KUNSTGESCHICHTLICHE GRUNDBEGRIFFE
gleiche ist. Die Form als solche muß voll-
kommen bekannt sein, bevor sie in die
neue Erscheinung übergeführt werden
kann. Selbst in den kompliziertesten
Giebelbrechungen des Barock lebt immer
noch die Erinnerung an die Ausgangs-
form weiter, nur daß eben die alten For-
men ebenso wie die alten Fassaden- und
Raumgestaltungen nicht mehr als ganz
lebendig empfunden worden sind.
Erst für den neuen Klassizismus sind
die „reinen“ Formen auch wieder die
lebendigen gewesen.
Als Illustration zu diesem ganzen Ab-
schnitt geben wir nichts anderes als
das Nebeneinander von zwei Gefäßen: Holbeins Zeichnung zu einer Kanne
(radiert von W. Hollar) und eine Rokokovase aus dem Schwarzenberg-
garten in Wien. Dort die Schönheit einer Form, die sich vollständig offen-
bart, hier die Schönheit des Nie-ganz-Faßbaren. Modellierung und Füllung
der Flächen sind dabei gleich wichtig wie die Führung des Umrisses. Bei
ständig übersicht-
lichen Erschei-
nung. Der Künst-
ler des Rokoko da-
gegen hat grund-
sätzlich das ge-
mieden, was dort
gesucht ist: man
kann es anstellen,
wie man will, die
Form läßt sich nie
völlig erfassen und
festlegen, das „ma-
lerische“ Bild be-
hält etwas Uner-
schöpfliches.
Holbein geht die
plastische Form
in eine vollkom-
men klare und voll-
kommen erschöp-
fende Silhouette
ein und die orna-
mentale Muste-
rung füllt nicht
nur die in der
Hauptansicht ge-
gebene Fläche ge-
nau und reinlich
aus, sondern zieht
ihreWirkungüber-
haupt aus der voll- Holbein (Radierung v. W. Hollar)
Wien, Schwarzenberggarten
236
gleiche ist. Die Form als solche muß voll-
kommen bekannt sein, bevor sie in die
neue Erscheinung übergeführt werden
kann. Selbst in den kompliziertesten
Giebelbrechungen des Barock lebt immer
noch die Erinnerung an die Ausgangs-
form weiter, nur daß eben die alten For-
men ebenso wie die alten Fassaden- und
Raumgestaltungen nicht mehr als ganz
lebendig empfunden worden sind.
Erst für den neuen Klassizismus sind
die „reinen“ Formen auch wieder die
lebendigen gewesen.
Als Illustration zu diesem ganzen Ab-
schnitt geben wir nichts anderes als
das Nebeneinander von zwei Gefäßen: Holbeins Zeichnung zu einer Kanne
(radiert von W. Hollar) und eine Rokokovase aus dem Schwarzenberg-
garten in Wien. Dort die Schönheit einer Form, die sich vollständig offen-
bart, hier die Schönheit des Nie-ganz-Faßbaren. Modellierung und Füllung
der Flächen sind dabei gleich wichtig wie die Führung des Umrisses. Bei
ständig übersicht-
lichen Erschei-
nung. Der Künst-
ler des Rokoko da-
gegen hat grund-
sätzlich das ge-
mieden, was dort
gesucht ist: man
kann es anstellen,
wie man will, die
Form läßt sich nie
völlig erfassen und
festlegen, das „ma-
lerische“ Bild be-
hält etwas Uner-
schöpfliches.
Holbein geht die
plastische Form
in eine vollkom-
men klare und voll-
kommen erschöp-
fende Silhouette
ein und die orna-
mentale Muste-
rung füllt nicht
nur die in der
Hauptansicht ge-
gebene Fläche ge-
nau und reinlich
aus, sondern zieht
ihreWirkungüber-
haupt aus der voll- Holbein (Radierung v. W. Hollar)
Wien, Schwarzenberggarten
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