Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0149

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2491

Blihdraht -Meldungen.
Berlin. Der Bundesrath hat an die Gastwirthszeitung eine An-
frage gerichtet, wer in der Regierung eigentlich Koch und Kellner sei?
Die demnächst erfolgende Antwort wird hoffentlich die politische Situation
klären.
— Die Interessenten der Getreide- und Produktenbörse sind nach
ihrer Verbannung aus den: Fcenpalast in das Asyl für Obdachlose
übcrgesicdelt.
München. Während der Anwesenheit des preußischen Polizcigenies
v. Tausch waren in den hiesigen Ministerien umfassende Vorsichtsmaß-
regeln getroffen für den Fall, daß es dem Tausch ciufielc, eiuige bayerische
Minister zn stürzen. Die Gefahr ging jedoch glücklich vorüber.
Wien. In der nächsten Session des Reichsrathes soll das Raufen
im Sitzungssaale verboten und den Abgeordneten ein Extrasaal zur Ver-
fügung gestellt werden, worin sie unter Ausschluß der Öffentlichkeit sich
prügeln können.
Paris. Der Sand, den die Polizei dem Volke in die Augen
streut, wird jetzt häufig iu Kochtöpfeu gefunden, die man für Bomben
auSgiebt.

Sächsische Versammlungsfreiheit.

Der Gründe giebt es allerlei,
weshalb auflöst die Polizei.
Bald weil zu warm es ist im Saal,
Bald weil's zu kalt ist im Lokal.
Bald weil genügt die Beleuchtung nicht.
Bald weil zu hell und grell das Licht.
Bald weil zu voll des Saales Baum,
Bald wieder weil er voll ist kaum.
Bald weil ein Kenster offen ist.
Bald weil man frische Luft vermißt.

Bald weil zu rasch der Rede Kluß,
Bald weil zu langsam ihr Lrguß.
Bald weil sie trocken, bald weil sie witzig.
Bald weil der Redner erregt und hitzig.
Bald weil er beim Thema verweilt zu
lang.
Bald weil abschweift sein Gedankengang.
Und endlich, so schien's manchmal mir,
wenn dem Grdnungswächter nicht schmeckt
das Bier.

Hobelsgähne.


Gar wacklig mit der Reichsmaschin'
Jst's heutzutag bestellt.
Tagtäglich zu erwarten ist,
Daß ein Minister fällt.
Doch wer da geht und wer daun kommt?
Was schert mich diese Frag'!
Ich weiß das Eine ganz genau:
Es kommt nichts Bcss'res nach.
Zur Strafe dafür, daß Marschall sich in die
Öffentlichkeit flüchtete, wird er heim-
geschickt, uni im Dunkel des Privatlebens
zu verschwinden.

Nachdem ein General zum Leiter der Reichspost ernannt wurde,
dürfte es am Platze sein, daß im Interesse der Gleichberechtigung ein
Schustcrmeister das Amt des Kriegsministers erhält.
Der Recke hält noch immer fest
An dem Vereinsgesetzprojcktc,
Das anfangs Zorn, daun Spott und Hohn
Im ganzen deutschen Volk erweckte.

Er kämpft dafür, bis nächstens wohl
Er rühmlos auf dem Platz geblieben
So sehr kann ein Minister sich
In eine Mißgeburt verlieben.

„Meine große Nase hat ihren Beruf verfehlt", sagte Fürst

Ferdinand da konnte er dieselbe nicht iu die türkisch-griechischen Friedens-

verhandlungen hincinstecken.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Sommerstimmnng.
Ob der Friede bald geschlossen
Zwischen Hellas und Türkei,
Und wie hoch die Kriegseutschäd'gung,
Ist uns gänzlich einerlei.
Ob der Faure nach Rußland pilgert
Oder ob er bleibt zu Haus
Bei den Rohr- und Kochtopfbomben,
Dieses kommt auf eins heraus.
Ob der Tirpitz, wie der Hollmanu
Flottcnpläne hält bereit,
Ist dem Volke „Wurst" und „Schnuppe"
In der schönen Sommerszeit.
Selbst der Kanzler — ob er bleibet,
Ob das Amt er niedcrlegt,
Diese hochgewicht'ge Frage
Unsre Sinne nicht erregt.
Denn es lockt des Waldes Rauschen
Und es tönt der Vögel Sang,
Nnr hinaus, hinaus ins Freie!
Ruft der Menge heißer Drang.
Und die allgemeine Frage
Jnt'ressiret noch allein:
Ob es wird am Sonntag regnen
Oder schönes Wetter sein?
Aus England.
Die englischen Richter tragen noch eine Perücke.
Deshalb können sic auch nicht begreifen, daß sie
am härtesten Den strafen müssen, der Andere an
freiwilliger Arbeit hindert. In diesen Tagen ver-
handelte ein Londoner Gericht gegen einen Ge-
werkschaftler, der einen Streikbrecher eingeschüch-
tert hatte. Dabei sprach sich der Richter so aus:
Für die Gewerkschaftsmitglieder ist ein
Streikbrecher das, was ein Verräther für sein
Land ist, und obgleich Beide in beschwerlichen
Zeiten nützlich sein mögen für die eine Partei,
so sind sic doch verachtet von Allen, sobald der
Frieden zurückkehrt. Der Streikbrecher ist der
letzte, welcher einem Anderen Hilfe giebt, aber
der erste, welcher Hilfe verlangt; doch arbeitet
er niemals gesichert. Er nimmt nur auf sich
Rücksicht, aber er sieht nicht über den nächsten

