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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0265

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2607

Volksstimme und Polizei in Magdeburg.

Gefährlich ist's den Leu zu wecken.
Verderblich ist des Tigers Zahn,
Jedoch das Schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Sozialisten Wahn.
Sie stellen Bücher aus und Bilder,
Und.Jung und All heran sich drängt.
Die Massen werden immer wilder
Vor Marx, der dort im Laden hängt.
Sechs Fenster haben ausgeschmückt sie.
Die Umsturzmänner, welch' ein Graus!
Gebt acht, jetzt werden bald verrückt sie.
Und bauen sich ein eig'nes Haus!
Herrgott, hast du, es ist zum Weinen,
Kein' Blitz für diese rothe Brut?
Vergiften thun sie schon die Kleinen
Mit ihrer Jugendschriften Fluth.
Und statt den Landrath abzumalen.
Das säh' denn doch nach etwas aus,
Thun sie mit Bebel, Liebknecht prahlen.
Ganz Magdeburg ist aus dem Haus!

Furchtbar zeigt sich des Schutzmanns Kraft,
Wenn sie der Fessel sich entrafft,
Wohlthätig ist jedoch die Macht,
Wenn sie 's Gesetz bezähmt, bewacht.
Also steht fest am Breiteweg
In Magdeburg der Doppelposten,
Frei hält die Wege er und Steg
Von Allem was das Gift möcht' kosten.
Zu Kindern sprechen sie recht innig:
„Geht hin zur Schule, lernet was".
Drauf putzen sie den Kleinen sinnig
Mit rothem Taschentuch die Nas'.
Und kommt ein flotter Jnfant'riste,
So rufen sie ganz schreckensbleich:
„Bleib' ja nicht steh'n, verdorben biste
Gar schnell im rothen Teufelsteich!"
Für solche zarte Rücksichtnahme
Dankt hocherfreut euch die Partei,
Mach' weiter nur die Mordsreklame,
Du liebe, gute Polizei! Ristrek.

Isaak Schmutz! als Kritiker.
As der alte Moses Hirsch is geworden kindisch, hat er geschrien:
Es kommen Knuden. Sarahleben, halt de Thür zu! se laufen mer das
Haus nur! — Nu, der Eisenbahnminister hat auch Sorgen. Der Rhein
kriegt den Dalles un kommt in de Baisse un fällt, un der Eisenbahn-
verkehr will staigen un kann nich; denn worum? Waih! se haben keine
Wagen- — Haißt 'n Geschäft!

Sächsische Ordnungsrekkerei.
In Dresden, Leipzig und Chemnitz wurde den Damenkapellen das Singen verboten.
(Zeitungsnachricht.)

Ls schritt ein Polizeirath
Durch Wald und Held und Stadt,
Lr seufzt über traurige Zeiten,
wo nichts zu verbieten man hat.
Da hört er der Damenkapelle
Berückenden Geigenklang,
Und plötzlich die Damen selber
Begannen gar lust'gen Lang.

Ls lauschte der Polizeirath.
Gefunden! so rief er dann schnell,
Man kann doch das Lingen verbieten
Den Damen der Damenkapell'.
Darauf die Verordnungsmaschine
Geschmiert und geheizt er hat;
Lo ist das Verbot ergangen
Zum Schutz für Gesellschaft und Staat.

Hobvlspähne.
Einst hat man ihm die Gans versagt.
Nun aber gar ihn eingeklagt
Den größten „Heros" des Jahrhunderts,
Jedweden braven Spießer wundert's.
Wie sich die Zeiten ändern bald!
Der alte Mann im Sachsenwald,
Der sonst nur And're that verklagen,
Muß dieses jetzt an sich ertragen.
Der „innere Feind", von dem so viel geredet
wird, ist endlich entdeckt worden: er ist der
knurrende Magen der Arbeiter. Ich glaube
aber nicht, daß die Berliner Garde ihm bei-
kommen kann.
Wir hören, wie oft den gemeinen Mann
Die Vorgesetzten belehren:
Es soll ein jegliches Regiment
Seine Fahne achten und ehren.
Geb' acht, o preußisches Regiment
Des neuesten Kurses, ich mahne:
Halt hoch dein Banner, du kennst es ja,
Es ist halt 'ne Wetterfahne!
Die in Hinterpommern eingetroffenen Chinesen haben sich dort
gerade so wie zu Hause gefühlt.
Jetzt läutet's bald „Friede auf Erden!"
Wird das eine schöne Zeit werden!
Das Heeresbudget kann nian verweigern
Und die Marine schleunigst versteigern!
Die Reichstagsabgcordneten haben es gut, — man kann ihnen die
Weihnachtsferien nicht an den Diäten abziehen.
^hr getreuer Säge, Schreiner.


