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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0148

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Unfern Junkern.

ist es recht! Laßt nur die Maske fallen,
Schlagt ins Gesicht mit Absicht die Nation
Und laßt im winde frank und freudig wallen
Die schwarze Flagge krasser Reaktion!
werft über Bord, was euch beengt und hindert,
was Bismarcks vollen Segen nicht besaß!
Unabgeschwächt, durch keine Scheu gemindert
Sei aufgeführt -er grobe Junkerspaß!
Ihr müßt's so toll als immer möglich treiben,
Bis Michels Kopf sich wie ein Mühlrad dreht;
Ls darf kein Schatten eines Zweifels bleiben,
wie ihr den allerneusten Rurs versteht;
Und eures Herzens wahrste, letzte Meinung,
Die Halt nicht machen mag bei König Stumm,
Sie trete riesengroß in die Erscheinung,
phantastisch-klotzig und brutal und dumm!
Durch -en Instinkt, zu plündern und zu rauben,
Zerstört ihr auch das letzte bischen Schein;
Ihr macht vernehmlich euch sogar -en Tauben,
Ihr werdet sichtbar selbst den Blinden sein,

Und was noch fühlen kann in deutschen Landen,
was nicht die würde rettungslos verlor,
Das macht -er Junker Stegreifritt zu Schanden
Und schlägt dem Plebs die Flegel um das Ohr.
Nur zu! Ihr werdet einen Sturm entfesseln,
Bei dem selbst euch die Lust zum Scherz vergeht,
Der euch hinab von den Ministersesseln
wie abgenutzte Flederwische weht,
Der ihres Volks und ihrer Zeit Verächter
Mit einem Rucke in die Winkel schiebt
Und der sie preis homerischem Gelächter
Aus allen Ecken von Europa giebt.
Nicht mehr das Volk, nur euch könnt ihr vernichten
Und sichrer Sturz beendet euren Lauf;
Ihr wühlt die tiefsten, wühlt die trägsten Schichten
Des zahmsten Volkes zur Entrüstung auf.
Die Junkerveste stürmt man frisch und munter
Mit Trommelschlag und mit Fanfarenton,
Die Flagge aber holen wir herunter,
Die schwarze Flagge krasser Reaktion!

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.
Lieder eines Sklaven. (Jllustrirt.) — Des Wanderburschen
Freud und Leid. H. (Jllustrirt.) — Fischer am Traunsee.
(Illustration.) — Finanzpolitische Exkursionen. Von unserem
eigenen Mark Twain. — Vom Kasernenhof. Gedicht. (Jllu-
strirt.) — Nützlicher Posten. (Jllustrirt.) — Der Staatsanwalt-
Gedicht. — Auch ein Geschäft. (Jllustrirt.) — Bessere Leut'.
(Jllustrirt.) — Verbrecher-Kolonien. Scherzfrage. — Ver-
schiedene Auffassungen von der „griechischen Jungfrau mit
Lampe". (Jllustrirt.) — Neues vom Büchermarkt. — Anzeigen.

Die Ordnung.
Äeil'ge Vrdnung heißt das Banner
Jeder weisen Staatsverwaltung,
In der Vrdnung Namen fechten
Die Partei'» der Staatserhaltung.
Diesem Kleinod gilt ihr Streben, —
Alles drängt sich, es zu schützen,
Spitzel horchen hinter Thüren,
Und die Pickelhauben blitzen.
Uns erfaßt ein tiefes Krauen,
wenn wir diese „Vrdnung" sehen!
Alles drunter oder drüber
Lehn wir toll im Wirrwarr gehen.
Kestern herrschten Tausch und Lützow,
Heut' Laarabiens Potentaten,
Morgen Müller oder Schulze,
Keine Seele kann's errathen.
Ja, die Vrdnung! Lifrig baut sie
Kirche» auf zu Lottes Lhre,
Aber mit noch größ'rem Lifer
Schafft sie neue Mordgewehre.
Kestern hat dem "Recht des Volkes
feierlich sie Schutz versprochen.
Heute wird in Preußens Landtag
Die Verfassung keck durchbrochen.
Lure Vrdnung, staatsstreichlüstern,
Baut auf Flinte und auf Säbel,
Und dem freien Worte wollt ihr
Lperr'n den Mund mit einem Knebel.
Unsre Vrdnung ist die wahre.
Und sie trotzet Sturm und Wettern;
Luer Fahrzeug, blitzumlohet.
Wird an diesem Fels zerschmettern.
m. rc.

