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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0156

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2498

Vom Kasernenhof.


Im Lrnst und Scherz Mancherlei,
Die Lieutenants, Premier- und Leconde-,
Und auch ein Aap'tän war dabei.
Da nahte, ihr Aörbchen im Arme,
Line Bäuerin mit rüstigem Fuß,
Sie mußte die Herren passiren.
Und that es mit höflichem Gruß.
„wohin so eilig denn, Frauchen?"
Hemmt Liner der Bauernfrau Schritt.
„Man bedarf zuvor der Lrlaubniß,
LH' man die Raserne betritt."
„„Ich will ja nur zu mei'm Michel"",
Spricht sie, und lacht vor sich hin,
„„Mein Michel kommt heut' noch in Urlaub,
Lr war lang genug jetzt Herrn.""

Die Herren, sie lachten belustigt
Wohl über das drollige Weib,
Nur Liner, noch naß von der Uriegsschul',
Dehnt dünkelhaft seinen Leib.
„Laß' Sie Ihren Michel nur dienen.
Daß der Bauer ihm mag vergeh'»;
Nichts Höheres giebt's als Soldat sein.
Das kann Sie an uns ja erseh'n."
Die Frau schaut die Herren bedächtig
Der Neihe nach einzeln sich an.
Sie mustert die bunten Gewänder,
Mit Anöpfen und Aierrath daran.
„„Ihr Herren"", sprach sie dann weislich,
„„wie Liner sä't, so ist seine Lrnt';
Ihr freilich — ihr müsset Soldat sein,
Ihr habt halt nichts Andres gelernt.

Mein Michel aber — potz Wetter! -
Mit dem sieht's ganz anders aus:
Mein Michel, das ist ja ein Schuster,
Drum kann man ihn brauchen zu Hans!"" x. N.

Nützlicher Posten.


Gigerl: Ach, schönes Fräulein, stelle mich ganz
zu Ihrer Verfügung — kann ich Ihnen irgendwie
nützlich sein?
Balletcuse: Mir nicht, aber meinem Onkel
vielleicht.
Gigerl: In wie fern?
Balleteuse: Er ist Obstbaumzüchter und braucht
öfter Vogelscheuchen.

Der Staatsanwalt.
Er kümmert sich eifrig um unser Wohl,
Er wacht über unsere Schritte,
Wo zwei oder drei beisammen sind,
Da ist er in unserer Mitte.
Er ladet zu Gaste für lange Zeit
Gar viele Parteigenossen,
Er nährt sie und schützt sie, er hält sie warm
In sicherer Haft umschlossen.

Fischer am Traunscr.
„Wem Gott will eine Gunst erweisen, den schickt er in
die weite Welt", so heißt's im Volkslied, und selten mag das
Sehnen des Volkes nach den Schönheiten der Erde einen
treffenderen Ausdruck gefunden haben. Während das Reisen
der oberen Zehntausend längst eine stehende Einrichtung ist,
fängt auch der sog. Mittelstand, der sich aus Kaufleuten,
Beamten, Industriellen rc. zusammensetzt, in neuerer Zeit das
Reisen an, wozu die billige Bahnbeförderung und die leichte
Unterkunft überall wesentlich beigetragen haben mögen. Nur
dem am schwersten schaffenden vierten Stand, dem Arbeiter-
stand, ist es immer noch nicht vergönnt, die Sommerfrische
zu genießen, die ihm gewiß schon aus rein gesundheitlichen
Rücksichten am Nöthigsten wäre, abgesehen von der Erfrischung
des Geistes, die damit verbunden ist. Aber auch diese Zeit
wird kommen, wo „der Gaul den Hafer bekommen wird, den
er verdient". Wo es den Arbeitern durch glückliche Umstände
ermöglicht ist, eine kurze sommerliche Ferienzeit zu genießen,
da sollten sie es auch nicht versäumen, u. A. dem Salzkammer-
gut einen Besuch abzustatten, dessen Berge und Seen das
Entzücken aller Naturfreunde Hervorrufen. Dabei möge er
denn auch einem der schönsten Erdenwinkel, dem Traun see,
einen Besuch abstatten. Unser Bild auf Seite 2497 zeigt uns
eine Idylle, wie sie bei den Fischern am See wohl noch hier

Finanzpolitische Exkursionen,
von unserm eigenen Mark Twain.
„Wenn Sie mühelos reich werden wollen,
dann müssen Sie an der Börse spekuliren."
So hatte mir Einer gesagt, der reich geworden
war, ohne sich körperlich oder geistig besonders
anzustrengen. Der Mann mußte es ja wissen.
Und ich wollte reich werden. Ich hatte es
sogar ziemlich eilig damit, denn für meinen letzten
Thaler hatte ich mir ein paar Glacehandschuhe
und ein Frühstück gekauft. Wo das Mittagessen
Herkommen sollte, das wußten wahrscheinlich nicht
einmal die sogenannten Götter.

