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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Editor]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 24 (14. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44978#0291
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DIE W E L T K U N S T

11




„Klosterhof“. Carl G. C a r u s’ „Kirche in
Bodmin“ ist von sehr, betonter Symmetrie und
doch voll Empfindung und spezifischer Eigen-
art. Ebenfalls fünf Bilder sind von Caspar
David Friedrich, darunter das große Ge-
mälde „Der Sommer" mit der Spißpyramide
eines Baumes im Vorder- und einer hügeligen
Flußlandschaff im Hintergrund und die „Vier
Lebensstufen“. — „Kügelgen im Atelier"
von Kersting war auf der Ausstellung
Deutsche Maler 1780-1850 in Berlin (1929)
zu sehen. Von Jos. Anton Koch sind
eine südliche „Landschaft mit dem HL Martin“
und „Das Hospiz an der Grimsel" ausgestellt,
letzteres wohl mit
das pittoreskeste
seiner Werke. Vor
A. von Menzels
„Donaufahrt“ (Abb.
in nächster Nummer)
muß man verweilen:
unfaßbar, wie die
buntgewirkte Be¬
spannung des Falt¬
stuhles und der
tiochgrüne Rock der
Dame gemalt sind!
Die beiden Oli¬
vier, Joh. Ferdi¬
nand und Waldemar
Friedrich, sind mit
Zeichnungen und
einem Aguarell ver¬
treten. Alfred R e-
t h e 1 s Kopf eines
Mönches ist eine
Studie zu den Karls-
fresken im Aachener
Dom: das Bild
eines romantischen
Schwärmers von
prachtvollster Male¬
rei (Abb. in näch¬
ster Nr.). K. Rott¬
manns „Gebirgs¬
see“ gehört zu sei¬
nen besten Werken,
aber die beiden
anderen „Römische
Landschaft“ und
„Kufstein“ können
gut daneben bestehen. Von Phil. Otto Runge
ist ein schlafendes Kind in Blei, von Julius
Schnorr von Carolsfeld u. a. eine
Federzeichnung „Friedrich Rückert" zu sehen.
Von Moriß von Schwind der „Traum des
Ritters“ und „Die treue Schwester", beide ab-
gebildet in Weigmanns Schwindwerk (Klassiker
d. K. Bd. IX). Der in der Ludwigsgalerie niemals
fehlende Spitz weg ist zweimal vertreten,
ebenso Ferd. Gg. Waldmüller mit einer
herrlichen Praterlandschaft und einem kleinen
Bildchen „Ahornbäume bei Ischl".
Dr. Grete Ring hat in ihrer geistreichen
Würdigung dieser Ausstellung (Nr. 22 der
„Weltkunst“) Eugene Delacroix „den
romantischen Künstler kat’exochen" genannt,
und ein Blick auf diese neun Bilder belehrt
uns, daß er in der Tat der einzige unter den
ausgestellten Franzosen ist, der die Be-
zeichnung „Romantiker“ im eigentlichen Sinne
verdient. Das gilt besonders für „Die Frauen

am Brunnen“, ein wunderbares Bild, das wir
auf dieser Seite unten abbilden.
Von den sechs Corots gehören vier zu
den seltenen Werken der Frühzeit (1826—34).
Das Bild „Papigno (Fabrigues dominant la
vallee)" sei besonders hervorgehoben. Die
Landschaft mit Hirten und das Mädchen-
bildnis (Abb. in nächster Nr.) gehören der
Zeit von 1850—60 an.
Von C o u r b e f finden wir nur ein Blumen-
stilleben „Primeltöpfe“. Aber selbst diese
zarten Blüten verleugnen nicht die starke
Hand, welche sie geschaffen hat. Von
Daumier begegnen wir zwei typischen

