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Neue Richtung

„Aber Mariechen, du bügelst ja die Hosensalte seitlich, das ist doch verkehrt!"
„Det ist doch meine ileue Richtung."

Das Sparschweinchen

Bon Alfred Venter

Zu der Zeit, als es noch keinen
Sparminister gab, da wurde — erst
recht gespart. Es wurde in Deutsch-
land systematisch gespart, eu gros
und en detail, sportsmäßig bis
fanatisch.

Auch Speckmanns machten darin
keine Ausnahme. Sie hatten, we-
niger aus dekorativen als aus er-
zieherischen Gründen, den Kindern
ein Sparschweinchen gekauft. Das
antwortete statt niit unsympathi-
schem Grunzen mit einem wohlge-
fälligen Klappern, wenn durch den
Rückenschlitz die metallene Gabe ver-
schwand.

Die Kinder wuchsen hinaus; das
Spielzeug ward vergessen und ver-
sank in den Dämmerwinkek der Kind-
heit, mit ihm auch das Sparschwein-
chen. Man hatte unterdes die Leben-
digen schätzen gelernt, Speckmanns
nicht minder, schon um ihrein Namen
Ehre zu machen.

Die Nachkriegszeit lehrte das Alte
wieder schätzen, und siehe, da zog
man auch eines Tages das kleine
tönerne Tierchen wieder aus seinem
Versteck hervor. Mutter Speckmann
hatte Nachforschungen nach Vaters
Zylinder angestellt, und dabei hatte sie in
der alten Gießkanne das Schweinchen ent-
deckt, das mit seinen sanstgeschwungenenBlau-
äuglein so unschuldig in die Welt hinaus-
sah, als hätte es die ganze böse Zeit ver-
schlafen.

Beim Schütteln gab es einen metallenen
Klang — Glockenton aus längst verschwun-
dene», schönen Tagen. „Gut, daß man alles
aufhebt!" lobte sie sich.

Zu den Feiertagen, als die Kinder aus allen
Windrichtungen kamen, um die Eltern zu be-
suchen, stand plötzlich das niedliche Spar-
schweinchen auf dem Kaffeetisch.

„Ach, mein Schweinchen!" sagte Gotthold.

„Behüt dich Gott, was heißt mein Schwein-
chen?" fuhr Erna dazwischen, „ich habe es, so-
viel ich weiß, einmal zu Weihnachten bekom-
men. Es stand auch lange Zeit auf meiner
Kommode."

„Natürlich wird der Inhalt redlich geteilt,"
»ahm der Vater das Wort und versuchte da-
mit die Gemüter zu beschwichtigen.

„In sechs Teile, lieber Papa, nicht wahr?"
sagte Frieda, die verheiratet und Mutter eines
kleinen Elfriedchens war. Die jungen Mütter
sind in diesem Punkte ein bißchen zu für-
sorglich.

„Kinder," rief der Vater auf einmal, „viel-
leicht ist gar noch ein Goldstück drin! Wenn
ich nicht irre, legte Onkel Eduard bei seinem
letzten Besuch eines ein."

„Eduard? Unmöglich!" fuhr die Mutter auf.
„Eduard war immer schäbig." Sie hatte einen
„Pik" auf den Schwager, solange man sich
erinnern konnte.

„Onkel Eduard hin, Onkel Eduard her,"
sagte Frieda ungeduldig, „die Hauptfrage ist:
Wie bringen wir das Geld heraus?" Ihr
war es darum zu tun, daß das edle Schwein-
chen nicht zerstört zu werden brauchte, damit
Elfriedchen zu einem hübschen Spielzeug
käme.

„Ein Geizhals und ein fettes Schwein, schaut
man im Tod erst nützlich sein", zitierte Gott-
hold kraft seiner literarischen Bildung und
stellte die ersten Schüttelversuche an.

