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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0048

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2395


Jahre einpökeln, die Rädelsführer ausweisen, an
die Luft sehen, an die Luft! Verstehst du Mich,
Mein Sohn? Donnerwetter! Wenn Ich einmal
mit Meinem Dreizack von unten dazwischen fahre!
Sie wollen Revolution von oben, aber wenn Ich
mit der Revolution von unten komme! Alle
Hagel! diese Bande! Ich kann und will die
Fischkost nicht entbehren, man muß hier so schon
auf so Manches verzichten. Und wenn sie das
Tiefgefühl nicht kennen, — Ich meine also, was
ihr dummen Menschen Hochgefühl nennt, — für
ihren Fürsten zu sterben, dann werd' Jch's ihnen
beibringen! Nun sag' mir 'mal, altes Kameel,
was denkst du eigentlich über Unfern Staat
hier?"
Ich antwortete, ich wüßte bald selbst nicht
mehr, ob hier die verkehrte Welt sei oder oben
bei mir zu Hause. Da wurde die Majestät sehr
ungnädig und wollte mich ein Bischen mit dem
Dreizack kitzeln. Er warf, traf aber in Folge
der Anstrengung des vorhergehenden Gesprächs
nur meine Kalkpfeife. Darauf schurrte er platt-
füßig hinaus und befahl, mich strenge unter
wasserdichtem Verschluß zu halten.
Zum Glück erkannte ich in dem Mundschenk,
dessen Gesicht mir schon vorher so bekannt vor-
gekommen war, einen alten Freund wieder, Kasper
Fleetenkieker, langjährigen Seemann und späteren
Inhaber einer Destillation auf St. Pauli. Der
riskirte sein Leben als 'n Stint und band mir
Nachts, weil sie da keine Schwcinsblasen haben,
ein paar große Fischblasen auf den Buckel, und
heidi! fuhr ich nach oben. Ein Grönlandsfahrer!
kam gerade vorbei und nahm mich mit.
So bin ich glücklich wieder hier, und nun >
Prost, mein Junge! Wir lassen uns noch einen
wieder einschenken!

Galgenhumor.
Gs mag so manchen Nebekstanb
In unserm Alusterstaate geben,
Doch ist bas Aiittek stets zur Land,
Am augenblicklich ihn zu heben.
Alan ruft bie Drau Justitia,
Eie kommt mit strengen Varagrapben,
Am Neben, der bas Nebel sah,
Und es verkündigt, zu bestrafen.
Wenn allzu hoch sein stolzes Laugt
Sm Kapitalproh pflegt zu tragen,
Und sich ein Redakteur erlaubt,
Die Wahrheit kräftig ihm zu sagen,
Dann wird für die 28eleiö'gungsthat
Dem Kühnen Strafe zugemejsen,
Und bis er akgebüßt sie hat,
Ist alles Uekrige vergessen.

Kopsleiste zur „Zigeunerin".
Wenn Wureaukraten nicht den Geist
Der Reuzeit wollen gelten lassen,
Und eine Zeitung wagt es dreist,
Sie darum an den Zopf zu fassen,
Dann ist die Amtsehr' arg verletzt,
Alan muss sie gründlich repariren,
Der Spötter wird in Last gesetzt,
Die Zeitung muß man konsisziren.
Wer hinweist auf die Roth der Zeit
Das Volk, das stumpf noch und geduldig,
Der störet die Zufriedenheit,
Der ist an allem Nebel schuldig.
Alan liefert wegen Aufreizung
Dem Staatsanwalt ihn in die Lände,
Das ist bie schnellste ZZesserung
Der sozialen Nekelstände.
Wenn bis zum Streik ein Lohnkampf reift,
Dan» munkelt man von Volksaufrührern,
Wer für den Streik Vartei ergreift,
Den zählt man zu den Rädelsführern.
Är nehme weise sich in Acht,
Ihm drohen des Gesetzes Schlingen,
Leicht wird ihm der Vrozeß gemacht,
Leicht ist zum Schweigen er zu bringen.
So stehen wir in treuer Lut,
Und nichts kann unsern Frieden rauben,
Daß Alles schön und recht und gut
Im Staat ist, dürfen fromm wir glauben.
Doch glaubst bu's nicht und wagtest du
Dem Geist der Rebellion zu dienen,
Dann sinkest du auch bald bie Ruh'
Wohl hinter schwedischen Gardinen.

