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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Nachrichten und Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0214
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367

1888.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

368

Nachrichten.

V

Aufgrabungen in der Krypta der
Abteikirche zu Werden.

a) S t e i n s a r k o p h a g.

Als der hl. Ludgerus, der erste Bischof von Münster
und Stifter der Abtei Werden, im Jahre 809 starb,
ging der Besitz dieses Klosters gemäfs dem damaligen
Brauche, wonach die aus Privatmitteln gegründeten
Klöster sich unter den geistlichen Anverwandten des
Stifters weiter vererbten, zuerst auf Ludgers Bruder,
Hildigrim I., Bischof von Chalons, über. Nach seinem
Tode im Jahre 827 folgten ihm seine Neffen, zuerst
Gerfrid, zweiter Bischof von Münster (f 839), Thiat-
grim (t 840), Altfrid, dritter Bischof von Münster
[f 849) und endlich Hildigrim IL, Bischof von Halber-
stadt (f 887 oder 888). Er war der letzte der
Ludgeriden in Besitz und Verwaltung von Werden;
unter seiner Zustimmung erging am 22. Mai 877 das
königliche Privileg für Werden, wodurch Ludwig III.
bestimmte, dafs Werden Hildigrim untergeben sein
solle, so lange er lebe, dafs nach seinem Tode aber
die Mönche das Recht der freien Abtswahl und der
eigenen Gerichtsbarkeit geniefsen sollten.

Der hl. Ludgerus ist entsprechend der von ihm
selbst getroffenen Bestimmung zu Werden beigesetzt
worden; auch von seinen fünf Nachfolgern im Besitze
Werdens hat sich keiner begraben lassen an der
Stätte seines bischöflichen Wirkens; sie haben alle
'hre Ruhe gesucht in Werden, in der Nähe ihres
heiligen Anverwandten. Ihre Grabstätten in der Krypta
der Abteikirche waren früher durch Tumben ge-
schmückt, welche leider im Jahre 1783, ohne eine
Spur zu hinterlassen, beseitigt worden sind. Die Nach-
richten über die Lage derselben sind dunkel und sich
widersprechend, namentlich ist dies der Fall in Bezug
auf das Grab Hildigrim I. Zwei verschiedene Oertlich-
keiten können nach dei Ueberlieferung dafür in Be-
tracht kommen. An einer derselben habe ich jüngst
Nachgrabungen vorgenommen. Dieselben waren inso-
fern von Erfolg begleitet, als an der in's Auge ge-
fafsten Stelle ein Sarkophag aufgefunden wurde. Der-
selbe ist aus einem 2,07 m langen, 73 cm breiten
Steinblock, dessen Tiefe nicht freigelegt wurde, her-
gestellt. Die innere Grabnische ist 1,89 m lang, 53 cm
breit und 44 cm tief. Die Wandungen sind 10 cm
stark. Die Decke wird gebildet aus einer sargdeckel-
artig gestalteten, am äufseren Rande 7 cm starken
Steinplatte. Die Leiche war, wie deren noch erhaltene
Reste ergaben, darin gebettet, mit dem Haupte nach
Westen, also (entsprechend der kanonischen Vorschrift)
nach dem Altar gerichtet, welcher sich früher am
Grabe des hl. Ludgerus erhol). Geruht hatte das
Haupt des hier Bestatteten auf einer am Kopfende
angebrachten 20 cm breiten und G cm hohen Stein-

platte, deren Länge der Breite des Grabraumes ent-
sprach. Der Schädel lag auf der Brust; das Haupt
mufs somit ziemlich auf der Kante des Steines gelegen
haben und bei eingetretener Verwesung heruntergefallen
sein. Keine Spur wies darauf hin, dafs das Grab
jemals geöffnet und die Lage der Gebeine verändert
worden ist; dieselben sind auch jetzt unberührt ge-
blieben, jedoch hat sich auf Grund ungefährer Mes-
sungen feststellen lassen, dafs die Reste einem dünn-
knochigen Manne von mittlerer Gröfse angehört haben.
Der Boden des Sarges war mit einer Schicht
eingetrockneten schwarzen Staubes bedeckt; ob sich
in demselben vielleicht noch Gewandreste oder kleinere
Beigaben erhalten haben, mufs vorläufig dahingestellt
bleiben; gröfsere Beigaben werden sich indefs nicht
vorfinden, dieselben hätten sonst sichtbar sein müssen.

b) Mosaik fussbode n.
Die Grabkammer, welche früher das Grab des hl.
Ludgerus umschlofs, war bis zu ihrer Umgestaltung
im Jahre 1879 mit einem Mosaikfufsboden versehen,
der, aus einzelnen Bruchstücken roh zusammengefügt,
keinen Zweifel darüber liefs, dafs er in dieser Gestalt
nicht ursprünglich für diese Stelle bestimmt sein konnte.
Die Ansichten, welchem Raum er anfänglich angehörte,
beruhten jedoch lediglich auf Muthmafsungen. Die
Nachgrabungen, welche sich an die Aufdeckung des
vorbeschriebenen Grabes anschlössen, haben in dieser
Beziehung volle Klarheit gebracht; sie führten nämlich
etwa 15 cm unter dem jetzigen Fufsboden der Krypta
zur Auffindung eines Mosaikfufsbodens, welcher in
seiner Formgebung und in der Art seiner Herstellung
vollständig mit den Bruchstücken in der Grabkammer
übereinstimmt. Derselbe schliefst sich an der offen-
gelegten Stelle in einem besonderen Randmuster an
eine der Mittelschiffsäulen an; es ergiebt sich daraus,
dafs der Mosaikbelag für die sich östlich an die Lud-
gerus-Gruft anschliefsende Krypta hergestellt worden
ist.') Die erwähnten Bruchstücke sind dann bei Her-
stellung des jetzt vorhandenen Belags (wahrscheinlich
1783) in die Grabkammer übertragen worden.

Die Ansichten über die Zeit der Entstehung jenes
Mosaiks gehen weit auseinander; Wulff neigt sich
dem IX., aus'm Weerth dem XI. Jahrhundert zu. Es
mufs einer späteren Erörterung vorbehalten werden,
welcher dieser Angaben die gröfsere Wahrscheinlichkeit
zur Seite steht.

Angesichts dieser Entdeckungen hat der Kirchen-
vorstand beschlossen, demnächst den Fufsboden der

1) Auf eine Beschreibung desselben mufs hier für jetzt ver.
ziehtet werden. Es sei hingewiesen auf die Abbildungen bei
Wulff: „Die ältesten Theile der Abteikirche zu Werden", Organ
für christliche Kunst, Jahrg. 1865 (S. 2131; aus'm Weerth: „Der
Mosaikboden in St. Gereon zu Köln", Bonn 1873 (S. 11).

R&H
 
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