Bildern „Die Bettler" und „Kinder unter einem
Baum“, welche von der Daumier-Ausstellung,
Berlin 1926, her bekannt sind. Ein charakte-
ristisches Bild von großem Können ist die
„Ordonnanz“ von G e r i c a u 11. I n g r e s ist
mit zwei Zeichnungen vertreten, von denen
besonders das große Blaff „Familie Gatteaux“
Erwähnung verdient. Das Pastell von Jean
Frangois Mill et „Holzhacker“ ist auf Paul
Cassirers Ausstellung „Ein Jahrhundert fran-
zösischer Zeichnung“ (1929/30) gewesen. Am
glücklichsten von den Franzosen scheint uns
Theodore Rousseau vertreten (zwei Öl-
bilder und eine Zeichnung). Wunderbar ist
die Landschaft von Fontainebleau: viel zu fein,
als daß man sie reproduzieren könnte.
Besondere Anerkennung verdient es
übrigens, dafj Dr. Nathan sich bereif erklärt hat,
sämtliche Einnahmen aus den Eintrittsgeldern
dem Glaspalast-Hilfswerk zu überweisen.
L. F. F u c h s



Eugene Delacroix, Frauen am Brunnen
A la fontaine — Women at the well
54,5 : 65 cm
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Ludwigs-Galerie (Otto H. Nathan), München

leiblichen Torso, Paris 1910, der aus
einer ganzen Figur mit einem etwas kon-
ventionell wirkenden, die Beine umhüllenden
‘Uche gewonnen wurde, und durch die leben-
bjge Modellierung und die Straffheit der
bmstischen Form bei einer fast üppig zu
Rennenden Körperlichkeit beglückt. Lehm-
bruck ist ferner mit einem etwa gleichzeitig
°der wenig später entstandenen, aber schon
stark gereckten weiblichen Torso, mit dem
schönen Kopf der Sinnenden, der in der Be-
legung wundervoll empfundenen Badenden
V°n 1914 und einer Auswahl des graphischen
“erkes verfrefen. Von Edwin Scharff wird
ln der „Studie zur Parze“ (Terrakotta) eine
her besten früheren Arbeiten gezeigt, von
Barlach das Holzrelief „Apfeldiebin“ und
y°n M a i 11 o 1 kleinere Plastiken. Besonders
‘’crvorgehoben zu werden verdient der noch
^erhältnismäßig unbekannte, jedenfalls noch
kaum nach Gebühr gewürdigte Münchener
Bildhauer Karl Knappe, dessen hier aus-
gestellte Liebermannbüste Haltung und Cha-
rakter des Menschen, sein Persönlichstes, fern
oller Art abbildender Nafurfreue, über-
raschend unmittelbar vergegenwärtigt. Von
ähnlich suggestiver Kraft ist Knappes kleine
Bronze „Glockenschwinger“.


Max Beckmann, Claridge II (1930)
90:45 cm
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
J.B. Neumann & G. Franke, München

Die vernichtete
Romantiker-Schau in München

Die in München zerstörte Ausstellung
„Deutsche Romantik“ enthielt nicht nur Mei-
sterwerke der Romantiker, sondern auch der
Nazarener und Neudeutschen. Abgesehen von
dem Kunsiwert aller dieser Bilder hat die
deutsche Kunst einige wichtige Inkunabeln ver-
loren, die ich hier hervorheben will.
Zunächst die Romantiker: Von Runge
sind drei berühmte Werke, die eine Fassung
der „Lehrstunde der Nachtigall“,, „Die Quelle“,
„Wir Drei“ (Hamburg), von C. D. Friedrich
„Der Hafen von Greifswald' (Hamburg), eine
Riesengebirgslandschaff (Berlin, Priv.), die
„Augustusbrücke“, Dresden (Hamburg) und die
neuentdeckte „Abendstunde“ (Berlin, Priv.), von
Kersting die „Damen am Spinett" (Dres-
den, Priv.), von C a r u s „Der Erlkönig" (Ham-
burg) und die „Mondnacht im Schilf“ (Dresden,
Priv.), von S ch i n k e 1 „Gotischer Dom" (Ber-
lin), von B 1 e ch e n „Der Blitz“, die „Mädchen
am Meer“ und „Das Felsenfor“ (Berlin) ver-
brannt.
Dann die Nazarener. Es sind verloren-
gegangen: von Cornelius „Die Grab-
legung“ (Leipzig) und „Die Flucht nach Aegyp-
ten“ (München), von Overbeck „Die Sy-
bille“ (Leipzig), von Veit das jugendliche
„Selbstbildnis“ und das „Doppelbildnis des
Bruders Johannes mit Overbeck“ (Mainz), von
Schnorr „Das Naumburger Dombild“, von
S ch a d o w das „Bildnis der Karoline v. Hum-
boldt“ (Hamburg), von Peschei „Rebekka
und Eleazar“ (Leipzig), von Ferdinand v. Oli-
vier „Schloß Weickersdorf“ (Hamburg), von
Heinrich v. Olivier „Drei Frauen in der
Kapelle" (Dessau), von Friedrich v. Olivier
die „bayerische Landschaft“ (Dessau), von
Führich „Joseph als Hirtenknabe“ (Berlin),
von W a s m a n n „Frau Hübbe“ (Hamburg),
von Fohr „San Benedetio“ (Düsseldorf,
Priv.)
Schließlich die Neudeutschen: von
K o ch sind „Der Grimselpaß“ (Leipzig), „Land-
schaft bei Olevano“ (Hamburg), „Wasserfall
bei Tivoli“ (Darmstadt), von S ch wind „Rif-
ier Kurts Braulfahri“ (Karlsruhe), „Auf der
Wanderschaft“ und „Nächtliche Fahrt“ (Mün-
chen), von M. v. Rohden „Tivoli“ (Ham-
burg), von Catel ein bis zu dieser Ausstel-
lung unbekanntes Bild „Grotte bei Amalfi“ aus
Münchener Privatbesiß, das wir nebenstehend
reproduzieren können, dann von J s s e 1 „St.
Etienne du Mont“ (Darmstadt), von E. Fries
„Landschaft mit Soracie“ und „Abendstim-

