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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0064

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2411

Lieber Jacob!

Bei uns in Berlin passirt jetzt alle Dage so viel Neiet, det ick Dir
doch ooch mal wieder schreiben muß. Det neilich in Rcichsdag jesagt
worden is, wir essen zu wenig Fleesch, det
meehte doch. Nu hättste blos den andern
Dag die Drängelei bei die Schlächter sehen
sollen, ick kann Dir sagen, Jacob, aus reiner
Niederträchtigkeit haben die Arbceter den letzten
Rock versetzt, bloß um det janze Fleesch weg-
zucsseu. Ick habe schon somat munkeln jehört,
dat se König Stumm zum Ehrenmitglied von
de Berliner Schlächter-Innung ernennen
woll'u. Aber da wird et wohl wieder erst zu
ecu Duell kommen, denn ooch die Bäcker woll'u
ihn haben.
Na, weeßte lieber Jacob, de armen Berliner Bäckermeestcr sollstc mal
scheu, die werden von Dag zu Dag dünuer. Denn det is et ja eben, mehr
Fleesch woll'u de Jesell'n essen, aber immer weniger arbeeten woll'u se.
Früher war det doch noch eene andere Zeit. Da war doch wenigstens noch
jeder Meester Herr in seinen eijcuen Hause. Aber heite sagt ecnfach der
Buudesrath, et derf blos noch zwölf Stunden den Dag über jearbeitet
werden, un de faulen Bäckerjesellcn sitzen — wie Mandeisfeln in Dresden
jauz richtig sagte — uff'n Backtrog un spielen Skat uu frei'n sich wie so'n
Pferdebahnaktiouär, wenn er seine Dividende insteckt. Weeßte, Jacob, so'n
Pferdebahnaktionär zu sind, mnß ja nich so ohne sind. Der steckt sein
Jeld in un macht denn den Majistrat noch seine Vorschläge un die Stadr-
väter schlagen nach.
Unsere Stadtväter sind doch zu jute Leute. Neilich haben se erst
wieder 160000 Märker zur Zentralfeier bewilligt. Een paar Stadtväter
wollten nischt jeden. Die kamen aber scheene an. Alle schrieen jleich:
Et is doch allens da, et is doch nich so wie bei arme Leite!
Lieber Jacob, nu eene Frage: bist Du „edel" oder „unfrei"?
Siehste, dct weeßte nu nich uu ick habe Dir doch immer form jebildeten
Menschen jehaltcn! Du jchörst jeiviß ooch zur Pest, die die Lust ver-
stänkert, womit ick verbleibe mit ville Irrige


Dein jetreuer
Jotthilf Naucke,
An'u Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

Hodelfpähne.


„Was ist des Deutschen Vaterland?"
Es wurzelt nicht im märk'schen Sand,
Auch kann der Adel nie allein
Des Deutschthums Hort und Führer sein,
So wenig, wie das Bürgerthum
Vertritt des deutschen Namens Ruhm —
Als stärkste Macht ernährt den Staat
Das deutsche Proletariat.
Man munkelt davon, daß der Wunsch irgendwo
bestehe, das Reichstagswahlrecht abzuschaffcn und
den Reichstag durch ein Konsortium von Ab-
geordneten aus den Einzellandtagen zn ersetzen.

Ich meine, es wäre noch praktischer, dazu ein Konsortium von
Aktionären verschiedener Waffenfabriken zu berufen, denn

dieses würde sicher am eifrigsten für die Verstärkung der Wehrkraft

eintreten.

Es kämpft für Ordnung und Religion
Der König Stumm, und für Altar und Thron,
Dennoch schlägt sich der König Stumm
Täglich mit den Pastoren herum.
Die Ausrottung der Sozialdemokraten beginnt. Zunächst
wurde allerdings nur jenes Gerichtserkenntniß ausgerottet, welches
die sozialdemokratischen Berliner Wahloereine unterdrückte.
Es starren Europas Mächte ! Sie wollen den Frieden Europas
In Waffenrüstung schwer; ! Beschirmen mit starker Hand,
Es sah eine solche Kriegsmacht ! Sofern diesen Wunsch nicht vereitelt
Die Erde nimmermehr. Das kleine Griechenland.

Der alte Bismarck wünscht noch immer ein neues Sozialistengesetz.
Er gönnt nämlich die Blamage, die er selbst sich auf diesem Gebiete zu-
gezogen hat, auch seinen Nachfolgern, deshalb will er sie zur Wieder-
holung seiner Thorheiten aufreizen.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.

