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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0231

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2571

Das progressive Sepkennak.
Es kommt ein Gewitter, nun rasch das Heu auf den Wagen! so
denkt die Regierung jetzt beim Heranuahen der Reichstagswahlen.
In sieben Jahren wird sich voraussichtlich die Bevölkerung Deutsch-
lands ziemlich stark vermehren. Deshalb muß für diesen Zeitraum mit
den steigenden Bedürfnissen, aber auch mit der steigenden Leistungsfähig-
keit des Reiches gerechnet werden. Herr von Miquel ist jetzt mit einem
großen Exempel fertig geworden, welches wir nachstehend mittheilen.
Wir fangen immer bescheiden an. Wir bauen also im nächsten Jahre
nur ein Panzerschiff, im folgenden Jahre aber zwei, dann immer die doppelte
Zahl, also im Jahre darauf vier, im nächsten acht, daun sechzehn u. s. w.,
bis die sieben Jahre um sind. Es versteht sich von selbst, daß für Kanonen
und Heeresoergrößcrung in demselben Verhältnis; zu sorgen ist.
Ebenso werden die Liebesgaben für die Junker im kommenden Jahre
nur um eine Million erhöht, im folgenden um zwei, dann um vier u. s. w.,
sieben Jahre hindurch.
Um nun die Kosten dieser verhältnißmäßig geringfügigen Mehr-
ausgaben aufzubringen, wird die Brausteuer und die Tabaksteuer im
höchsten Jahre nur uni zehn Millionen erhöht, im zweiten Jahre um
z'wanzig Millionen, im dritten um vierzig, dann um achtzig Millionen u. s. w.,
sieben Jahre lang.
Wer das geniale Exempel Miquels ganz nachrechnen will, braucht sich
nur einige Bogen weißes Papier zu kaufen und mit den nöthigen Zahlen
und Nullen zu beschreiben. Er hat dann den Beweis handgreiflich vor
Augen, daß Deutschland nunmehr in das Stadium seiner Größe eintritt.
Herr von Ploetz theilte jüngst in einer Versammlung des Bundes
der Landwirthe mit, daß der Landwirthschastsminister von Hammerstcin
einen Erfolg errungen und zwar dadurch, daß er die größten Kar-
toffeln erzielt habe. .
Unsere Kolonien sind so unfruchtbar, daß sie nicht einmal einen
Vorwand für die Flottenvcrmehrung abwerfen.
Die Brieftauben von Andree leiden an dem Fehler, daß sie sich
meistens als Enten entpuppen.

Hobelspähne. DvD-

Herr Berlepsch rief's auf dem Gürzenich
Und west erscholl in das Land es:
„Hier meinen Pokal den leere ich
Auf das Wohl des vierten Standes!"
Schön klang das Hoch beim Rebensaft:
„Es lebe die Arbeit!" Indessen
Wie man ihr das Nöth'ge zum Leben verschafft,
Das hat er zu sagen vergessen.
Bei Eintritt der rauhen Witterung suchen
in Berlin allabendlich Hunderte von subsistenz-
losen Personen das Asyl für Obdachlose auf.
Wenn man die Leute fragt, was ihnen fehlt,
so jammern sie, daß Deutschland keine genügend
starke Schlachtflotte habe.
Es tadelt den deutschen Reichstagspalast
Manch' preußischer Lieutenant gerne —
Es ist halt nur ein Haus fürs Volk,
Und „leider" keine Kaserne.
Die Majorität der sächsischen zweiten Kammer wird, da sie durch
ein jämmerliches Wahlgesetz zu Stande gekommen ist, vom Volke
nicht mehr Kammer-, sondern Jammermajorität genannt.


Früher hieß es: lange Arme
Habe unsre Reaktion,
Heute hat sie lange Finger,
Manches Volksrecht stahl sie schon.

Und sie streckt die langen Finger
Nach dein Reichstagswahlrecht aus
Wähler, hütet Euch vor Dieben,
Wähler, hütet Euer Haus.

Es geht leichter ein Kameel durch ein Nadelöhr, als daß ein Ge-
heimrath etwas von Sozialreform begreift.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Passende Freundschaft.
Das mußte der griechische Krieg bewirken:
Es fanden in Liebe sich Preußen und Türken,
Europas größte Nationen, —
Wenn sie auch weit auseinander wohnen, —
Die größten in blutigen Kricgesthatcn
Und worin sonst noch? Ja, das muß man ratheu!

