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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0213

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— 2555



dern auch mit den Anarchisten zu kämpfen
hatte, die hier einen größeren Einfluß als in
irgend einem anderen Lande sich zu erringen
verstanden haben.
Nachdem auf dem Kongreß im Haag sich
die Scheidung zwischen den Anhängern Ba-
kunins, die jede politische Aktion und feste
Organisation des Proletariats bekämpften, und
den Anhängern von Marx vollzogen hatte,
gelang es den Anarchisten, unter Anwendung
aller möglichen Mittel fast alle Angehörigen
der Internationale in Spanien auf ihre Seite
zu ziehen. Vom Beginn der Republik an
(Februar 1873)
standen sie mit
den unzufriede-
nen und aufrühre-
rischenElementen
der republikani-
schen Partei, die
durch ihre Auf-
läufe und Auf-
stände so viel zum
Sturze der Repu-
blik beitrugen, in
engster Verbin-
dung und nahmen
daher an den Ver-
folgungen und
Niederlagen, die
jene bis zum
Staatsstreich des
Generals Pavia
(Januar 1874) er-
litten, in gleicher
Weise theil. In
den Anfängen der
Restauration,
während der gan-
zen Dauer der
ersten Premier-
ministerschaft Ca-
novas, der von
dem Deutschen
Bismarck alle re-
aktionären Kniffe
gelernt hatte und
sie auf Spanien
zu übertragen
suchte, gelang es
ihnen nur mit
vieler Mühe, eine
schwache,geheime
Organisation zu
unterhalten. Erst
als Sagasta im
Jahre 1881 zur
Herrschaft kam,
mit der Theorie
Canovas' brach,
die die Parteien
in legale und il-
legale eintheilte, und eine Periode politischer
Thätigkeit begann, gründeten die Anarchisten
die „Regionale Föderation" der Gewerkvereine.
Diese Organisation wuchs in kurzer Zeit in
ganz außerordentlicher Weise.
An dem Kongreß zu Barcelona, im Sep-
tember 1881, auf dem sie gegründet wurde,
nahmen 140 Delegirte als Vertreter von 200 Ver-
einen theil. Auf dem Kongreß zu Sevilla im
September 1882 waren 251 Delegirte anwesend,
die 632 Vereine mit 49651 Mitgliedern ver-
traten. Ende des Jahres 1882 zählte die
„Regionale Föderation" ungefähr 70000 Mit-
glieder. Sie unterstützte eine Zeitung, die „Re-
vista Social", die eine Auflage von mehr als
20 000 Exemplaren hatte — eine Ziffer, die
kein Arbeiterblatt in Spanien seitdem wieder
erreicht hat.

Zwei Gründe können wir für diese rapide
Entwicklung der anarchistischen Streitkräfte an-
führen. Erstens: Die Anarchisten predigten
den Arbeitern die anarchistischen Theorien so
gut wie gar nicht, widmeten sich dagegen ganz
besonders der Bekämpfung der Ausbeutung
durch die Unternehmer und empfahlen die Ver-
einigung zwecks Verbesserung der Arbeitsbedin-
gungen. Zweitens: Sie erweckten in den gänz-
lich unwissenden andalusischen Landleuten den
Glauben an eine ganz nahe bevorstehende
soziale Revolution, die das furchtbare Elend,
unter dein sie leiden, völlig abschaffen würde.

Auch der Trieb nach Organisation, der die
städtischen Arbeiter seit dem Ende der Re-
aktion beherrschte, kam der Bewegung zu Gute.
Die von den Führern der „Regionalen Föde-
ration" adoptirte Taktik war sehr geeignet,
alle die Leute anzuziehen, die die Nothwendig-
keit der Verbesserung ihrer Lage fühlten, oder
die davon träumten, sich von einer grausamen
Ausbeutung gewaltsam befreien zu können; die
Taktik bestand darin, auf ökonomischem Gebiet
den Gewaltthaten der Unternehmer eine mäch-
tige Organisation entgegen zu stellen, — in
Wahlenthaltung und Zerstörungspolitik auf
politischem Gebiet. Im Februar 1883 ver-
anlaßten die Brände und Morde, welche die
„Schwarze Hand", eine geheime Verbindung,
die als verbündet mit der „Regionalen Föde-
ration" betrachtet wurde, in Andalusien be-

gangen hatte, die Regierung im Süden Spa-
niens eine Verfolgung der Anarchisten einzu-
leiten. Sofort traten viele Arbeiter aus der
„Regionalen Föderation" aus, die einen aus
Furcht, die anderen um zu zeigen, daß die be-
gangenen Unthaten nicht mit den Bestrebungen
übereinstimmten, die sie verfolgten. Aus dem
Kongreß der Föderation zu Valencia im
Oktober 1883 waren daher auch nur noch
120 Delegirte, die Vertreter von 539 Vereinen,
anwesend.
Um die Verfolgung der Regierung aufzu-
halten, erklärte dieser Kongreß, daß er die
„Propagandader
That" verwerfe,
und daß die Fö-
deration „ein ge-
setzliches Leben
führen" wolle. —
Diese Erklärun-
gen, mit denen
nicht alleMitglie-
der einverstanden
waren, und das
Auftauchen der
kommunistischen
Anarchisten (bis-
her hatte man
in Spanien nur-
kollektivistische
Anarchisten ge-
kannt) erzeugten
Zwistigkeiten,
welche die Ab-
haltung von Kon-
gressen für die
folgenden vier
Jahre verhinder-
ten und die Kräfte
der Föderation
so verminderten,
daß auf dem vier-
ten Kongresse zu
Madrid im Mai
1887 nur noch
16 Delegirte, die
Vertreter von 15
lokalen Födera-
tionen und 8 Ver-
einen, anwesend
waren. Dieser
Kongreß beschäf-
tigte sich haupt-
sächlich damit, die
anarchistisch-kom-
munistische Ten-
denz zu verdam-
men. Im näch-
sten Jahre, auf
dem Kongreß zu
Valencia, starb
die Föderation
eines nicht sehr rühmlichen Todes. Man er-
klärte sich gegen eine Organisation, die sowohl
Anarchisten aufnahm, wie Leute, die nur eine
Verbesserung ihrer Lage anstrebten, und be-
schloß, eine neue Organisation zu gründen,
die nur reine Anarchisten aufnehmen sollte.
Die Logik trieb dann später, wenn auch nicht
alle, so doch viele Anarchisten dazu, jede Or-
ganisation zu bekämpfen und sich frei und offen
als Anhänger der Propaganda der That zu
erklären.
Beide — kollektivistische und kommunistische
Anarchisten — haben, nachdem sie ihre frühere
Anhängerschaft verloren, ihre Aufgabe darin
gesucht, alle Vereine der Arbeiter, die nicht
mit ihren Ansichten übereinstimmen, zu des-
organisiren; sie richteten dadurch bedeutenden
Schaden an. Die kommunistischen Anarchisten

Antonio Garcia ipuejido, Luchdrucker (Barcelona).

vr. Jaime Vera, Arzt (Madrid).

Pablo Iglesias, Buchdrucker (Madrid).

Facundo Perezagna, Metallgießer (Bilbao).
 
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