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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Schnütgen, Alexander: Drei kleine mittelalterliche Guss-Reliquiare der Sammlung Schnütgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0218

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194

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 12

frommen häuslichen Privatgebrauch dienen sollten, keineswegs ausgeschlossen ist.
— Die drei, durch dieGüte meines Freundes, desHerrn
MünsterbaumeistersLudwig Arntz, perspektivisch wie
von obeninnatürlicherGröße hier abgebildeten Exem-
plare meiner Sammlung sind selten und bedeutsam genug, für sich
allein einer näheren Beschreibung unterzogen zu werden.

Nr. I, auf der Nachlaßversteigerung des zu Unkel gestorbenen Generals Otto
von Niesewand bei J. M. Heberle (H. Lempertz Söhne) in Köln 1885, Katalog
Nr. 375, erworben, vermutlich aus dieser Gegend (vielleicht aus Köln) stam-
mend, hat offenbar eine einschiffige, doppelchönge Kirche, etwa des X. Jahrh.,
als Vorbild gehabt, ähnlich der im Hilhnuskodex der Kölner Dombibliothek als
Bekrönung des Titelblattes abgebildeten, von Hasak in seinem „Der Dom zu
Köln" reproduzierten, allerdings dreischiffigen Anlage. Die dreigeschossigen,
helmartig geschlossenen runden Flankiertürme mit ihren Fensteröffnungen an den
beiden halbkreisförmigen Apsiden kehren auch hier wieder; einschließlich des
Wulstes, der das unterste Geschoß mit dem Dachfirst der Koncha, als umlaufendes
Band, ähnlich dem Sockel, zu einheitlicher Wirkung verbindet. — Das Satteldach
bewegt sich in kräftigen angegossenen Scharnieren als Deckel für das Gefäß, dessen
Innenraum bis in die Chöre hineinreicht, so daß hier also ein technisch muster-
haftes, immer noch tadellos funktionierendes Bronzegußstück vorliegt, wie es als
aus dieser Zeit in Köln entstanden angenommen werden darf. — Wenn es aber
dem inneren Altardienst geweiht war, dann mag die Entfernung aus demselben
schon lange vorher stattgefunden haben, da es viele Spuren des Gebrauches zeigt,
auch vorzügliche Patina.

Nr. II. Dieses ebenfalls nur durch Bronzeguß gewonnene Rehquiar steht auf
vier aus den Ecken auskragenden Drachenbüsten, und das von ihnen getragene
Deckelkästchen ist zweigeschossig mit pyramidenförmigem Walmdach. Die
unteren Vorder- und Seitenflächen sind mit einem eingemeißelten Rankenorna-
ment geschmückt, welches der (nicht für die Beschauung bestimmten) Rückseite
fehlt. Die Seiten des Aufsatzes sind glatt, aber die unteren geraden Flächen, wie
das ganze Dach sind geschindelt. In derb gearbeiteten Scharnieren klappt der
Deckel, der in eine ebenfalls oblonge schmale First endigt, mit einer, wohl für
ein Kreuzchen bestimmten Vertiefung. — Da dieses durch die Form der Drachen-
füße und Ornamente die romanische Spätperiode als seine Ursprungszeit sofort
verratende Reliquiar seit unvordenklichen Zeiten in der Familie Engelbert
Liese, früher in Olpe (jetzt in Köln), sich befand, die es mir für meine Samm-
lung verehrte, darf es um so mehr als häusliches Andachtsobjekt angesehen werden,
als es deutliche Spuren langer Benutzung zeigt, ganz abgesehen von der starken
Patina. Da diese Familie in der alten Stadt Olpe bereits 1534 als ansässig er-
scheint, auch beteiligt an den in der Nachbarschaft schon im XII. Jahrh. erwähnten
Hammerwerken und Metallgruben (nebst Schmelzwerkstätten), so dürfte die Ver-
mutung begründet sein, daß dieses kleine Rehquiar aus diesem Betnebe als älteres
Inventarstück stammt. — Und dieses um so mehr, als in dem sonst an alten
kirchlichen Ausstattungs- und Gebrauchsgegenständen dürftigen Kreise (vergl.
Die Kunstdenkmäler Westfalens von Ludorff: Kreis Olpe, Münster 1903) mehrere
Bronzegefäße und -gerate durchaus verwandter Technik aus dieser frühen Zeit,
als große Seltenheiten, sich erhalten haben. — Als solche kommen namentlich in
 
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