Schiffsnamen.
Man hat ein Panzerschiff mit dem Namen
„Fürst Bismarck" belegt. Dieser Name ist
ganz zutreffend, denn der eiserne Panzer versinn-
bildlicht die eiserne Stirn des alten Otto.
Man sollte mit solchen sinnreichen Benennungen
fortfahren. Ein Torpedoboot könnte z.B. „Ben-
nigsen" heißen, weil es leicht umfällt, ein
Schleppdampfer könnte den Namen „Hohenlohe"
führen, weil unter dessen „neuem Kurs" die Mi-
litärstrafprozeßreform verschleppt worden ist,
und ein Nordpolfahrer könnte „Tausch" genannt
werden, weil er die Leute aufs Eis führt.

Die europäische Uhr.
In Spanien und anderswo.
Da macht man immer viel Halloh,
Wenn für ein Ministerium
Die schwere Arbeitszeit ist um.
Das letzte war konservativ;
Ein liberales man berief.
Konservativ — tick —
Liberal — tack —
Konservativ — tick —
Liberal — tack.
Das arme Volk hat unter beiden
Das Gleiche ungefähr zu leiden.
So geht es fort nut Tack und Tick
Bis zu dein großen Augenblick,
Da stocken wird des Pendels Schlag.
Dann kommt ein neuer Weltentag.

Im Rompkoir.
Lehrling: Was bedeutet denn das: „Soll
und Haben"?
Kommis: Das will ich Dir sagen: Der An-
gestellte soll arbeiten bis er schwarz wird, und
die Prinzipale haben den Profit.

Der Fiskus.
Gilt's, zu lindern die Noth der Masse,
Heißt's: „Knapp ist das Geld in meiner Kasse";
Wenn aber für Molochs Extravaganzen,
Heißt es: „Glänzend stehn die Finanzen".
Ein Aergrrnih.
A. : In Unternehmerkreisen hat es außer-
ordentlich verschnupfend gewirkt, daß der Ex-
minister v. Berlepsch ein Hoch auf den „vierten
Stand" ausbrachte.
B. : Warum?
A.: Wenn der „vierte Stand", also die Ar-
beiterklasse, hoch leben soll, so muß man ihr
in erster Linie Lohnerhöhungen bewilligen.
Frei nach Heine.
Leise zieht durch mein Geinüth
Landtagswahlgeläutc;
Dürst' ich künden, was geschieht,
Gäb's gar manche Freude.
Immer mehr von rechts nach links
Sich die Wähler drängen.
Wenn du einen Junker siehst,
Sag', er soll sich hängen.

Schnitzel.
Das Gerücht von der Erhöhung der Bier-
steuer wird so ost dementirt, daß es immer
glaubhaftere Gestalt bekommt.
Ein Witzbold meinte, als er sah, wie ein Tage-
löhner seinen Junker durchwalkte: „Das ist leeres
Stroh dreschen."

„Zeit ist Geld" — das ist dem Pfarrer
Naumann wieder deutlich klar geworden, denn er
mußte das Erscheinen der „Zeit" einstellen, weil
sie zu viel Geld kostete.


Ich mechde Heide jeden Lchandarmen
In meiner Herzensfreide umarmen
Un ä safdiges Gißchen vor lauder Lndzicken
Auf das bärdige Maul jeden Schutzmann drücken,
Un begegned, hercheeses, mer eener zu Herde,
So reiß ich den Deckel bis runder zur Lrde,
Denn nu rvärds fchdille mit eenem Male
In Drüsen im sächsischen Landdagssaale!
Mid den neien Gesetze, da hammersch befummeld.
Da Hammer de Rohden nach Roden beschummeld
Un hammse, weil Lachsen sonst gans noch verbebeld.
An Händen un Beene wie Gälber geknebeld.
Un dobde un schimpfde das Gohr noch so dolle —
Mer wehln een, der weißgrien gefärbd in der Wolle,
Un de Rohden, die genn geen verdreder erwischen
Un gomm nur zur Wahl, um — das Maul sich zu wischen.
So ä feines Gesetz dahd uns Rohd ja schon lange.
Doch hammersch gemachd noch in richdgen Momange,
Denn worde geward noch dermid ä baar Jahre,
Verbrennden se uns ufsen Gobbe de Haare;
Drum sein mer hibsch Helle und lassen se wehln,
weil de Lchdimm von der Dritten je eemal nischd zehln.
Is das änne Lust un is das ä Vergniegen,
Dorch Lchlauheed un List un verschmitzdheed zu siegen!

Nachdruck säinrntlicher Artikel rc. verboten.
 
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