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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 2): Die Malerei der Renaissance — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.48520#0052
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Drittes Buch. I. Abtheilung. Erfter Abfchnitt.

fein, das Paffionfcenen und chriftliche Martyrien gewohnt war, und Rogier
war der Mann, fie ergreifend und anfchaulich darzuftellen. Wir befitzen von
diefcn Schöpfungen nur noch fpätere Nachbildungen, die aber nicht einmal
den Anfpruch erheben können, eigentliche Copien zu fein, in den flandrifchen
Teppichen der Stadtbibliothek zu Bern *).
Kreuz- Als Hauptwerk Rogier’s fchildert Carei van Mander die Kreuzabnahme
“Madrid.’in der Frauenkirche vor der Stadt zu Löwen, die dann in königlichen
Befitz nach Spanien gekommen war (Fig. 147). Unter den drei Exemplaren, die
jetzt in Spanien vorhanden find, hielten Crowe und Cavalcafelle das im Mufeo
del Prado, Waagen das in der Antefacriftei der Escurialkirche für das Origi-
nal. Es ift eine Compofition von zehn faft lebensgrofsen Figuren, die in dem
knappen, in der Mitte überhöhten Rahmen fchwer Platz finden, und zwar auf
Goldgrund, der bei gröfseren Altarbildern noch immer vielfach Anwendung
fand. Die harten, fcharfen Bewegungen der mageren Geftalten find hier be-
fonders auffallend, aber die Compofition wird von dem herabgelaffenen Leich-
nam trefflich beherrfcht, und in den um ihn Befchäftigten, in der Magdalena,
die in heftigem Weinen fich über feine durchbohrten Füfse neigt, in der Gruppe
um die ohnmächtige Maria, ergreift der Ausdruck des Schmerzes, bald milder
und gefafster wie in den männlichen Charakteren voll individueller Eigenart,
bald leidcnfchaftlicher wie in einigen der Frauen, deren Züge etwas Typifches
haben1 2). Eine kleinere Replik mit Veränderungen bildet die Mitteltafel des
Löwen. 1443 datirten Altars in St. Peter zu Löwen, auf deffen Flügeln der Stifter
Willem Edelheer und feine Gattin Alyt mit ihren Kindern und mit Heili-
gen zu fehen find3).
Altärchen Ein durch ältere Nachrichten beglaubigtes Werk, das für die neuere Kritik
flores, den Ausgangspunkt gebildet hat, um zahlreiche andere Arbeiten des Meiflers
feftzuftellen, ift das im Berliner Mufeum befindliche Marienaltärchen aus der
Karthaufe Miraflores bei Burgos, 1445 durch König Johann II. dorthin
geftiftet und in alten Aufzeichnungen des Klofters als Werk des »grofsen und
berühmten flandrifchen Meifters Rogel« erwähnt4). Das Triptychon, aus drei
gleichen Tafeln beftehend, enthält links die Geburt Chrifti, bei welcher das
nachdenkliche Geficht Jofephs faft in das Komifche geht, in der Mitte die Be-
weinung Chrifti, deffen Leichnam in Maria’s Schofs liegt, und rechts den
Auferftandenen, der feiner Mutter erfcheint. Hier find ihre Betroffenheit und
und fchmcrzliche Freude von einem Adel in Zügen und Geberde, den Rogier

1) Al. Pinchart-. Roger v. d. Weyden et les tapisseries de Berne. Bulletins de l’Academie royale
de Belgique, II. Serie, T. XVII. Bruxelles 1864, S. 54. — Gottfried Kinkel: Die Brüffeler Rathhaus-
bilder des Rogier van der Weyden und deren Copien in den burgundifchen Tapeten zu Bern; Mofaik
zur Kunftgefchichte. Berlin 1876, S. 302.
2) E. Förfter, Denkmale, XI. — Eine Copie aus Rogiers Schule, 1488 datirt, im Berliner
Mufeum.
3) Die Originalität diefes Triptychons wird von Crozve und Cavalcafelle Beitritten: wir glauben
mit Unrecht. Die Stifterinfchrift auf der Rück feite der. Flügel beftätigt, dafs es derfelbe Edelheer’fche
Altar ift, welchen Molanus in feiner handfchriftlichen Chronik von Löwen mit der Kreuzabnahme aus
der Marienkirche als Werk Rogier’s nennt. Vgl. Ch. Piot in der Revue d’histoire et d’archeologie,
Bd. III. Aber nur mit Unrecht ift eine Hausmarke des Stifters vor jener Infchrift für ein verftüm-
meltes Monogramm Rogier’s angefehen worden. — Vgl. Le Beffroi I, S. 105.
4) Ponz, Viage de Espana, Madrid 1783, XII, S. 58.
 
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