mung bei Rom" (Heidelberg), von Lucas
„Die badenden Frauen“ (Darmstadt), von
Rottmann „Heidelberg", „Burg Eltz" (Hei¬

delberg), von O 1 d a c h „Hermann und Doro-
thea“, „Tante Elisabeth“ (Hamburg), von
Janssen „Das Selbstbildnis“ (Hamburg) für
immer dahin.

Es waltet ein Unstern über manchen Künst-
lern, vor allem über Friedrich, von dessen
Bildern erst in Greifswald so viele Meister-
stücke, dann in Dresden noch zwei bei der
Prinzessin Mathilde verbrannt waren. Jeßf
sind wieder acht seiner besten Werke zer-
stört. Das mifausgestellte „Am Dominikaner-
kloster in Pirna“ war m. E. nicht von ihm, son-
dern von Carus, aber ein vorzügliches Bild.
Außer Runge scheint mir Schwind besonders
geschädigt zu sein,
denn sein „Riter Kurt"-
Bild, das die zahl-
reichen Bildnisse seiner
Wiener Freunde und
sein Selbstbildnis ent-
hielt, war ihm beson-
ders lieb. Gottlob be-
sißf die Badische
Kunsthalle aus diesem
Bild köstliche Detail-
aufnahmen. Auch sein
Bild „Auf der Wander-
schaft" gehörte zum
Besten. Das Werk
Kerstings und Veits ist
durch den Verlust aller-
bester Werke schwer
getroffen. Bei den an-
deren Künstlern ist der
Verlust durch die Er-
haltung zahlreicher
gleichwertiger Werke
ausgeglichen. Alles in
allem hat Deutschland
aus dem Kronschaß
seiner Nationalkunst
einige der schönsten
Perlen verloren.
Wir wollen hier gar
nicht mehr erörtern, ob
man Juwelen des deut-
schen Kunstschaßes
überhaupt ausleihen
darf. Schon immer
waren viele Einsichtige
dagegen, auch zu einer
Zeit, da man noch nicht
unsere Erfahrungen ge-
sammelt hatte. Ich er-
innere nur an Goethe,
der das Ausleihen und
Verschicken der Kunst-
werke haßte und des-
halb das bitterböse
Versehen schrieb, des-
sen Endzeilen so
traurig-gut zu dem Münchener Unglück
passen: „Und bei dem Senden kreuz und guer,
Was bleibt uns denn? Verdorbenes!“
Dr. Kurt Karl Eber lein


Franz Catel (1778—1856) Grotte von Amalfi
München, Privatbesitz
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
München, Glaspalast 1931