Ich ging also an die Börse, um zu spekuliren.
Es wird an der Börse nicht ohne Weiteres
Jedermann Zutritt gestattet. Aber ich hatte zum
Glück einige Mahnbriefe hochangesehcner Gläu-
biger in der Tasche, deren Firmen auf den Kouverts
gedruckt standen. Diese Kouverts hielt ich den
Thürstehern, die mich anhaltcn wollten, mit der
Miene eines beleidigten Serenissimus entgegen.
Da prallten sie zurück und ließen mich passiren.
Ich mischte mich in das Gewimmel der Kapita-
listen und schaute nach dem vorräthigen Reich-
thum aus.
Aber davon war noch nichts zu entdecken. Es
traten allerdings verschiedene Leute an mich heran,
die mir ganz respektable Werthe anboten. Der
Eine sagte, er gäbe Laurahlltte zu 167 oder
Dynamit-Trust zu 190, ein Anderer versicherte
mir, er nehme Ostpreußischc Südbahn zu 94,75
und konvertirte Türken zu 21, ein Dritter war
so liebenswürdig, mir vierprozentige Griechen von
1889 zum Kurse von 23 lassen zn wollen. Ich
hatte aber weder die Ostpreußische Südbahn in
der Tasche, noch konnte und wollte ich Türken
und Griechen kaufen. Ich schüttelte also bei allen
Angeboten nur mein weises Haupt und beobachtete
ein bedeutungsvolles Schweigen.
Endlich heftete sich ein Börsenagent an meine
Fersen, der in meiner schweigsamen Haltung
irgend eine geheimnißvolle Börsenstrategie ver-
muthete, deren Motiven er auf den Grund kom-
men wollte. Mit der großen Bescheidenheit, die
solchen Leuten berufsmäßig eigen ist, verwickelte
er mich in ein finanzpolitisches Gespräch und
fragte mich über meine Absichten, meine Grund-
sätze, meine Güter, Wälder und sonstigen Liegen-

schaften, über mein mobiles Kapital und den
ganzen Reichthum meiner Familie gründlich aus.
Ich hatte keine Ursache, mit der Wahrheit
hinter dem Berge zu halten, sondern sagte dem
guten Manne, daß ich zwar die beste Absicht
hätte, reich zu werden, aber vorläufig gar nichts
besäße.
Er sah mich verwundert an; doch machte der
Ausdruck des Erstaunens in seinem Gesicht bald
einer hoffnungsfrohen Miene Platz.
„Habe ich recht verstanden — Sie besitzen
nichts, rein gar nichts?" fragte er in verbind-
lichstem Tone.
„Nichts."
„Jede Pfändung bei Ihnen würde also frucht-
los ausfallen?" fragte er weiter.
„So fruchtlos, wie schon manche frühere
Pfändung."
„O dann —" rief der Agent, welcher sich mir
als Fürchtegott Ganef vorgestellt hatte, erfreut
aus; er vollendete aber den Satz nicht, sondern
erging sich in Redensarten, — ich hätte ihm
gleich gefallen, ich schiene ihm für wcitgreifende
Unternehmungen der rechte Mann zu sein, er
wolle mich mit kapitalkräftigen Kreisen bekannt
machen u. s. w.
Ich schenkte diesen Redensarten wenig Be-
achtung, erkannte aber alsbald zu meinem Er-
staunen, daß es Herrn Ganef ernst damit war.
Er stellte mich zunächst zwei Herren vor —
dem Herrn Direktor Kohnreich und dem Herrn
Aufsichtsrathspräsidenten von Karstadt. Die-
selben nahmen anfangs wenig Notiz von mir,
aber nachdem der Agent eine Weile in seiner
lebhaften Weise halblaut auf sie eingeredet hatte,
 
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