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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0113

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mit dem im Nordwesten gelegenen Epirus unter
dem Namen Achaja eine eigene römische Provinz.
Aber nur das politische Griechenland war
vernichtet, der griechische Geist Hatto fast die
ganze alte Kulturwelt erobert. Rom und neben
ihm das von Alexander dem Großen an der
ägyptischen Küste des Mittelländischen Meeres
gegründete Alexandria waren jetzt die Haupt-
städte griechischer Kunst und Wissenschaft.
Während Griechenland politisch und kommer-
ziell verkam, war Griechisch die Weltsprache
aller Schriftkundigen, ja die internationale Ver-
kehrssprache der alten Welt geworden.
Die Durchsetzung der ganzen Kulturwelt
jener Zeit mit hellenischer Bildung hat sehr viel
zum Entstehen und das Meiste zur dogmatischen
Ausbildung jener Religion beigetragen, die
jetzt das Glanbensbekenntniß einer weltumspan-
nenden neuen Zivilisation werden sollte: näm-
lich des Christenthums. Sein erster bedeu-
tender Apostel, Paulus, war in hellenischer
Umgebung aufgewachsen, in griechischer Sprache
sind die Schriften des neuen Testaments, die
Werke der älteren Kirchenväter geschrieben, die
große Zahl der ersten Christengemeinden waren
griechisch, noch heute tragen die Aemter der
christlichen Religionsgenossenschaften griechische
Namen, und griechisch ist der Name des Stif-
ters der Religion selbst: Jesus ist griechische
Aussprache für „Joschuah", Christos rein grie-
chische Bezeichnung für „der Gesalbte". Was
das Christenthum der Welt geleistet — und daß
es ein großer Hebel der Zivilisation war, wird
Niemand bestreiten — daran hat das griechische
Geistesleben einen hervorragenden Antheil.
3. VManx und dir Völkerwanderung.
Eine der frühesten griechischen Kolonien war
das um das Jahr 659 vor unserer Zeitrechnung
an der Meerenge, die die Einfahrt ins Schwarze
Meer bildet, von Doriern gegründete Byzanz
das sich bald zu einem bedeutenden Handels-
plätze entwickelt hatte. Sein Reichthum wuchs,
je mehr sich der Verkehr der westlichen Welt
mit den Uferstädten des Schwarzen Meeres und
ihrem Hinterlande hob. Athen und Sparta, die
persischen, die makedonischen und später die
römischen Welteroberer erkannten alle seine
handelspolitische und strategische Bedeutung,
und harte Kämpfe wurden zn verschiedenen
Zeiten um seinen Besitz geführt. Endlich ward
es von Konstantin dem Großen im Jahre 380
unserer Zeitrechnung zur Hauptstadt des römi-
schen Reiches ernannt, und führt von da an den
zweiten Namen Konstantinopel — die Stadt des
Konstantin. So sehr hatte sich der Schwerpunkt
des römischen Reiches nach Nordosten ver-
schoben, daß es für die römischen Kaiser immer
unbequemer geworden war, ihre Residenz in
Rom aufzuschlagen, wie übrigens auch wieder-
holt schon Söhne des Ostens den römischen
Jmperatorenthron bestiegen hatten. Mit der
395 erfolgenden Trennung des römischen Reiches
in ein weströmisches und oströmisches Reich wird
Byzanz-Konstantinopel Hauptstadt des letzteren,
das später meist nur das byzantinische oder
griechische genannt wird.
Im dritten Jahrhundert wird die Balkan-
halbinsel wiederholt von gothischen Zügen heim-
gesucht, die bis nach Athen mordend und zer-
störend vordringen. Dann tritt dank der Maß-
nahmen des Kaisers Aurelian eine hundert Jahre
dauernde Ruhepause ein. Wie aber im vierten
Jahrhundert die Hunnen über Europa her-
fallen, da folgt ein verwüstender Einbruch auf
den anderen. Alarich und seine Westgothen,
Attila und seine Hunnen, Genserich und seine
Vandalen — keiner ließ es sich entgehen, die
Balkanhalbinsel Heimzusuchen und zu brand-
schatzen, und welchen Theil der Eine nicht ab-
gegrast, den verwüstete der Andere. Im Süden

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blieben damals nicht allzuviele der Eindring-
linge zurück, aber im Norden findet fortgesetzte
Verschiebung und Vermischung der Völker-
schaften statt. In Mösia setzen sich von Nord-
osten her vordringende slavische Stämme fest,
die im sechsten Jahrhundert von dem tatari-
schen Volk der Bulgaren unterworfen werden.
