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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0073

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2419

Weltkrieg.

Äin Pulverfaß ist heut' die Welt,
Der Deckel aufgeschlagen.
Und wann hinein der Funke fällt,
wer kann das ahnen und sagen?
Der Funken fliegen rings so viel.
Daß Niemand mag sie zählen;
Ls kann bei diesem tollen Spiel
Der große Urach nicht fehlen.
Wild lodert auf des Brandes Gluth,
Millionen feuriger Zungen,
Die Menschheit badet sich in Blut
Und doch wird der Brand nicht bezwungen.

Und all die menschliche Uultur
verzehrt die Flamme, die rasche.
Von allem Schönen bleibt uns nur
Lin trauriger Haufen Asche.
Die alten Reiche stürzen ein
Und neue werden erstehen,
Uein Beten und kein Hurrahschrei'n
Hilft dem Geschick entgehen.
Und was uns wird beschert am Lnd',
Hat es den Reiz der Neuheit?
Ist's nur ein Säbelregiment,
Oder kommt endlich die Freiheit?

Nacht- und Ordnungswächter.
Nachtwächter (einen betrunkenen Studenten im Rinnstein findend): Es ist
geradezu abscheulich, wie die studentische Jugend ihren Verstand versäuft!
Student (drohend): Sie, Männecken, nehmen Sie sich in Acht, ick
leid' es nich, daß Sie so im Deutschen Reiche herumnörgeln.
Unter Patrioten.
Prenße: Habt Jhr's gelesen in der „Kreuzzeitung": Nur die Preußen
hätten eigentlich das Recht gehabt, die Zentenarfeier Wilhelms I. zu
begehen!
Sachse: Nu nee, härusc, das wär sie noch scheener! Mir Sachsen
Ham anno Sechsunsechzig de Briegel gekriegd, da wär' mer doch
wohl ooch bei der Jubelfeier derbei sein derfen!

Unser erst
Aluge Leute sagten's lange
„Die Sozialdemokratie
Mausert sich je mehr und mehr." —
Ietzt ist sie regierungsfähig
And hoffähig, merkt ihr's nun? —
welche wunderbare Runde!
Lin Genosse ward Minister,
's ist Genosse Lrnst in Zürich.
Doch er ist vom Volk gewählt.
Und er ist und bleibt ein Volksmann,
Braucht kein glänzend Ordensband,

r Minister.
j Reinen Adel, keine Ahnen,
Ia, nicht 'mal den Leutnantsdegen,
wie in Preußen Herr von Scholz;
wird auch ferner für des Volkes
Recht und Freiheit muthig kämpfen
Und für wahres Menschenthum,
Das wir für die Zukunft wollen.
Darum kann es uns schon recht sein.
Daß ein Sozialist Minister
Dort im Schweizer Volk geworden.
Und wir rufen: Vivat segnens!

HobelsMhne.

Ihr sollt nicht sorgen und klagen,
Daß Militärlast drückt,
Denn lastet sie auch auf dem Bürger,
Den Krupp sie reich beglückt.
Und wenn ihr über die Kosten
Gewaltig euch erbost —
Bedenkt, der Krupp macht Geschäfte,
Das sei euch ein süßer Trost.
Nachdem Admiral Hollmann der Reichstags-
Kommission seine berühmte Denkschrift über
den Flottenbauplan überreicht hatte, beschloß der
Reichstag, ihm ein Gegengeschenk zu geben in
der Gestalt eines — Denkzettels.
Es gab ein seltenes Schauspiel,
Das schier unglaublich schon.
Das Zentrum mit Herrn Lieber
Verharrte in Opposition.
Die Zentenarfeier wird auch uns etivas bringen, hofften die Spitz-
buben in den preußischen Gefängnissen; leider wurde nur Herr von Kotze
begnadigt. * . '
Die alten Apostel der Inquisition,
Die jauchzen vor Freude im Grabe schon.
Weil nunmehr in den spanischen Landen
Ist wiederum die Tortur entstanden.
Vor ein paar Tagen steht auf der Schloßfreiheit in Berlin ein
Scherenschleifer und schleift ein großes Messer, wobei er wie besessen
schreit: „Es muß noch viel schärfer werden." Ein Schutzmann fragt ihn,
warum er denn so brüllt, worauf der Scheereuschleifer antwortet: „Ich
bin ja stumm und brauche einen neuen Schleifstein." Der Schutzmann
merkte den Braten und fuhr mit dem stummen Schreier nach Dalldorf.
Er muß von dort aber durchgebrannt sein, da er seinen Unfug am Königs-
platz jetzt ungehindert weiter treibt. Jh, treuer Säge, Schreiner.