Tag hinaus, jedoch für Geld und würdelose
Zubilligung wird er feine Freunde verratheu,
seine Familie und sein Land. Mit einem Wort,
er ist ein Verräther in kleinem Maßstabe, wel-
cher erst seine Kollegen verkauft, und nachher
wird er von seinem Arbeitgeber verkauft, bis
er zuletzt verachtet und verabscheut ist von beiden
Parteien; er ist ein Feind seiner selbst, der
Gegenwart und der kommenden Gesellschaft.

Sächsische Abrechnung.
S t r u m p f w i r k e r: Ich möchte meinen Wochen-
lohn haben.
Unternehmer: Sie bekommen Mk. 8,50.
Strumpfwirker: Jawohl.
Unternehmer: Davon geht ab für Ausschuß
Mk. 1,50, ferner für Petroleum Mk. 2,—, für
Benutzung der Lampen Mk. 1,50, für Aufenthalt
im Spciscraum Mk. 2.—, für zerbrochene Fenster-
scheiben Mk. 1,50, für Abnutzung der Bank
50 Pf. Macht zusammen Mk. 9,—. Also be-
komme ich 50 Pf. heraus.
Strumpfwirker: Aber, Herr, wovon soll
ich denn leben?
Unternehmer: Das müssen Sie wissen.
Meinen Sie, daß ich mit Schaden arbeiten will?
Schnitzel.
Die preußische Regierung handelte ganz korrekt, als sie
ihre zwei besten Redner entließ. Sie braucht überhaupt
keine Redner; der Hohenlohe spricht gewiß wenig, er kann
aber nicht einmal das Wenige halten, was er verspricht.
Daß die Schwarzen sich noch immer nicht von dem
Glauben andenTeufel lossagen können, ist kein Wunder,
Merkwürdig: Absolutismus heißt unbeschränkte Herr-
schaft, und doch ist der Absolutismus so beschränkt!
Der Umsturz geht mit Schrecken um
In Preußens Ministerium.
Zu Leibe ging er den Klebern —
Die Hoffnung winkt den Strebern.
Das Rufen der Wassergigerl nach dem Dreizack bedeutet
eine versteckte Huldigung für Bismarck. Man möchte an der
Spitze der Staatsleitnng wieder seine drei Haare sehen.
Die große Hitze hat den Klebe st off aufgelöst,
durch den Herr v. Bötticher an seinem Ministersessel fest-

Ein neues Privilegium.
Gendarm: Wie können Sie sich erlanben,
hier Flugblätter zn verbreiten?
Sozialdemokrat: Bitte, das thnc ich frei-
willig, und an freiwilliger Arbeit darf man
mich nicht hindern


Uff nischd uff Lrden harvrv' ich so'ne Bieke,
Rischd is so häßlich un derbei so dumm.
Als de Beschäfdgung mid der Bohledieke,
Denn die verderbd noch's ganse Buwligum.
Dasselwe meend ooch meine deire Rieke;
Die is sehr Helle un se nahm' mersch grumm
Un schberrde Lonndags mir de Gäsegeilchen,
Alolld' ich mich an der Bohlediek bedeil'gen.
Le meend ähm schdeds: „Un wärschde ooch gerissen —
In Bohlediek werd niemals nich gemischd;
Die ohm, die missens doch noch besser wissen
Un mid der Aliehlerei bezweckst de nischd.
In Maule quilld der ooch der beste Bissen
Un schließlich werschde ärgendwie erwischd.
Denn die de viel von Bohledieke schmusen.
Die genn se ohm uff geenen Hall vergnusen.
„De wärschd nodierd un frieher oder schbeder
tzolt sich de Gatze ooch de flinkste Maus,
Un eemal rudschste sicher mid der Keder,
Alenn nich, dann rudschste midden Maule aus.
Uff eene Urd un Aleise fängd sich jeder;
Denn schberrn se dich zunächst ins Schbritzenhaus;
Alenn de dich schdemmst, gommd's noch ämal so dicke
Un heidi! gehd's nach Alaldheem oder Zwicke."

Nachdruck sämmtlicher Artikel rc. verboten.
 
Annotationen