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KUNSTGESCHICHTLICHE GRUNDBEGRIFFE

die Richtung wird schließlich doch an den hervorragendsten Werken als
den eigentlichen Schrittmachern am klarsten abgelesen.

Eine andere Frage ist, ^wie weit man überhaupt von zwei Typen zu
sprechen das Recht hat. Alles ist Übergang und wer die Geschichte als
ein unendliches Fließen betrachtet, dem ist schwer zu entgegnen. Für uns
ist es eine Forderung intellektueller Selbsterhaltung, die Unbegrenztheit
des Geschehens nach ein paar Zielpunkten zu ordnen.

Nach seiner Breite ist der ganze Prozeß des Vorstellungswandels fünf
Begriffspaaren unterstellt worden. Man kann sie Kategorien der Anschau-
ung nennen, ohne Gefahr der Verwechslung mit den Kantschen Kategorien.
Obgleich sie offenbar eine gleichlautende Tendenz haben, sind sie doch
nicht aus einem Prinzip abgeleitet. (Für eine Kantsche Denkart müßten
sie als bloß „aufgerafft“ erscheinen.) Es ist möglich, daß noch andere
Kategorien sich aufstellen lassen — sie sind mir nicht erkennbar geworden —,
und die hier gegebenen sind nicht so unter sich verwandt, daß sie in teil-
weis anderer Kombination undenkbar wären. Immerhin, bis zu einem ge-
wissen Grade bedingen sie sich gegenseitig und, wenn man den Ausdruck
nicht wörtlich nehmen will, kann man sie wohl als fünf verschiedene An-
sichten ein und derselben Sache bezeichen. Das Linear-Plastische hängt
ebenso zusammen mit den kompakten Raumschichten des Flächenstils wie
das Tektonisch-Geschlossene eine natürliche Verwandschaft mit der Selb-
ständigkeit der Teilglieder und der durchgeführten Klarheit besitzt. Anderer-
seits wird die unvollständige Formklarheit und die Einheitswirkung mit
entwertetem Einzelteil sich von selber verbinden mit dem Atektonisch-
Fließenden und im Bereich einer impressionistisch-malerischen Auffassung am
besten Unterkommen. Und wenn es scheint, als ob der Tiefenstil nicht not-
wendig zur Familie gehöre, so ist dem entgegenzuhalten, daß seine Tiefen-
spannungen ja ausschließlich auf optische Wirkungen auf gebaut sind, die nur
für das Auge, nicht aber für das plastische Gefühl eine Bedeutung haben.

Man kann die Probe machen: es wird unter unseren Abbildungsbelegen
kaum ein Stück sich finden, das nicht auch unter jedem der andern Ge-
sichtspunkte als Beispiel verwertbar wäre.

2.

Formen der Alle fünf Begriffspaare lassen sich deuten im dekorativen und im imi-

Imitation und Dativen Sinne. Es gibt eine Schönheit des Tektonischen und es gibt eine
derDekoration

Wahrheit des Tektonischen, eine Schönheit des Malerischen und einen be-
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