Bald darauf machen diese, die in der Folge
Sprache und Lebensweisen der Slaven an-
nehmen und ein slavisch-bulgarisches Reich
gründen, einen verheerenden Plünderungszug
durch Makedonien und ganz Nordgriechenland,
dem später noch verschiedene slavische Wan-
derungszüge folgen. Im achten Jahrhundert
wird Griechenland von der Pest verwüstet und
bald darauf von Neuem von Slaven über-
fluthet, die ganze Landstriche besetzen und nach
ihrer Weise Niederlassungen gründen. Und
doch hat sich das griechische Volk trotz all' der
Schlüge soviel Lebenskraft erhalten und soviel
kulturelle Ueberlegenheit bewahrt, daß es diese
Einwanderer in wenigen Generationen sich
assimilirt und im neunten Jahrhundert kräftig
genug ist, den jetzt von Südosten her vor-
rückenden muhamedanischen Arabern wiederholt
Niederlagen beizubringen, die ihnen das Be-
setzen der griechischen Küstenstädte verleideten.
Im Jahre 961 wird denselben unter dem
byzantinischen Kaiser Romanos II. durch den
tapferen Nikephoros Phokas die seit 823 besetzte
und in ein Seeräubernest verwandelte Insel
Kreta wieder entrissen und der griechische See-
handel kann sich wieder freier entfalten. Aber
dafür haben die Griechen das ganze zehnte Jahr-
hundert hindurch von bulgarischen Räuberzügen
zu leiden, die erst ein Ende nehmen, nachdem
es 1019 Basil II. gelungen ist, die Bulgaren in
mehreren Schlachten total zu werfen und das
bulgarische Reich dem griechischen Kaiserthum
zu unterwerfen.
4. Die Arrnrsatzrer khun Voraebrik für dir Türken.
Im elften und zwölften Jahrhundert sind
es die Normannenherzöge, die Griechenland
nicht zur Ruhe kommen lassen und wiederholt
von der Küste von Epiros her plündernd als
Eroberer vordringen. Ihnen folgen die fränki-
schen Ritter, die als Kreuzfahrer nach dem
Orient ziehen, aber bald den Christen des ost-
römischen Reiches gefährlicher werden wie den
Muhamedanern. Es waren die „Ritter des
heiligen Kreuzes", die auf dem vierten, vom
römischen Papst Jnnocenz III. veranstalteten
Kreuzzug das byzantinische Reich in Trümmer
schlugen und Byzanz kunstgerecht — d. h. van-
dalisch — ausplünderten. An die Stelle des
griechischen trat unter Balduin von Flandern
ein „lateinisches" Kaiserthum, dem aber nur
ein Theil des ersteren belassen wurde. Den
größeren Theil der Balkanhnlbinsel nahmen
Bonifacius von Montserrat und Gottfried von
Villehardouin in Besitz, allerdings nicht ohne
hartnäckigen Widerstand von Seiten der Griechen
und Slaven zu begegnen. Andere Theile, nament-
lich die griechischen Inseln, rissen die Venezianer
an sich, und in Athen setzten sich die Grafen
von Brienne fest, an deren Stelle später die
Herzöge von Sizilien traten. Natürlich hatten
diese neuen Besitzer allerhand Kriege nach
Außen hin oder auch unter einander zu führen,
und fo war das Endergebniß des glorreichen
Kreuzzuges gerade das Gegentheil dessen, was
als feine Aufgabe ausposaunt worden war:
statt dem Islam in Vorderasien und Aegypten
den Boden zu entziehen, ward der Boden des
östlichen Europa für sein siegreiches Vordringen
hergerichtet. Solange Hatto das byzantinische
Kaiserreich, das gleich den Griechen von den
Historikern über Gebühr angeschwärzt worden
ist, immer wieder den barbarischen Völkern zu
wehren gewußt, jetzt erst sollten die Urstätten

l der abendländischen Kultur muhamedanischen Er-
oberern als Beute anheimfallen, und zwar Muha-
medanern, die auf einer viel tieferen Kulturstufe
standen als die arabisch-ägyptischen Kalifen.
