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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 2): Die Malerei der Renaissance — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.48520#0045
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Die niederländifche Malerei des 15. Jahrhunderts.

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Brunnen des Lebens und dem Triumphe des Chriftenthums über das Juden-61'1“^"^«
thum. Unter einem reichen gothifchen Pyramidalbau thront Gott Vater, ein Madrid.
Nachklang der Hauptfigur auf dem Genter Altar, ihm zu Füfsen liegt das
Lamm, feitwärts fitzen Maria und Johannes der Evangelift; etwas tiefer, in
dem Eckthürmchen und auf der Terraffe, ftimmen fingende und muficirende
Engel ihren Hymnus an. Zu Füfsen des Lammes entfpringt der Quell leben-
digen Waffers, und an dem Brunnenbecken, in das er riefelt, erfcheinen unten
die Vertreter des überwundenen Alten und ihnen gegenüber die des fiegreichen
Neuen Bundes. Mag fchon durch diefen Gegenfatz das Motiv vom Brunnen
des Lebens hier ganz anders aufgefafst fein als im Genter Altar, fo ift doch
die Kenntnifs diefes Werkes vorauszufetzen. Aber während früher auf Hubert
van Eyck als Meifter gerathen wurde, während man neuerdings an Jan van
Eyck dachte, beweift doch die Ausführung dafs diefes Bild von keinem beider
Brüder herrührt, ja dafs es überhaupt keinem der bekannten flandrifchen Maler
zugefchrieben werden kann. Die Charaktere find ftellenweife leer im Vergleich
mit den Köpfen bei Jan van Eyck, die Behandlung ift ungleichartig. Aber
feine unmittelbare Schule ift zu erkennen, und die Entftehung fcheint noch
vor die Mitte des 15. Jahrhunderts zu fallen1).
Um diefelbe Zeit tritt uns auch ein mit Namen bekannter Meifter ent- Petrus
gegen: Petrus Criftus, bei dem, in Ermangelung von Nachrichten, der künft- Criftus”
lerifche Charakter es wenigftens höchft wahrfcheinlich macht, dafs er in der
Werkftatt von Jan van Eyck gebildet worden. Auch die biographifchen Daten
widerfprechen dem nicht. Petrus Criftus, Sohn eines Peter, flammte aus dem
Flecken Baerle bei Deynze, erlangte am 6. Juli 1444 das Bürgerrecht zu
Brügge und kommt in der Folge dafelbft wiederholt urkundlich vor; 1463
verfertigt er im Auftrage der Stadt eine grofse Darftellung der Wurzel Jeffc
für Proceffionen, zuletzt erfcheint er am 19. März 1472 als Bevollmächtigter
der Malergilde bei einer Differenz derfelben mit dem herzoglichen Maler Pierre
Couftain2). Peter nähert fich Jan van Eyck in der Technik, der Kraft der
Farbe, der forgfältigen Ausführung, aber ohne ihn jemals zu erreichen. Seine
Empfindung hat etwas Nüchternes, fein Schönheitsgefühl ift gering und die
Zeichnung oft fchwächlich, die Bewegung fteif. Dafs er, wie Jan van Eyck,
feine Bilder häufig bezeichnete und datirte3), ift der Kunftgefchichte zuftatten
gekommen.
Am beften ift er vielleicht im Bildnifs, wie in dem fchlichten, im Colorite Portrait.
trefflichen, 1446 datirten Bruftbilde des Edwrard Grimfton, damals engli-

1) Stich bei E. Förfler, Denkmale, VI. — Paffavant wollte hier Hubert van Eyck fehen, Crowe
und Cavalcajelle haben das Bild Jan zugefchrieben und wollten hier, auf unficherer Grundlage fort-
bauend, fogar die Bildniffe der beiden Brüder gefunden haben. Waagen, in Zahns Jahrbüchern für
Kunftwiffenfchaft, I, 39, wollte die Erfindung zwar auf Hubert zurückführen, nicht aber die Ausführung,
in deren Kritik er mit Mündler übereinftimmte.
2) James Weale in feiner Zeitfchrift »Le Beffroi«, I, S. 235, vgl. auch S. 151, 204. — L. de
Laborde, Les ducs de Bourgogne: Petrus Cristus hat im Jahre 1454 drei Copien eines wunderthätigen
Marienbildes in der Kathedrale zu Cambrai zu machen. I, p. CXXVI.
3) Petrus Criftus oder Crifti, mit abgekürztem Chriflusmonogramme. Nur das Mifsverftändnifs
einer folchen Abkürzung ift wohl die Urfache zu Waagen’s Angabe, dafs das weibliche Bildnifs in
Berlin am Rahmen die Bezeichnung »Petrus Chriftophori« enthalten habe, und nur irrthtimlich hat
man den Maler früher Peter Chrißojhfon genannt.
 
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