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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0223

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2563

Die Glücklichen und Zufriedenen haben keine
Ursache, lasterhaft zu sein. Und das ist auch ihre
ganze Tugend. *
Die Räubermoral hat zwei Methoden, die
immer aufeinander folgen. Predigt von der Ge-
walt vor dem Raub; Predigt vom Recht nach
dem Raub.

Der Zweck jeder Gesellschaftsordnung ist das
Gleichgewicht der Lebensbedingungen. Wo dieses
gestört ist, bedarf es einer neuen Ordnung.
Die Feigen sind es, welche Muth und Kampf-
lust barbarisch nennen. Und die Feigen sind es,
welche aus ihrer Schwäche ein ideales, höheres
Menschcnthum machen.

Wenn man bedenkt, wie groß und reich die
Erde ist, so daß noch in Tausenden von Jahren
Platz und Nahrung für Alle auf ihr sein kann,
und wenn man trotzdem das namenloseste Elend
auf Erden findet, dann fragt man sich: welche
Räuber einst auf Erden gehaust haben mögen.
Und dann verliert man die große und übertriebene
Ehrfurcht vor der Vergangenheit.

Lieber eines Sklaven,
von Zwatopluk Loch.

Freie Übertragung ins Deutsche von Jan dorrtet.




Das Ärwachen.
I.
Sklavin du, gazellenschmächtig.
Augenmächtig, wangenprächtig,
Schönste, die ich heiß begehre,
Tanze flugs ein Tänzchen mir,
Tanze, meine Bajadere,
Nag dir statt des Schmucks von Solde
An den Knöcheln auch, du Holde,
Eisen klirren — Lklavenzier!
Dich zu kosen, dich zu minnen,
V, mit schwelgerischen Sinnen -
Könnt' mich höh're Lust berücken,
Nich, den jochbeladnen Nann?
Dürft' in trunkenem Lntzücken
Ich an diese Brust dich pressen —
All mein Lklavenweh vergessen
Lernt' ich eine Weile dann.
Wirbelnd drehst du dich im Kreise,
Schwingst dich nach der Liederweise;
Duftig wehn die schwarzen Haare,
Wehn mich an mit Zaubermacht.
Laß' an dunklem Augenpaare,
Laß' mich schlürfen, laß mich trinken
Selbstverlorenes Versinken
In des Nichtseins tiefe Aacht!
Laß' in diese Nacht versenken
All mein Grollen mich und Denken!
Gift ach! aus dem Taumelkruge


Deiner Lippen tränk' ich gern.
Tränk' in stürmisch heißem Zuge,
Daß ich trinkend mög' vergessen
Die Helotenpeitsche dessen.
Den wir nennen unfern Herrn.
Aber wehe! preisgegeben
Bist du ihm, mein blühend Leben,

perle du inr Wüstensande,
Meiner Tage traute Zier!
Ihm zur Lust und dir zur Schande,
Lebst du nur, um ihn zu letzen —
All dein Reiz für Brot und Hetzen
Steht zu Diensten seiner Gier.

Hat er mich zu Tisch geladen?
Nein! Er läßt mir nur in Gnaden
Seinsc Speisen Wohlgerüche.
Nähren soll ich Kämmerling
Nich vom Abhub seiner Küche?
Pflegen soll ich mich und mästen
Nit des Latten Tafelresten,
Zechen, wenn der Trunkne ging?
Nein! And fleh' um einen Kuß ich,
Stoße fort dann mit dem Huß mich!
Stoße fort den feigen Lassen,
Der sich kühl zu zähmen weiß.
Statt zur That sich aufzuraffen
And in keckem Todestrotzen
Nit der Kette diesen Protzen
Zu erschlagen zornesheiß!

ii.
Schlimmer als die Knechtschaft selber
Ist der Knechtschaft Geist,
Der wie schleichend Hiebergift uns
Auf die Kniee reißt.
Seht die Streber und die Schmeichler,
Seht die Heuchler und die Lpeichler,
Die vorm Vbern scheu sich ducken
And aufs Kleid dem Niedern spucken!
Seht die blinden
Schlangen schleimig glatt sich winden.
Wo Erfolg und vortheil gleißt!
Der Helote, der zum Hüter
Jüngst uns ward gesandt.
Er verrätst um gelbes Gold uns
Und um eitlen Tand.
All sein Denken, all sein Sinnen
Heißt: gewinnen, nur gewinnen!
Greift er, Blut von unserm Blute,
Lieb- und ehrlos doch zur Knute,
Die er wider
Leine eignen Leibesbrüder
Täglich schwingt mit feiler Hand!
Demuth wächst wie andres Ankraut
Ueppig auf der Hlur —:
Kriechend folgen klnge Leute
Des Gebieters Spur.
Ach! sie können es nicht lassen,
Leines Purpurs Saum zu fassen
Und vor seines Hohnes Blicken
Dazustehn mit krummem Rücken.
Sich verneigen.
In der Hand den Hut — sie zeigen
Sich in dieser Haltung nur.
Wird zum Kampfe denn sich reihen
Niemals Nann an Nann,
Daß nicht länger uns verhöhne
Pascha und Tyrann?
Wann wird uns von Haß und Hader
Nicht mehr schlagen jede Ader?
Wann der ruhelose Reigen
Unsrer Leidenschaften schweigen,
Die da brausen
Wie Gebrüll im blut'gen, grausen
Raubthierzwinger — wann, o wann?
 
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