstigung, in seiner freien Zeit malen und zeichnen zu dürfen,
entzogen. Dann hatte er eines Tages einen kleinen Wortwechsel mit


Gesicht voll Bedauern, daß eS schon zu Ende sei . . . ist denn das ein
Mensch?! Ja, und nachher, da ist er matt zum Umfallen und liegt
stundenlang auf der Canseuse und blickt stumpf vor sich hin und bewegt
sich nicht . . . wie eine vollgefrcssenc Schlange . . . ist denn das ein
Mensch?! Oh, womit hat gerade sie es verdient, an solch'Ungeheuer
gefesselt zu sein!"
„Sie schluchzte und ihre Augen richten sich so flehend auf den
Maler, als riefen sie ihm zu: Hilf mir! Errette mich vor ihm! . . .
Ach, und sie war so schön, so überwältigend schön!"
Des Gefangenen Stimme war immer heißer und inniger geworden
und das letzte Wort war nur noch ein qualvoll sehnsüchtiger Aufschrei!
Jetzt aber klang es wieder sanft und ruhig, als er weitersprach:
„Allmälig beruhigte sich die junge Fran und der Maler konnte
wieder an seine Arbeit gehen. Aber so oft der Direktor hinüberging,
um eiuer Erekution beizuwohnen, floh sie in ihr kleines, japancsischcs
Boudoir, das nach Norden lag und fest verschlossen Ivar gegen das
Geheul der armeu Gefangenen. Und weil ihr auch dort graute, vor
der Einsamkeit und vor dem Gedanken an ihren Gatten, rief sic den

seinem Aufseher und wurde in Arrest gebracht. Er sollte Schläge
bekommen, hieß es. Aber ein Tag nach dem andern verging, ohne
daß etwas daraus wurde. Zu dieser Zeit gingen alle möglichen Gerüchte
in der Anstalt nm. Die Frau deS Direktors sollte von einem Knaben
entbunden und im Kindbett gestorben sein. Andere erzählten, ihr Mann
sei plötzlich wahnsinnig geworden und habe die Wöchnerin erwürgt.
Ich selbst hörte von meinem Nachbar, der Direktor sei allerdings tob-
süchtig und in eine Irrenanstalt überführt worden, aber Mutter und
Kind lebten - - kurzum, Keiner wußte etwas Genaues."
„Und der Maler!" keuchte der ehemalige Wirth.
„Pst!" schrie Karl dazwischen, „der Aufseher kommt!"
Ein Ruck, eiu hastiges Klappern und die Fenster liegen wieder
todt und still, wie die Augen einer Leiche. Der Posten unten auf dem
Hofe blieb stehen und sah lachend hinauf. Er kannte diese plötzlichen
j Gesprächsschlüsse der Gefangenen ebensowohl, als ihre Ursache. Dann
zog er seine Uhr hervor und überzeugte sich in dem Hellen Licht des
Vollmonds, daß er in fünf Minuten abgelöst wurde von der Wache
! auf diesem langweiligen Gefängnißhofc. yans yyan.
 
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