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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Escherich, Mela: Studien zur seeschwäbischen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0054

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 2/3

Das Kartenspiel der kg 1. Staats- und Altertümer-
sammlung in Stuttgar t17. 49 Karten, Deckfarben auf Goldgrund. Um
1430. Großartiger Realismus. Tierdarstellung, die zu Vergleichen mit japanischer
Naturauffassung herausfordert. In der Beobachtung der Hunde, der Art, wie
sie sich bewegen, springen, beißen, an der Koppel zerren, sich belecken, Vor-
läufer des Hausbuchmeisters. Die Figuren stimmen nahe mit denen des Frank-
furter Paradiesgärtleins überein. Die häufig angewandte Zaddeltracht läßt kaumein
späteres Datum als 1430 zu.

In den Kreis dieser Künstler, als dessen stärkste Persönlichkeit Stefan
Lochner hervorgeht, gehört auch der Meister der 1914 in der Heilig-
kreuzkirche zu Rottweil aufgedeckten Wandmalereien, vielleicht auch
der Meister der Wandgemälde auf Burg Zwingenberg a. N. Das Charakte-
ristische dieser Gruppe ist ihr blühender und eleganter Stil. Große Leichtigkeit
des Entwurfs, bezaubernde Lieblichkeit und Liebenswürdigkeit. Sie haben den
Frühling gepachtet. Maiglöckchen, frühe Rosen und Erdbeeren, Primeln, Ake-
leien, Ins, Singvögel im bunten Liebeskleide umgeben minnige Fräulein und
Knaben. Volkstypen fehlen. Die Maler scheinen sich — was besonders für den
Miniator des Stuttgarter Kartenspiels zutrifft — ihre Vorbilder in den höheren
Kreisen gesucht zu haben. Ihre Kunst spiegelt das gesellschaftliche Leben des
Ritterstandes wieder. Die Szene des Frankfurter „Paradiesgärtleins" könnte in
einem Burggärtlein skizziert worden sein. Das Ideal dieser Kunst, so jugendlich
und taufrisch sie auch aufblühte, ist streng genommen ein retrospektives. Es hat
seinen Ursprung in der hochmittelalterlichen Ritterkultur, deren Erinnerung sich
durch Werke wie die Manessehandschnft noch lange forterhielt.

Das zweite und dritte Drittel des XV. Jahrhunderts zeigt in der seeschwä-
bischen Kunst ein verändertes Bild. Dadurch daß Lochner an den Niederrhein
zog, verlor sich am Bodensee seine Richtung. Wo Lukas Moser blieb, wissen wir
nicht. Aber jedenfalls hat er auch keine Spuren hinterlassen. Einzig Witz, der
in Basel der tonangebende Meister wurde, blieb, wie es scheint, in befruchtender
Fühlung mit seiner Heimat, insofern, als wir annehmen dürfen, daß seeschwä-
bische Künstler bei ihm lernten. Jedenfalls fand — vielleicht auch dadurch, daß
durch das Konzil Basel den Kunstmarkt an sich riß — eine starke Verschiebung
des künstlerischen Lebens nach Westen statt. Basel löst Konstanz ab. Die
seeschwäbische Kunst verliert sich in der oberrheinischen.

In dem Basler Künstlerkreis um Konrad Witz haben wir eine Reihe von
Erscheinungen, die sehr gut der Bodenseegegend angehören könnten, aber vor-
läufig, so lange Beweise fehlen, nicht anders wie „oberrheinisch" genannt werden
dürfen. Da ist der Meister von 1445, den Bossert18 gerne in Konstanz
lokalisieren möchte, und dessen Schüler, der Meister der Kreuzigung
im Altertumsmuseum zu Schaffhausen, Bossert bringt mit
ersterem das Kreuzigungsbild in der Margaretenkapelle
des Konstanzer Münsters in Verbindung. Wenn dieses wahrschein-

15 M. Geisberg, Das Kartenspiel d. kg], Staats- und Altertümersamml. in Stutt-
gart. Heitz, Straßburg 1910.

18 H. Th. B o s s e r t , Zur E.-S.-Forschung. Mon. f. Kunstwissensch. III, 287. 1910.
 
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