Der Keichspoftwagen.
Die Reichspost wollt' nicht vorwärts gehn,
Sie blieb zuletzt schon gänzlich stehn,
Verpufft mar Stephans Energie.
Hotte, hotte hü!
Jetzt zur Verändrnng auf einmal
Kommt ein Husarcngcncral.
Sonst wär' die Reichspost ganz psrcku.
Hotte, hotte hü!
Nach vorwärts giebt cs einen Stoß,
Wie unklug saust der Wagen los!
Reformen giebt's nun wie noch nie.
Hotte, hotte hü!

Die militärische Post.
Es wurde von wahrhaft militärfrommen Ge-
müthern schon lange als ein großer Uebelstand
empfunden, daß unsere Postbeamten zwar die
Ehre haben, Uniformen zu tragen, daß sie aber
namentlich von: weiblichen Publikum nur als ein
militärisches Surrogat angesehen werden.
Das wird nun anders, denn an die Spitze
des Reichspostwescns wurde ein Husarengeneral
gestellt, der den Oberbefehl über alle Briefträger,
Postillone u. s. iv. bereits übernommen hat.
In den Postkascrnen wird künftig früh 5 Uhr
zum Appell geblasen; die Postsoldaten müssen
antretcn, und der Postkorporak rcvidirt, ob alle
Knöpfe blank geputzt und alle Uniformen tadellos
sind. Sollte sich dabei Herausstellen, daß z. B.
ein alter Landbriefträger mit blinden Knöpfen
oder schmutzigen Stiefeln erscheint, so wird er
zu acht Tagen strengen Arrestes verurtheilt und
sein Bestellbezirk bleibt einstweilen ohne Post-
beförderung.
Ist die Revision vorüber, dann werden einige
Stunden Kniebeuge, Stcchschritt und andere nütz-
liche Dinge geübt, und nm 8 Uhr ziehen die
Postsoldaten mit klingendem Spiele auf ihre
Posten.
Dem gewöhnlichen Zivilpublikum gegenüber
steht der militärische Briefträger im Range eines
Vorgesetzten und ist demgemäß zu respektiren.

Wenn Morgens der Briefträger kommt, hat die
ganze Familie sammt dem Dienstpersonal anzu-
treten und ihn in militärischer Haltung, Augen
rechts, zu empfangen. Der Stiefelputzer hat die
Bürste, die Amme den Säugling und die Haus-
magd gegebenen Falles das Nachtgeschirr zu präsen-
tiren. Der Briefträger schreitet die Front ab und
befiehlt den Hausherrn zur Stelle. Dieser hat zu
erscheinen, stramm zu stehen und über seine Be-
rechtigung zum Empfang von Postsendungen die
nöthigen Aufschlüsse zu geben. Fallen diese Auf-
schlüsse befriedigend aus, so wird ihm die für ihu
eingelaufene Postkarte ausgehändigt.
Will Jeniand einen Brief schreiben, um ihn
mit der Post befördern zu lassen, so hat er vor-
her die Genehmigung des Bezirksfeldwebels ein-
zuholen. Die Genehmigung wird verweigert, wenn
der Bittsteller einer mißliebigen Partei angehört,
eine oppositionelle Zeitung liest oder in dem Ver-
dachte steht, bei Gastwirthen zu verkehren, die ihre
Säle zu sozialdemokratischen Versammlungen her-
geben.
lieber Wahlkreise, in denen sozialdemokratische
Abgeordnete gewählt sind, wird die Bricfsperre
verhängt. Alle einlaufcnden Briefe werden dem
Postgcncral übergeben, und jeder Adressat, für
den eine ordnungswidrige Epistel cinläuft, hat
sich vor dem Kriegsgericht zu verantworten.
Zu Mauöverzeiten wird der Postdienst über-
haupt eingestellt. Das Publikum wird sich in
dieser Zeit ohne Post behelfen müssen, wie es
sich jetzt schon in solchem Falle ohne Militär-
musik behilft.
Ist die Post erst militarisirt, so kann man
auf diesem Wege fortschreiten und andere geeignete
Fächer, z.B. den Flaschenbierhandel, das Droschken-
wesen und die Kaminfegerei, ebenfalls nut einem
General an der Spitze militärisch organisircn.
Agrarisches.
A. : Warum ereiferten sich die preußischen
Junker im Herrenhause gar so sehr über die
Vereins gesetzvorlage?
B. : Sie haben entdeckt, daß dieselbe eigentlich
auf einen Kuhhandel hinausläuft.
 
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