frage in die Hand zu nehmen und die Stätten der
türkischen Bnreaukratie und Diplomatie gleich den
Augiasställen zu behandeln. Aber der Polizei-
direktor Cerberus ließ den alten Helden nicht
hinaus, weil er fürchtete, daß dessen Thaten von
den Großmächten als grober Unfug aufgefaßt
werden könnten.
Man giebt sich in der Hölle aber auch fried-
lichen Beschäftigungen hin. Im chemischen Labora-
torium ist man eifrig beschäftigt, ein Mittel zum
Färben der Margarine zu erfinden, welches allen
Anforderungen der deutschen Agrarier genügt.
Diese Bemühungen sind auch durchaus nicht
ohne Erfolg. Man hat neuerdings das Dimethyl-
amidoazobenzol erfunden und sofort an den
Minister v. Bötticher gesandt. Dieses Färbemil tel
hat einen diabolischen Charakter. Es verbirgt sich
unbemerkbar in dein zu verfälschenden Nahrungs-
mittel, der ahnungslose Konsument schluckt es hin-
unter und vergiftet sich ganz anonym.
Aber den Agrariern in Deutschland ist auch
dieses Mittel noch nicht schneidig genug; es stinkt
nämlich nicht, wie das famose Teufelszeug, welches
Zur Denaturirung des Spiritus verwendet wird.
Es soll jeder Ortsgendarm schon von Weitem
nechcn können, ob nicht etwa ein kleiner Krämer
e r! r- Vn'kauf von Margarine die Landwirth-
si,aft geschädigt hat. Die höllischen Nahrungs-
nnttctverfälscher sind daher beflissen, ein Stink-
putver zur Beimischung für die Margarine zu
erfinden; wer einmal daran gerochen hat, ißt
seiner Lebtag keine Margarine wieder. Damit
wird Herr Kanitz wohl endlich zufrieden sein.
Ein höllisches Gelächter hat die ganze Unter-
welt erschüttert, alv man las, daß die Schwarzen
in Deutschland wieder eine lex Heinze einbringen,
um durch Unterdrückung von Kunst, Literatur,
Theater rc. die öffentliche Sittlichkeit zu heben

und die geheime Unsittlichkeit zu fördern. Das
ist eine schwarze That, die dem dümmsten Teufel
Anerkennung abnöthigt. Es soll daher dem Ab-
geordneten vr. Lieber der schwarze Pferdefuß am
schwefelgelben Bande verliehen werden.
Weniger erfreut ist man hier über die alte
Raketcnkiste, welche unermüdlich nach einem neuen
Sozialistengesetz schreit. Immer dieselben, längst
abgedroschenen Teufeleien wiederholen, ist lang-
weilig; man muß etwas Neues bringen, sonst
hört der Teufel auf, aktuell zu sein und kommt
aus der Mode. Es wird daher doch nichts anderes
übrig bleiben, als daß Höllen-Ober sich eines
schönen Tages seine dauerhaftesten Lederhandschuhe
anzicht und die Raketcnkiste in die Hölle herunter-
holt. Man kann sie ja hier noch immer bei An-
stiftung von Verfassungs-Eidbrüchen, Bruderkriegen
und ähnlichen schönen Beschäftigungen verwenden.
Doch ich muß schließen, denn die Flammen-
zeichen der Hölle enthüllen sich soeben und ver-
künden, daß der neue Lethe-Salvator augezapft
wird. Man braut nämlich jetzt den Trank des
Vergessens als Lethe-Bock, Lethe-Salvator und
Märzen-Lethe, und es entwickelt sich ein lustiges
Zechgelage, bei welchem die armen Teufel in der
Hölle ihr Erdenlcid vergessen. Doch plaudere das
ja nicht auf der Erde aus, lieber Jacob, sonst
geht das ganze Philisterthum zum Teufel.
Dein Mephistopheles.
Preussisches.
A. : Was ist eigentlich dem Abgeordneten Hahn
im preußischen Abgeordnetenhaus«: eingefallen, daß
er bei der Etatsberathung eine Radau rede
gegen die Sozialdemokratie hielt?
B. : Er wollte die Meinung widerlegen, als
ob in dem preußischen Landtage kein Hahn
nach der Sozialdemokratie krähe.


Der Sang an de Best.
ööerrjemerschnee, da grauscht een ja die tzaudl
Das is zuviel des nehgadiefen Legens!
Gaum is ee Lchreck Hallwege nur verdaud,
Is schon ä zweeder Bobans underwegens.
Lchon Greda gab beinahe mir den Rest
Un liegd mer. schwer wie Blei in allen Gnochen;
Ru gommd ooch noch die egelhasdge Best,
Das schwarze Lcheisal, uff uns losgegrochen!
's is ä Malehr schon, wenn de Ochsen schdärm
In Ufriga; das liest mer ja jetzd immer;
Doch wenn de Leide dausendweis verdärm.
Das is doch jedenfalls bedeidend schlimmer.
Loll gans Liroba uff un undern Hund
De schneede Best, das Ungeheier, bringen?
Ree, schließen mir an großen Männerbund —
Dann warn mersch mit versenden Gräfden zwingen!
wenn dieser Gams fer de Guldur begann.
Der neie große Greizzug aller Frommen,
Da schdelld nich bloß der Adel seinen Mann,
Da is uns ooch der ärmste Gnechd willkommen,
vergessen is dann jeder gleene Zwist,
In Reih un Glied sein mir nur eene Drubbe,
Un ob de edel, ob de nnfrei bist —
Im Angesichd der Best is uns das schnubbe!

Durch unsere Expedition ist zu beziehen: Wahlgesetz für den Deutschen Neichskag nebst Aeglement zur Ausführung des Wahlgesetzes. Mit Anhang: Programm
der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Preis pro 100 Exemplare Mk. 2.—, pro moo Exemplare Mk. 15.—
 
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