Schon um das Jahr 1000 war ein Theil
der in Türkistan (Jnnerasien) heimischen turani-
schen Nomadenstämme, die den Islam an-
genommen hatten, nach Vorderasien gezogen,
wo sie u. A. das nach der Dynastie ihres
Führers Seldschuk betitelte Reich der seldschnki-
schen Türken gründeten. Anfang des drei-
zehnten Jahrhunderts folgten ihnen die Mehr-
heit ihrer Stannnesgenossen unter Suleiman I.,
um dem Schwert der unter Dschingis Khan vor-
dringenden Mongolen zu entgehen. Sie rücken
immer mehr nach Westen vor, und fangen
gegen Ende des Jahrhunderts an, das 1261
von Michael Paläologos theilweise wiederher-
gestellte byzantinische Kaiserthum von Osten
her zu bedrängen. Im Norden von Bulgaren
und ihren benachbarten Slaven, den Serben,
bedroht, im Süden die fränkischen Herrscher zu
Feinden, im Innern durch dynastische Jn-
triguen und Parteihader zerrissen, seiner Han-
delsverbindungen durch die Genueser und Vene-
zianer beraubt, vermochte es den Türken nur
schwachen Widerstand entgegen zu setzen. So
gelingt es Suleimans Enkel, Osman I., nach
dem die türkische Dynastie und das Türkenvolk
selbst später Osmanli oder Osmanen (auch
Ottomanen) genannt werden, den Griechen in
Kleinasien wichtige Gebietsstrecken abzunehmen.
Osmans Sohn Urchan (Orkhan) erobert die
mächtige kleinasiatische Stadt Brussa und dringt
bis ans Marmarameer vor, unterwirft die
seldschukischen Stammesfürsten und schafft 1326
in den Janitscharen eine Spezialtruppe, die
Jahrhunderte hindurch der Schrecken aller
Türkengegner werden sollte. Dieses, unter
Urchans Sohn Murad systematisch organisirte
Berufsheer bestand ursprünglich im Wesent-
lichen aus kriegsgefangenen jungen Christen,
die man in einem fanatischen Christenhaß er-
zog, und erhielt nach und nach allerhand Privi-
legien cingeräumt, die es zn einer verschlim-
merten Auflage der römischen Prätorianer
machte. Krieg war der Lebensberuf der Jani-
tscharen, für ihn wurden sie von Jugend auf
erzogen, als ein eigener Stand, der nur mit
Verachtung auf die übrige Bevölkerung blickte
und im Krieg kein Mitleid zeigte. Bis Ende
des siebzehnten Jahrhunderts war es ihnen
vorgeschrieben, nicht zu heirathen, was sie zu
den ärgsten Greuelthaten geneigt machte, zu
wahren Bluthunden in Menschengestalt.
Noch unter Urchan wird von Türken Galli-
poli besetzt, also schon europäischer Boden.
Sein Sohn Murad I. eroberte Thrakien und
machte sich Serbien und Bulgarien tribut-
pflichtig. Murads Sohn Bajasid I. vollendet
die Unterwerfung Bulgariens, erobert Make-
donien und Thessalien, dringt bis ins eigent-
liche Hellas vor, und wird nur durch die vom
griechischen Kaiser angerufenen Mongolen, die
unter Timur Tamerlenk in gewaltiger Zahl
zerstörend in das türkische Gebiet einfallen,
daran verhindert, Konstantinopel zu stürmen.
Von den blutigen Schlägen, die ihnen die Hor-
den Timurs beigebracht, erholen sich die Türken
ziemlich schnell, werden aller sich gegen ihre
Herrschaft wendenden Aufstände Herr, und am
29. Mai 1453 ziehen sie als Sieger in Kon-
stantinopel ein, das ihnen bis heute verblieben
ist. 1456 erobern sie den südlichsten Theil
Griechenlands, den seit den slavischen Ein-
wanderungen Morea genannten Peloponnes.
Nachdem noch 1478 das unbändige Volk der
Albanesen, ein illyrischer, von den Türken als
Arnauten bezeichneter Volksstamm, nach helden-
haften Kämpfen dem türkischen Reiche ein-
verleibt worden, ist die ganze Balkanhalbinsel
 
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