„Liberte de la Presse“ und dem großartigen
Blatt mit dem Bürgerkönig an dem Grabe La
Fayettes, ferner Meryon, Manet. Corot ist
mit der Radierung Souvenir de Toscane,
Lautrec mit dem äußerst seltenen ersten Zu-
stand des „Process Lebaudy“ vertreten, die
auf der rechten Seite drei Personen mehr als
der frühere Zustand zeigt. Es möge die Nen-
nung dieser Blätter genügen, um die Bedeu-
tung der graphischen Abteilung dieser Schau
zeitgenössischer Kunst zu kennzeichnen.
H. Eckstein

Die Beispiele moderner Malerei sind mit
Bedacht gewählt: zwei sehr schöne frühe Bil-
der von Andre Derain, die frisch, fast
locker gemalte Frau mit Perlenkette von 1912
Und ein mehr auf äußerste Präzision der Form
Sesfellter Frauenkopf von 1913. Pascin,
J^ouault, Laurencin, Klee, Marc, Macke, Nolde,
Klee (Aguarelle), deren Eigenart man nicht
''on neuem umschreiben muß, sind mit je ein
bis drei Arbeiten — Macke auch mit einer be-
zaubernden Zeichnung aus dem zoologischen
garten — vertreten. Von Schmidt-Rottluff,
Heckel, der u. a. mit einem sehr interessanten
£jld „Kunstreiter“ 1921 vertreten ist, von
Kirchner (schöne Landschaft aus der Dresde-
ner Zeit), von Otto Herbig (vor allem Pastell-
bilder), von Anton Kerschbaumer, dessen
'■Hafen von Malessine" ein starker Eindruck

Romantische Malerei
in Deutschland und
Frankreich
Ludwigs-Galerie in München
Die schreckliche Brandkatastrophe, welche
in der Nacht vom 5. auf 6. Juni, noch in der
Woche der Eröffnung, die gesamte Mün-
chener Kunstausstellung 1931 zerstörte, hat
auch ihren Mittelpunkt, die Romantiker,, ver-
nichtet. Die ganze Tragik dieses' Verlustes
erhebt sich vor uns, wenn wir die Ausstellung
„Romantische Malerei“ in der Ludwigs-
galerie besuchen, über die in Nr. 22 der
„Weltkunst" bereits eine allgemeine Würdigung


Pollard, Ascot Heath Race, London, 1826
Aquatinta in Farben
Versteigerung — Vente — Sale:
H. Götz, Hamburg, 22. Juni 1931

gebracht wurde. Sind es doch vielfach die
gleichen Namen, denen wir hier begegnen.
Die meisten der hier ausgestellten 80 Bilder
sind Werke hohen Ranges, und1 wir bedauern,
daß es nicht möglich ist, sie alle einzeln zu
besprechen. Doch sollen die wichtigsten Er-
wähnung finden.
Da ast die kleine Eifellandschaft von An-
dreas Achenbach von 1836, die soviel
frisches Können zeigt, das seine späteren
Bilder vermissen lassen. Von den fünf Bildern
Karl Blechens ist das schönste der

’st si,eht man voll-
gültige Werke. Max
Beckmann begegnet mit
Ueuen Bildern (Ab-
bildung oben) aus
Haris, der Münchener
mit
und

^äri„
Jüskar Coester
P'lumenstilleben
Landschaften.
Endlich fehlen
jüngeren

__ auch
’bje jüngeren Kräfte
’ücht: Josef Schari, über
Üen ich unlängst in der
Reitkunst“ geschrie-
ben habe, Erna Dink-
9ge, Rudolf Ernst.
Linier den Zeichnungen
Verdienen hervorge-
f'aben zu werden die
pötelzeichnung „Der
Läufer“ zu einer von
Yolkmann ausgeführten
Plastik von Marees,
besonders interessant
burch das Nebenein¬
ander von Naiurstudie
Utld freier Zeichnung
9Uf dem gleichen Blatte, und eine Bleistift-
zeichnung von Cezanne nach der barock be-
legten plastischen Gruppe „Perseus und An-
dromeda“ von Pierre Puget im Louvre: sie
bekundet 'wundervoll die ungemeine Vor-
stellungskraft Cezannes.
Eine eigene Abteilung ist der f r a n z ö -
s'sch en Meistergraphik von Dela-
Cr°ix bis Picasso gewidmet. In durchweg
®üten und teilweise seltenen Drucken be-
gegnet man dem berühmten Litho „Lion de
'stlas“ (1929) von Delacroix, Daumiers Litho
 
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