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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0063

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2410

Die mmhigen Funker.

„Ihr scheltet dumm und frech uuF, grotz im Nehmen,
Anchristlich, fnhIloF und dem Aückschritt hold.
Nur zu! Ihr rchrudt doch nicht, dasz wir unö schämen:
Macht eurem Grimm nur Tust, so viel ihr wollt.
Gd Diuz und Du uz entrüstet mW derlilagen,
VaK dringt in Wallunrr nicht da§ dlaue Blut.
Doch nie erkühne sich ein Mensch zu sagen,
Selbst nicht im Scherz, dasz es uns fehlt an Muth!" —

Noch graszern Muth beweist ihr ohne Lweifel,
Wenn ihr für schnelleres Geschütz erglüht,
Für Panzerschiffe dreist dein armen Leusel
Den letzten Groschen aus der Lasche zieht;
Weuu ihr dem Volke Brot uud Fleisch dertheuert,
Dasz ihm der Angstschrei aus der Dehle dringt.
And während ihr unF immer mehr besteuert.
Die auderu Völker auch zu Löllen zwingt.

Bewahre, ueiu, ihr Gdleu! So dermessen
Ist Deiner, dasz er spräch' deu Muth euch ab.
Sonst tobtet ihr Wohl ebenso besessen.
Wie Junker Bismarck euch das Beispiel gab.
And beim Duell, da zeigt mau dach Dourage,
Wenn man an das Gesetz sich gar nicht kehrt
And thur, alF sei die knallende Bagage
Noch einen einzigen Schutz Dulder Werth.

Daltblütig zusehn dann, wie alles scheitert,
Im Lolikrieg uns daff stärkre Volk besiegt.
Das Proletariat sich stech erweitert.
Die rüst'ge Arbeitskraft aufs Pflaster stiegt;
Gleichmürhig so das Volk verkommen lassen.
Die Ladichmatten schinden bis aufs Blut,
Dabei noch staudsgcmäsz im Jubel prassen: -
Fürwahr, dazu gehört der grösste Muth!

Neber menschliche Nngleichheif.
Lin Rechenexempel.
Wie thöricht alles Gerede von der Gleichheit der Menschen ist, das
mag, wie ost es auch schon eingehend dargelegt wurde, hier einmal an
der Hand der Berechnung nachgewicsen werden.
Setzen wir einmal den Werth eines gemeinen Soldaten mit 1 an.
Um hiernach den Werth für einen Unteroffizier zu finden, vergleichen wir
die Strafe, welche ein Unteroffizier für die Mißhandlung eines Gemeinen
erhält, nist der Strafe, welche den Gemeinen trifft, falls er den Unter-
offizier, durch unwürdige Behandlung gereizt, vor die Brust stößt. Es
ergiebt sich, daß wir den Werth des Unteroffiziers getrost mit 100 be-
zeichnen können. Etwas kleiner ist der Abstand zwischen Unteroffizier und
Feldwebel, etwas größer wieder der zwischen Feldwebel und Lieutenant,

so daß auf einen Lieutenant genau 1000000 Gemeine kommen. Vom
Lieutenant zum Hauptmann sind wieder 2 Nullen anzuhängeu, ebenso
vom Hauptmann zum Major, vom Major zum Oberst, vom Oberst
zUm Brigade-, von diesem zum Divisions-Kommandeur re. Der geneigte
Leser wird sich hiernach, ohne den Schreibkrampf zn bekommen, das
Werthverhültniß zwischen einem gemeinen Soldaten und einem kommau-
direndeu General selbst in Zahlen ausschrcibeu können.
Ein ähnliches Verhältniß läßt sich zahlenmäßig feststellen zwischen
einem Bureaudiencr und einem Wirklichen Geheimen Rath oder Minister,
zwischen einem einfachen Arbeiter und einem Industrie-Monarchen, zwischen
einem Schauermann uud einem königlichen Kaufherrn.
Wie wir hören, wird demnächst, um einem dringenden Bedürfniß
abzuhelfen, in allen deutschen Schulen eine tabellarische Rangordnung
aller Menschen mit den entsprechenden langen Zahlen aufgehängt werden.

