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78 K. BERGER, Z. ANTIKENAUFFASSUNG I. D. KUNSTTHEORIE

des Landschaftsmalers zu hören, seinen Schönheitsidealismus angewandt
zu finden auf die Natur, wenn es weiter heißt: „Da ist nicht bloß Nach-
ahmung der Natur, wie man sie leicht rindet; es ist die Wahl des Schön-
sten: Ein poetisches Genie vereint bei den beiden Poussin alles was groß
und edel ist; sie versetzen uns in jene Zeiten, für die uns die Ge-
schichte und die Dichter mit Ehrfurcht erfüllen, und die Länder, wo die
Natur nicht wild, aber groß in ihrer Mannigfaltigkeit ist, und wo unter
dem glücklichen Klima jedes Gewächse seine gesun-
deste Vollkommenheit erreicht. Ihre Gebäude sind nach der
schönen Einfalt der alten Baukunst aufgeführt, und ihre Bewohner
von edelm Ansehen und Betragen, so wie sich unsere Einbildungskraft
Griechen und Römer denkt, wenn sie von ihren großen Handlungen
begeistert ist, und sich in ihre glücklichsten Zeiten versetzt. Anmuth und
Zufriedenheit herrschen überall in den Gegenden, die uns Lorrain malt;
sie erwecken in uns eben die Begeisterung, eben die ruhigen
Empfindungen, welche die Betrachtung der schönen Natur selbst er-
weckt; sie sind reich ohne Wildheit und Gewimmel; mannigfaltig, und
doch herrschet überall Schönheit und Ruhe."

Winckelmann konnte auf die Alten hinweisen und sie den Neuen als
ewige Muster der Nachahmung vorhalten: „zu werden wie sie", das
war das Ziel. Gessner überträgt den Winckelmannschen Schönheitsidealis-
mus auf die Landschaft, er teilt ihr dieselben Attribute zu: das Große,
das Edle, das Stille und darüber das Wahre. So ahnt Gessner in den
Landschaften der Claude Lorrain und Poussin die Seele der antiken
Natur, von der er keine künstlerische Darstellung hat, und nach diesem
Ideal sucht er sich selbst zu bilden, denn das Höchste, wonach der Land-
schafter streben soll, ist auch für ihn die Harmonie in der Stille, in
der Einfalt. Das ist „die große poetische Idee", die er unablässig in der
Natur sucht und — als Landschafter — findet. Die sentimentalische
Landschaft des Zeitgeschmacks seiner eigenen Dichtung, wozu Idylle und
heroische Landschaft und die charakteristische Form der „heroischen
Idylle" gehören — Idylle mit antik „heroischer" Staffage und „erhabene"
Natur mit antikischem Schäferidyll — diese Landschaft wird ihm in den
Gedanken über die „Landschaftsmalerei' zur wahren Natur der Alten im
Sinne des Winckelmannschen Idealismus.
 
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