Die Zigeunerin.
Der Karneval mit seinem Mummenschanz
zog auch die sonst so langweilige Honoratioren-
gesellschaft der Fabrikstadt CH. in seinen tollen
Wirbel. Man hatte einen Subskriptions-Masken-
ball arrangirt und sämmtliche Droschkenkutscher
der Stadt waren in Bewegung, um die Herr-
schaften zum „Römischen Kaiser" zu fahren, dem
nobelsten Balllokale der Stadt, welches anläßlich !
dieser Festlichkeit großartig dekorirt worden war.
Bald wimmelte es in den Sälen von bunten,
abenteuerlichen Gestalten. Ritter und Räuber,
Fürstinnen, Klosterfrauen, altdeutsche Trachten
und hochmoderne Gigerlfiguren, Bäuerinnen,!
Gärtnerinnen und alle die sonstigen beliebten
Karnevalstypen waren vertreten. Ein feinerer
Kunstkenner würde hier und da Geschmacklosig-
keiten in der Kostümirung bemerkt haben, doch
das genirte keinen großen Geist und wurde
durch den zur Schau getragenen Prunk und
Reichthum ersetzt. Es waren eben Leute bei-
sammen, die etwas hatten.

Rauschende Musik ertönte. Das Treiben
wurde lebhafter. Eiu türkischer Pascha, welcher
breitspurig durch den Saal schritt, wurde mit
lautem Halloh empfangen.
„Das ist der Strumpffabrikant Schneider",
hieß es. Er war leicht zu erkennen, denn er
trug keine Gesichtslarve, sondern hatte sein
Antlitz nur mit einer großen künstlichen Nase
verschönt. Seine behäbige Gestalt paßte vor-
trefflich in das Paschakostüm.
„Schneider als Pascha — das ist kein übler
Gedanke", flüsterte ein junger Manu hinter ihm.
„Soll vielleicht Selbstironie sein", erwiderte
ein Anderer boshaft.
Diese Anspielungen bezogen sich auf die in
weiteren Kreisen der Stadt bekannte Thatsache,
daß Schneider, welcher in seiner Fabrik viele
Mädchen beschäftigte, öfter hübschen Arbeite-
rinnen „menschlich näher zu treten" versuchte.
Inzwischen war die Polonaise beendet. Es
bildeten sich hier und da Gruppen im Saale,
es wurde gescherzt und gelacht. Mitten in einer
solchen Gruppe stand ein schlankes, prächtig
gewachsenes Mädchen, in malerische Zigeune-
rinnentracht gehüllt, das Antlitz tief verschleiert.
Sie übte die Kunst des Wahrsagens, und die
Wahrheiten, welche sie soeben einem Mitglieds
des hohen Stadtrathes gesagt hatte, schienen
sehr treffend zu sein, denn sie wurden von den
Umstehenden mit heiterem Beifall belohnt.
„Enthülle auch mir die Zukunft", sagte ein
jovialer älterer Herr.
„Ädine Hand her", befahl die Zigeunerin.
Sie studirte anscheinend eifrig die Linien der
innere Handfläche. „Aha!" rief sie dann, „jetzt
erkenne ich Dich, Du bist ein Parteihäuptling
der Liberalen und wirst auf Deine alten Tage
etwas Großes werden."
„Und was wird das sein?" fragte der Mann
mit scheinbarem Ernst.
„Man wird Dir den Charakter als Kom-
merzienrath verleihen, damit Du doch endlich
einmal einen Charakter bekommst", bemerkte
die Zigeunerin schnippisch.
„Welche Zukunft wird mir erblühen?" fragte
eine weibliche Maske.
Die Zigeunerin betrachtete ihre Hand. „Du
wirst alte Jungfer werden, wenn Du noch
länger auf einen Lieutenant wartest", lautete
die Prophezeiung.
Jetzt trat der Pascha, der Strumpffabrikant
Schneider, in den Kreis.
„Und mir, schöne Maske, was hast Du mir
zu prophezeien?" fragte er galant.
Die Zigeunerin schaute ihn an. „Ah, Du bist
auch da", rief sie, als ob sie mit einem alten
Bekannten spräche. „Meinst Du, man könnte
Dir etwas Gutes weissagen, alter Sünder?"
„Na, mach's nur gnädig und sage mir's
allein", erwiderte der Pascha, auf den Scherz
 
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