Nieder mit dem Industriestaat!
Der 8raf von Lirum-Ltirum ist
Lin rechter Junker, wie ihr wißt.
Und glaubt, daß es im Deutschen Reich
Muß gehn nach seinem Millen gleich.
„Ich kann", das gute Vräflein spricht,
„Den Zustand länger tragen nicht.
Und in den Reichstag darf, o nein,
Rein einz'ger Sozialist hinein.
„So kann's nicht länger weiter gehn
Im Reich; drum muß ich dran jetzt gehn.
Zu schaffen ein Spezialgesetz
Kür eine Sozialistenhetz.
„Die Sozialisten sind mir fast
Als wie der Teufel selbst verhaßt,
Drum duld' die Existenz ich nie
Der Sozialdemokratie.
„Und wer sie fördert, wer sie pflegt —
Vernichtung ihm, wo er sich regt!
Den Sozialismus nicht allein.
Die Vorfrucht hack' ich kurz und klein.
„Den Sozialismus nährt wie nie
Die Ausbreitung der Industrie;
Drum darf bei Leibe nie, o nein,
Deutschland ein Industriestaat sein."

Neue Poesie.
Der Kauoueukönig Krupp ist unter die
Coupletdichter gegangen. Sein neuestes Couplet
lautet folgendermaßen:
„Wer so viele Schulden macht.
Läuft Gefahr, daß er verkracht!
Wie könnt' es denn anders sein?
Griechenland steht ganz allein!
Endlich allein! Holdrioh!"

Diese vortreffliche Poesie hat ihrem Verfasser
in den gebildeten Kreisen so viel Lorbeeren ge-
bracht, daß Herr von Stumm von Neid über
den Erfolg seines Nebenkönigs erfaßt wurde. Auch
er verlegte sich aufs Dichten und siche da, cs
kamen die herrlichen Verse zu Stande:

„Auf dem weißen runden Stein,
Surr, surr, surr.
Schleif' ich mir mein Mesferlein,
Surr, surr, surr.
Mit dem Messer muß ich trachten.
Surr, surr, surr,
Sozialisten abzuschlachten.
Surr, surr, surr!"
Diese tiefe poetische Empfindung begeisterte
auch den Freiherrn Heyl von Herrnsheim. Er
dichtete flugs:
„Der Märtyrer unsrer Zeiten, der ist
Der vielgeplagte Kapitalist,
Denn mit der Sozialgesetzgebung, o Graus,
Da beuten ihn seine Arbeiter aus!"
Auch Herr vr. Lieber mußte nothgedrungcn
jetzt etwas unternehmen und da schmiedete er
nachstehende Verse:

„Schon sah ich sie stattlich schwimmen einher.
Die neue Flotte auf wogendem Meer,
Doch als ich zugleich an die Kosten gedacht.
Da hat mich's mit einem Mal seekrank gemacht!"

Wir könnten noch eine Menge solcher Proben
zitiren. Doch lassen wir es mit den vorstehenden
genug sein. Sie beweisen aufs Neue, daß Besitz,
Geist uud Bildung ein unzertrennbares Ganzes
bilden. ___

Der Sprihenumntt.
In wasserdichte Mäntel hüllt,
Minister, nun Euch ein —
Es will der Bronsart von Schellendorf
In den deutschen Reichstag hinein.

Brief aus der Hölle.
(von unserm Spezialkorrespondenten.)


Bei den heutigen
Post - Verhältnissen
giebt es keine Ent-
fernungen mehr, und
es darf daher nicht
Wunder nehmen,
daß die griechische
Frage auch in der
Unterwelt (Hölle,
Hades oder Orkus
genannt) viel Staub
aufwirbelt.
DerPhilhellenis-
mus hat ja nirgends
besseren Boden, wie
hier, wo die ältesten

nnd berühmtesten Griechen ihren dauernden Wohn-

sitz aufgeschlagen haben. Fran Persephone, die Ge-
mahlin des Königs Pluto, liest die „Griechischen

Neuesten Nachrichten" und läßt alle Heldcnthaten,
die ans Athen und Kreta berichtet werden, per
Extrablatt verbreiten. Der alte Theseus, welcher
einst nach Kreta zog und dort den Minotauros
siegreich überwand, fühlte sich schon zu neuen
Heldcnthaten begeistert; er griff zum Schwerte und
hegte die ernste Absicht, auf die Oberwelt zu gehen
und das griechische Defizit gleich dem Minotauros
abzuschlachten. Allein Pluto gestattete das Aben-

teuer nicht, da die Hölle neutral bleiben soll, um
mit deu Großmächten nicht in Konflikt zu kommen,
denn mit deren Teufeleien kann unser alter Orkus
doch nicht konkurriren.
Auch Herkules, der einst die Augiasställe aus-
räumte, zeigt wieder Thatendurst. Er wäre gern
in die Türkei eingefallen, um die berühmte Reform-
 
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