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DIE KUNST ALBRECHT DÜRERS

- Dürer berichtet darüber in der Familienchronik —, den Vater ,,reute die verlorene
Zeit“, aber schließlich ließ er ihn gewähren und gab ihn zu Michael Wolgemut in die
Werkstatt. Er war fünfzehneinhalb Jahr alt damals. Die Lehrzeit sollte drei Jahre
dauern. ,,In der Zeit verlieh mir Gott Fleiß, daß ich wohl lernte.“ Aber von den Gesellen
in der Werkstatt habe er viel leiden müssen, fügt er hinzu. Mit neunzehn Jahren, im
Frühling 1490, zog er aus auf die Wanderschaft: ,,und da ich ausgedient hatte, schickte
mich mein Vater hinweg, und ich blieb vier Jahre außen, bis daß mich mein Vater wieder
forderte.“ Wo er war, sagt er uns nicht. Wir wissen aber aus anderen Berichten, daß
Kolmar und die Werkstätte Martin Schongauers ein Hauptziel der Wanderschaft waren.
Indessen scheint er weite Umwege gemacht zu haben und als er nach Kolmar kam,
kam er zu spät: unvermutet war Meister Martin 1491 gestorben. So blieb er eine Weile
bei den Brüdern, ging dann nach Basel — dort finden wir ihn im Dienste des Holz-
schnitts -, und eine weitere Nachricht läßt noch einen Aufenthalt in Straßburg für 1494
erschließen.

Seit Pfingsten dieses Jahres aber, wie gesagt, ist er wieder in Nürnberg. Gleich nach
der Heimkehr gründet er den eigenen Herd, indem er die Frau heiratet, die ihm der
Vater nach üblicher Weise ausgesucht hatte. Sie hieß Agnes Frei, war aus wohlhabendem
Haus, eine nüchterne Person mit stumpfen Zügen, von der man wohl begreift, daß böse
Zungen sie als ein Kreuz für den Maler bezeichnen konnten. Wir brauchen hier in
bezug auf sein eheliches Glück keine Rechnung aufzustellen und begnügen uns zu kon-
statieren, daß er mit der Frau — in kinderloser Ehe — bis zu seinem Tode schlecht
und recht zusammen gelebt hat.

Die künstlerische Persönlichkeit Dürers kennzeichnet sich von Anfang an durch eine
ungewöhnliche Feinfühligkeit der plastischen Form gegenüber. Man merkt, daß die
Dinge der Sichtbarkeit ihm mehr sagten als den andern, und daß er früh einen neuen
Begriff von der Darstellungswürdigkeit und der Darstellungsfähigkeit der Natur sich ge-
bildet haben muß. Nicht als Fortführer einer Nürnberger Lokaltradition läßt er sich be-
greifen, sondern gleich tritt er als der Erbe der gesamten oberdeutschen Kunst uns ent-
gegen, und diese besaß damals ihre bedeutendste Potenz in Martin Schongauer. Neben
dem Eindruck Schongauers tritt in den Hintergrund, was auf die Unterweisung durch
Wolgemut und seine Genossen zurückgeführt werden kann.

Und nun war also Dürer in der Heimat Schongauers gewesen und hatte in den ober-
rheinischen Gegenden sich vollgesogen mit der feinen, beweglichen und ausdrucksvollen
Art dieser Kunst, und was soll man anderes erwarten, als daß er jetzt, zurückgekehrt
nach Nürnberg, der Fortsetzer, der Vollender des frühverstorbenen Meisters würde?
Allein da geschieht das Unerwartete: Dürer kommt unter den Eindruck Italiens. Die
Wirkung Schongauers kreuzt sich mit der Wirkung Mantegnas. Deutsche Spätgotik
begegnet sich mit italienischer Renaissance.

Wann die ersten italienischen Bilder an Dürer herankamen, ist nicht bestimmt zu sagen,
bald nach der Rückkehr aber nach Nürnberg, im Jahre 1494 und 1495, mehren sich
die Zeichen der Berührung so sehr und sind von solcher Stärke, daß eine Reise über die
 
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