Der Dreibund.
Die als der Staatskunst höchstes Meisterstück
Den stolzen Dreibund lärmend angepricsen,
Die hatten bei den Arbeitern kein Glück,
Hier wurden sie mit Lächeln abgewiesen;
Und gab man sich auch Mühe noch so viel.
Die dreifach starke Kriegsmacht auszumalen,
Hier imponirte nicht das Waffcnspiel
Und nicht der Heere ungeheure Zahlen.
Drum singt man denn sein Lob in anderm Ton:
Der Dreibund soll Europas Frieden schützen!
Das klingt den Arbeitern wie blut'ger Hohn,
Wie kann dazu der Rüstungs-Wettlauf nützen?
Und wär' es wahr selbst, daß das droh'nde Schwert
Allein den Frieden sicher uns verbürgte:
Was wäre denn der Eiseufriede werth,
Wenn er die Völker nach und nach erwürgte? —
Doch jetzt steht wahrhaft groß der Dreibund da,
Den niemals wir so hoch erheben mochten,
Da an der Donau, an der Adria
Zugleich der schwere Wahlkampf ausgefochten.
Verlegenheit nur konnte in die Hand
Den großen Herrn das gleiche Mittel drücken.
Und der Erfolg? — Daß alle Welt erkannt
Des Sozialismus mächtig Vorwärtsrücken.
Nun jubeln wir mit Stolz dem Dreibund zu.
Im Bund der Völker wird die Macht erstehen,
Die Haß und Krieg auf ewig bringt zur Ruh',
Die Friede» schafft und Glück und Wohlergehen.
In solchem Bündniß lischt der Gegensatz
Für immer aus der Rassen und der Staaten.
Ja, solch ein Dreibund ist ein wahrer Schatz!
Gefällt er Euch, Ihr Herren Diplomaten? - -
Neues Sprichwort.
Einen rechten Kerl lehrt die Noth nicht beten,
sondern handeln.

Seltener Fund.
In der Nähe von Dresden wurden die Ueber-
reste zweier Mammute gefunden. Der Fund
erregt auch in politischen Kreisen Interesse, denn
man hat die beiden vorsintfluthlichen Thiere im
Verdacht, daß sie an der sächsischen Vereins-
gesetzgebung mitgewirkt hätten.

Gegen die Margarine.
Agrarier: Der Margarine haben wir endlich
den Garaus gemacht. Jedes Faß derselben muß
mit einem rothen Streifen versehen sein.
Konservativer: Ich verstehe — und dann
konfiszirt man das Faß wegen seines republi-
kanischen Abzeichens.

Begreiflich.
Max: Die „HamburgerNachrichten" schimpfen
wieder recht aus die Sozialdemokraten. Was mag
denn da schuld sein?
Moritz: Ach, der eiserne Kanzler ist wahr-
scheinlich frisch cingeölt worden.

Den Reichsboten.
Fehlt's Euch an Geld, so wißt Ihr jetzt, was thun;
O lasset die Diätenfrage ruh»!
Viel lieber sollt Ihr stracks zur Börse laufen
Und Aktien Euch von Laurahütte kaufen;
Ich glaube dieser Rath ist wohl angängig,
Ihr werdet dann, wie Kardorff, „unabhängig".
Die Lösung der Flottenfrage.
A. : Wenn der Reichstag die Schlachtflotte
verweigert, dann baut Herr Krupp sie auf seine
Kosten —
B. : Und dann?
A.: Und dann droht er sie den Franzosen zu
schenken, worauf der Reichstag Alles bewilligen
wird, was man von ihm verlangt.


Ulles, Alles ward' ich mir gedrauen
Als geduld'ges Männchen zu verdauen,
Alenn verleichd ooch nur und Ach un Aleh;
Alles, Alles würd' ich mich bequemen,
Mißde's sin, gelassen hinzunehmen,
Doch'n ehrschden Mai — nee, heernse, nee!
Sanfde bin ich, friedlich von Gemiede,
Doch das Word, das schlägd mir ins Gebliede,
Gifd un Galle wer' ich, ei herrjeh!
Unsereener gann sich mid Vergniegen
Goch in Aliederwärdiggeeden siegen.
Doch in ehrschden Mai — nee, heernse, nee!
Alenn ich frieh mir meine Feise schdobbe,
Alenn ich Ahmds mei Dobbelgebbchen globbe,
Alenn ums Dohr ich mid der Alden geh',
Alemmer dischguriern beim Gasfeedobbe,
Schdreibd sich jedes Haar mir uffen Gobbe
Iwwern ehrschden Mai. Nee, heernse, nee!
Schneller dreim se uns un immer schneller
An den Rand des Abgrunds, de Rebeller,
Denn se worden ibbig beh a beh.
Manches, Manches Hammer schleichen lassen,
Awwer nu, nu wollnse dorch de Gassen
Ziehn am ehrschden Mai? Nee, heernse, nee!
Lehnse, heernse, so was is zu dolle!
So was bringd een eesach in de Alolle,
Denn es gehd ja iwwern grienen Glee!
Breiß sch zu wärn, mir ging' es an de Nieren,
Doch vermechd ich's schließlich auszusiehren,
Awwer'n ehrschden Mai — nee, heernse, nee!


Soeben gelangt zur Ausgabe Heft i der Geschichte der Deutschen Soriatdemvkratie von Franz Mehring.
 
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