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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0193

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2535

Die Pickelhaube.
Seit einiger Zeit erwerben sich eifrige Polizeibeamtc dadurch hervor-
ragende Verdienste um die Politik, daß sie mit ihrer schweren und ver-
antwortungsvollen Thätigkeit des Ucberwachens im rechten Augenblick ein
energisches Eingreifen in die Debatte zu verbinden wissen, wodurch dann
natürlich jedesmal der hitzige Redekainpf im Sinne der göttlichen Welt-
ordnung kurz entschieden wird.
Vor seinen Kollegen hervorgethan hat sich aber neulich auf diesem
aussichtsreichen Felde polizeilicher Thätigkeit ein Beamter in Rappclstädt.
Dort war der Redner einer öffentlichen, hauptsächlich von Arbeitern
besuchten Versammlung gerade dabei, die neuesten Flottenpläne scharf
zu kritischen, als der Ueberwachende aussprang und mit dröhnender
Kommandostimme rief: „Lauter Quatsch! Stillschweigen! Ich über-
wache die Versammlung mitsammt dem Vorsitzenden, denn ich bin der
Vorgesetzte des Vorsitzenden. Ich gebe mir das Wort. Es ist eine hohe
Ehre für Euch, wenn ich hier rede, stehe ich doch hier im Namen des
Königs. Der König ist der Staat, der Staat ist das Volk. Ich bin
also das Volk. Des Volkes Stimme ist Gottes Stimme. Das Volk
will Gottes Stimme hören, es will das Glück genießen, ein stärkeres
Heer mit besseren Waffen und eine größere Flotte zu besitzen nnd dafür
mehr Steuern zu bezahlen. (Widerspruch.) Ihr stimmt mir also zu.
(Lauter Widerspruch.) Ruhe! Wer was dagegen hat, verläßt sofort das
Lokal, denn er ist kein Deutscher. Die Politik unserer von Gott und dem
König — ich wollte sagen: von dem König und Gott eingesetzten Re-
gierung ist bekanntlich außerordentlich glorreich. Aber es gicbt eine Sorte
von Menschen, die sich so stellt, als wenn sic das nicht einsieht. (Heiter-
keit.) Das sind die schändlichen Sozialdemokraten. (Ironisches Bravo.)
Das sind — ich meine — die höllenverfluchten Sozialdemokraten! (Große
Heiterkeit. Händeklatschen.) Eben darum — eben deshalb — aus diesem
Grunde — müssen wir viel mehr Kriegsschiffe haben! Wer dafür ist,
hebe die Hand auf! (Er allein erhebt die Hand. Andauernde Heiterkeit.)
— Wegen Gefährdung der Sicherheit des Reichs zur See löse ich im
Namen des Gesetzes die Versammlung auf."
Der vielseitige Beamte soll, gleich nachdem er seinen Polizeibericht
über diese Versammlung eingeschickt hatte, nach Berlin versetzt und der
politischen Polizei zugetheilt worden sein.


Hobelspähnr.
König Stumm, der Allgcwalt'ge,
Nicht nur Feind der Rothen ist- er;
Er bekämpft auch Professoren
Und er schonet nicht die Priester.
Bald nun gegen Staat und Throne
Wird er zornig sich erheben,
Er ist König, keinen andern
Herrscher soll's im Reich mehr geben.
Die nothleidenden Agrarier schreien immer
nach großen Mitteln, mit denen der Land-
wirthschaft geholfen werden solle. So möge
man ihren Wunsch doch endlich erfüllen und
als letztes und größtes Mittel die sozialdemo-
kratische Forderung auf Verstaatlichung

des Grund und Bodens annchmen, dann wird das Geschrei sofort ein
Ende haben. ' .
Herr Naumann möcht' für Flotten gern

Es jammern die Philister:
„Wie das doch schrecklich ist,
Daß häufig in dem Neichsland
Gewählt wird ein Sozialist!

Das Volk enthusiasmiren,
Und aus des Wissens Helligkeit
Zurück zum Glauben führen,
Als ob je ein gereifter Mann
Zum Knaben wieder werden kann:
Herr Naumann ist kein Schlaumann.

Ach hätten wir früher gcahnet,
Welch' böser Geist dort grassirt,
Wir hätten das schlimme Elsaß
Gewiß nicht amicktirt!"

Es giebt jetzt noch Leute, die bedauern, daß Herr von Köller
nicht Minister geblieben ist — das sind die Schleswig-Holsteiner.

„Die Kosten einer Hochtour kann man sich sparen", sagte Meier,
da stürzte er vom Pfcrdebahnwagen ab.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