Paul war indessen schweigend aus dem Zim-
mer gegangen. Auch er hatte es damals in On-
kel Eduards Hand blitzen sehen, und an diese
Tatsache erinnerte er sich 1917, als er noch
zur Schule ging und überall zur Abgabe vom
„letzten Gold" für die Rettung des Vaterlandes
aufgefordert wurde. Damals war er heimlich
in die Bodenkammer geschlichen und hatte
unter dem alten Gerümpel dem Schweinchen
nachgeforscht und es seiner goldenen Last ent-
ledigt. Aber ebenso golden war auch sein Leicht-
sinn gewesen; denn den Exlös hatte er als
erstes Rauchopfer dargebracht.

Ähnliche Gedankengänge hatte auch Fritz ge-
habt. Ihm war es um einige Tage Garnison-

Die Hauptsache

„Was hat denn der Bischof für die Ruhrspmde
gegeben?"

„Der hat den größten Anteil an dem Gelingen
des guten Werks. Er hat nämlich den Segen Gottes
auf die Spende herabgefleht."

Urlaub zu tun gewesen. Aber sein
Silchen hatte wenig Erfolg gehabt:
ein Schlauerer war ihm schon zu-
vorgekommen.

Unterdessen mühte sich die ganze
Familie mit der unblutigen Abtötung
des Sparschweinchens ab. Man legte
es abwechselnd auf den Rücken,
klopfte es auf den Bauch und schüt-
telte es am Rüssel. Nach einer Stunde
hatte es fünfzehn Groschen, dreißig
Kupferpfennige, ein silbernes Mark-
stück und — einen Hosenkopf von sich
gegeben.

„Der ist von Eduarden!" sagte
Frau Speckmann spitzig.

„Aber wer bekommt das Mark-
stück?" fragte Frieda eilig. „Es würde
eine hübsche Erinnerung für Elfried-
chen sein," setzte sie hinzu.

„Sie bekommt das Schweinchen,"
sagte Gotthold, „Mutter mag eine
Wurst für die Mark kaufen, die ist
heute 6000 Mark wert."

„Ich verzichte darauf!" sagte Paul
großmütig, der die Familie schon um
100000 Mark geprellt hatte.

Unterdessen, waren in der Küche
die Bratkartoffeln angebrannt. Frau
Speckmann sprang entsetzt auf, wo-
beiElfriedchen ihrSchweinchen fallen
ließ, so daß es seinen porzellanenen
Geist aufgab.

„Na, nun seid ihr wohl alle befriedigt!"
meinte Vater Speckmann und steckte sich eine
Pfeife an. _

Vom Tage

„Na, du studierst ja die neuesten Preise so
angelegentlich?"

„Ja, ich will nur sehen, was ich mir vom
heutigen Tage an abgewöhnen muß."

Politischer Unterricht

Die Politik, mein lieber Sohn,

Ist eine schwierige Lektion.

Besonders ihre Sprache geht
Zu erzen dem, der sie versteht.

Ein edler Staatsmann sättigt sie
Mit Ethik und mit Poesie;

Denn alldieweilen sintemal:

Er dient der großen Wcltmoral.

Die Stimme klingt, die Stimme knallt:
Ach, holder Frieden, kommst du bald?
Und kommst du nicht, holt mein Gewehr
Dich gleich mit sanftem Nachdruck her.
Die Liebe ist der Völker Band;

Man sichre sie mit einem Pfand.

. .. O sei, mein Sohn, kein Dummerjahn.
Der Mann will bloß die Kohlen Han.

Lorch auf, wie er nun zornig schreit:
Gerechtigkeit! Gerechtigkeit!

Die andern, pfui, sind falsch und schlecht.
Sind lange nicht wie ich gerecht.

Ich aber trichtre allerwärts
Der Weit Gerechtigkeit ins Lerz.

... Mein Sohn, dies Evangelium
Geht nur um das Petroleum.

Er rühmt die Ehrlichkeit mit Stolz
Und stiehlt die Wälder, stiehlt das Lolz.
Die Freiheit ist ihm heilig sehr,

Drum bringt er Ketten eilig her.

... Mein Sohn, studiere mit Bedacht,
Was einer mit dem Maule macht;

Doch hast du es erst recht erkannt.

Siehst du dabei auf seine Land. Coc.
 
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