An unser Volk!
Vas Herz entflammt, das rothe Banner schwingend,
Den nackten Flammberg in der nackten Hand,
5o wandern wir, von deiner Zukunft singend,
Der Freiheit höhne, durch das Land.
Nicht deine Götter wollen wir erschlagen,
Die fallen, wenn sie morsch, von selber um;
Doch deine hcele soll sich blutig fragen
An unserm Ausruhrwort: Warum?
warum du hungerst und warum du durstest,
warum du fchweikkriesst und warum du frierst,
warum du hündisch deine peiu'ger fürstest,
warum du frömmelnd dich verthierft!
Weh, dreimal wehe, wenn am Tag der Iden
Der Delch des Zorns dann blutig überschäumt
Und jener goldne Traum von einem cw'gcn Frieden
Umsonst geträumt! Arno tzolz.
Zur Watzlrefurm.
Wozu das Wahlrecht antasten? Das machte
nur böses Blut. Wir haben doch ein Bollwerk
gegen den Umsturz, das Militär. Die gedienten
Mannschaften sind schon jetzt am Tage der Kontroll-
versammlung gegen politische Ansteckung gesichert.
Man gehe getrost auf diesem Wege etwas weiter!
In Zukunft läßt man sämmtliche Leute, die je-
mals zur Gestellung gewesen sind, zu den Kontroll-
versammlungen kommen. Alle Kontrollversamm-
lungen finden am Tage der Reichstagswahl statt,
und wer einen anderen als einen reichstreuen
Wahlzettel in die Hand nimmt, fliegt drei Tage
in den Kasten. Von der Wahlurne werden die
Mannschaften sektionsweise weggeführt, wobei sie
singen: Lieb Vaterland, magst ruhig sein!

Schnitzel. -6-—
„Die Kulturaufgaben leiden nicht",
sagt die Berliner Regierung; natürlich — sic
bleiben ruhig liegen.
Hütet eure Zungen
Vor „Beleidigungen".
Braucht sie uur zum Schlecken —
Oder Speichellecken!
Im Sommer tagen die Friedenskonferenzen,
im Winter bewilligen die Parlamente neue Militär-
forderungen. .
Deckt die Erde nächt'ger Graus,
Uhu, Kauz und Fledermaus
Aus den Löchern fliegen.
Doch in stolzer Zuversicht
Adler trinken Sonnenlicht
Froh in vollen Zügen.
Manche schätzen die Kirche lediglich als Apo-
theke, die ihnen geistliche Opiumtinktur gegen ihre
Seelen-Diarrhoe liefert.
In Karls V. Reich ging die Sonne nicht
unter; in manchem heutigen Staat geht sie gar
nicht auf. .
Es gleicht die Ministerrede
Der Nuß am Weihnachtsbaum:
Eiuen Kern hat zwar nicht jede,
Doch gleißt sie von goldenem Schaum.
Warum muß der Reichskanzler seine Reden
ablesen? — Weil er selbst weiß, wie stark er ist
im Versprechen.
Kleine Kinder spielen mit Bleisoldaten, große
I mit lebendigen.


Mer gann uns Lachsen leiden,
weil mer zu allen Zeiden
Gemiedlich un bescheiden
Un geene Lchdraßenreiwer sein.
Mer gann uns leichd verdragen,
's grichd Teener uns in Nagen,
Un wenn „Hadjeh!" mer sagen,
Lo laden se uns Widder ein.
wemmer ämal verreesen,
Lein mid än Schälchen Heeßen
Un zwee Gardoffelgleesen
Mer greizvergniegd gans sicherlich.

Mer schbielen nich mid Feier,
De Ordnung is uns deier,
Mer sein nich fer än Dreier
Geneigd, nach ohm zu obboniern.
Mer wissen, de Loldaden
Hamm manchmal scharf geladen
Un mer gommd nur zu Schaden,
Läßd mer sich uffs Grawallen ein.
Nu bleibd bloß eene Frage,
Die ich schon viele Dage
Uff meinen Herzen drage —
De Undword wärd een wärglich schwer.

wo gomm bei den verschdande
In unfern Lachsenlande,
Zu seiner greßden Schande
De vielen, vielen Rohden her?

Nachdruck sänrnrtlicher Artikel rc. verboten.

FjM- Den Neue Welt-Kalender für 18S8 (Preis 40 Pf.) hält unsere Expedition zum Jahresschluß bestens empfohlen. -MU
 
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