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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0364
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BESPRECHUNGEN. 357

sehen will! Dieser Standpunkt, den theoretisch freilich auch Hebbel eingenommen
hat, entspringt nicht dem künstlerischen Wesen des Tragischen und ist daher für
das Verständnis der Tragödie unzureichend.

Auf die Behandlung Hebbels und Ibsens, welche den Schluß des kleinen Buches
bilden, brauchen wir nicht näher einzugehen; sie fügen dem Gesamteindruck
keinen neuen Zug hinzu. Denn dieser läuft darauf hinaus, daß der herrschende
Grundgedanke von außen her an das behandelte Gebiet herangebracht, nicht aus
ihm selber erwachsen ist und ihm daher nicht gerecht zn werden vermag. Wie der
Referent so werden auch andere das geistreiche kleine Buch mit Interesse lesen,
aber sich mehr zum Widerspruch als zur Beistimmung angeregt finden.

Posen.

_________ Rudolf Lehmann.

Frederik Poulsen, DerOrient und die frühgriechische Kunst. Verlag
von B. G. Teubner, Leipzig-Berlin 1912. VI u. 195 S. 4°.

Das mit zahlreichen Abbildungen ausgestattete Werk bedeutet einen wertvollen
Beitrag zur frühgriechischen Kunstgeschichte und ihr Verhältnis zur orientalischen
Kunst. Im ersten Teil wird eine große Gruppe von Silber- und Bronzegefäßen des
9.—7. vorchristlichen Jahrhunderts mit hauptsächlich ägyptischen und assyrischen
Dekorationselementen zum ersten Male in übersichtlicher Vollständigkeit zusammen-
gestellt und ihr phönikischer Ursprung mit Sicherheit erwiesen. Daran schließt sich
eine Untersuchung über phönikische und hittitische Elfenbeinarbeiten und andere
Erzeugnisse der phönikischen [Kleinkunst, besonders die sogenannten Tridacna-
muscheln. Auf dieser Grundlage wird alsdann der Einfluß der orientalischen,
speziell der phönikischen und hittitischen Kunst auf die frühgriechische erörtert
und das eigentlich Griechische gegen das Orientalische abgegrenzt. Ausführlich,
und mit voller Beherrschung des gewaltigen Materials, werden dabei die altrhodische
Kunst, die Elfenbeinfiguren aus dem ephesischen Artemision, die griechisch-geo-
metrische Kunst und die italisch-etruskischen Funde behandelt. Den Beschluß machen
Einzeluntersuchungen, einmal über die >Etagenperücke«, die im Gegensatz zu der
Ansicht älterer Forscher als phönikisch angesehen wird, dann über die Bedeutung
der »frühkretischen« Kunst (d. h. der kretischen Kunst des 7. Jahrhunderts) für die
Geschichte der Plastik. Hier hätte die Polemik gegen Löwys verdienstliche Arbeiten
weniger scharf sein können. Endlich wird in sehr einsichtiger und überzeugender
Weise das Verhältnis der Homerischen Gedichte zu den Denkmälern des kretisch-
mykenischen und orientalischen Kulturkreises erörtert und der enge Zusammenhang
mit der kretisch-mykenischen Kultur scharf abgelehnt. Dieses Kapitel halte ich für
besonders wertvoll; jedoch kann ich die Ausführungen S. 183, wo gegen F. Winter
vor der Parallelisierung von Dichtung und Kunst gewarnt wird, nicht für richtig
halten, namentlich nicht auf Grund der Beweisgründe, die aus dem Vergleich der
Frührenaissance angeführt werden — denn hier läßt den Verfasser seine Gelehrsam-
keit im Stich.

Greifswald. Erich Pemice.

Wilhelm Worringer, Formprobleme der Gotik. München 1911.

Wenn jemand sich die Aufgabe stellt, in der Kultur der nachantiken Zeit, deren
Ausdruck in der Kunst wir in den merowingisch, karolingisch, romanisch, gotisch ge-
nannten Stilen sehen, etwas Eigenes, spezifisch Nordisches zu suchen und zwar im
Gegensatz zu der griechisch-römischen Kultur, deren Nachwirkungen sich oft genug
über diese neue und eigene Entwicklung gelegt haben, ohne sie doch jemals ganz
 
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