„Das genn'n Se ooch", meente mein Diener,
„rausgelassen werd Jeder, selbst der Mörder uffs
Schaffotte, — aber eene Haubtverhandlung muß
Jeder hier dorchmachen."
Das waren nu scheene Aussichten, aber was
war zu machen? Meine Endfeddnngsgur ging
weider. Middags grichd' ich een Gridzebabbc ohne
Flcesch, die Gerte schien'n mich nämlich vor än
Vcgedarianer zn Halden, un Abends Brod ohne
Budder un ohne Schinken mid gcenen Gäse druff;
in der Zwischenzeit» dorfd ich mich über meine
sadalc Lage ärgern, weil nämlich der Aerger ooch
ä vordeclhafdes Endfeddungsmiddel is.
Nach so un so vielen Wochen holden sc mich
endlich aus meiner Gabine un schlcbbden mich in
än scheencn großen L-aal, wo de Haubtverhand-
lung gegen mich schdaddfindcn solide. Wegen
meiner Nase änne Haubtverhandlung!
Wie ich hceße — fragdc der Bräsendende von
den schwarzen Gonfibium.
„Blümchen heeß ich — genn' Se Blümchen
nich?"
„Wo geboren?"
„Na, hürn Se, fragen Se doch nich gar so
albern! Das missen Se dock an meiner melo-
dischen Schbrache her'n, daß ich ä Sachse bin!"
So, da hadd' ich's ihm geschdeckd, aber der
Herr Bräsendende meente, ich solide gcene schlechdcu
Witze machen, sonst dähd er mich abfichr'n lasse».
Meine Schanddahden sollt»' ich eingcschdchn.
„Ich hab' geniest!" sagt»' ich.
„Wie Ham Se geniest?"
„Na, gäm Se mer gefälligst änne Briese, da
will ich Sic's vormachen."
Aber daderzu gam's nich, die Juristcr sein
solche unprakdische Leide, daß se for so än ver-
nünfd'gen Vorschlag gar gccu Sinn hadden. Lieber
ließen se sich von den Schandarmen die Nüscrci
beschrcim.
Schließlich fing der Schdaadsanwald an, än
langen Dahdrich zu machen. Da mord' ick aber eklig.
„Sie dummes Luderchen", schnauzd' ich'n an,

I „was wissen denn Sie von der gansen Geschichde,
Sic war'» ja gar nich derbe!!"
Wie ich das gesagt» hadde, schrie'n alle Dri-
bieuen Bravo un der ganse Saal schiddelde sich
vor Lachen. Blos der Bräsendende blieb ernst
un wollde de Dribienen reimen lassen, wenn se's
Maul nich hielden.
Nachher morde ich wägen Unfug, Beleidigung,
Widcrschdand un so weider zu vier Monaden
1 Giddgen vcrgnurrd.
Mei Diener mid der blauen Liwreh un blank
gebutzden Gnäbbchen brachdc mich also wieder in
meine Gabine un ich brummde ganz gemiedlich
weider. Wie aber de Zeit» um war un ich raus-
gelassen morde, da ging ich direkdemang uff de
audomad'sche Waage, un wissen Se, was ich wog?
! 75 Kilo! Um 50 Fund had ich abgenomm'!
Das war so ä glorreicher Erfolg von meiner
Gur, wie'n die Marienbadcr in gansen Lähm nie
nich ferd'g gebracht» hüdden.
Hol-rioh!
's ist ein schönes Wahlrecht,
Das Dreiklassenwahlrccht,
Welches Preußen, Sachsen hoch beglückt.
Wem das noch nicht klar ist,
Findet, daß es wahr ist,
Wenn zum Beispiel er nach Chemnitz blickt.
Lehrer, Professoren,
Aerzte, Assessoren,
Müssen dritter Klasse Wähler sein,
Doch das Wahlrecht schirrte
Flugs zwei Huremvirthe
In die erste Wählerklasse ein!
Aus der Sommerfrische.
Frau Goldstein: Komm, Aron, machen
wir eine Kahnfahrt.
Herr Goldstein (als wasserscheu bekannt): Geh
mer weg mit der Wasserpartie; ich bin ein Gegner
! der uferlosen Flottenpläne.

Herzog von Ujcst.
Weint, ihr Zöllner und ihr Sünder!
Herzog Ujcst ist gestorben,
Der Millionen einst erworben
Als der oberste der Gründer.
Folget seinem Beispiel ehrlich,
Greifet nur nach großer Beute,
Denn dann wird euch, liebe Leute,
Selten die Justiz gefährlich.

Für das National-Museum
ist folgendes werthvolle Dokument in Sebnitz in
Sachsen erworben worden:
Strafbefehl
wegen Sammelns für die vom Hochwasser
geschädigten Arbeiter.
(Als Anlage dazu eine Quittung über Mk. 3.60, den Er-
trag der Sammlung, welchen, da der Arbeiter ihn bereits
an die Nothleidenden abgeliefert hatte, die Frau aus ihrem
Wirthschaftsgeld der Polizei auszahlen mußte.)

Schnitzel.
— Daß die Agrarier die geistreichste Partei sind, kann
nicht bezweifelt werden; sie produziren den meisten Spiritus.
— Da zerbrechen sich die Leute die Köpfe wegen der
Verhaftung des Streikkomites der Maurer in Leipzig! Die
Lösung lag doch sehr nahe. Die Polizei wollte die Wieder-
aufnahme der Arbeit verhindern!
— In Bayern ist etwas verboten worden, nämlich den
Pfaffen das Radfahren. Die Polizei wollte auch hier verhindern,
daß die Hirten sich zu weit von ihren Schafen entfernen.
— Wenn Sudermann „Johannes den Täufer" in
„Johannes den Bimetallisten" umändern würde, so
bekäme er sicher die Erlaubniß zur öffentlichen Aufführung
des Stückes. *
— In der Türkei fangen die Armenier schon wieder an,
Bomben zu werfen, — ein Umsturzgesetz gegen die deutsche
Sozialdemokratie wird immer nothwendiger.
— Mit dem Signal zum Sammeln hat Herr Miquel nichts
Gutes angerichtet; die Sozialdemokraten sammeln jetzt eifrig
! für ihren Wahlfonds.
I Nachdruck säinintlicher Artikel rc. verboten.
 
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