Einleitung
Die insgesamt 848 Codices Palatini germanici (Cod. Pal. germ.) sowie die althochdeutsche Otfrid-
Handschrift Cod. Pal. lat. 52 waren bis zum Dreißigjährigen Krieg Teil der Heidelberger Biblio-
theca Palatina1. Unter dieser Bezeichnung werden im Kern die Buchbestände der Universität, der
Stiftsbibliothek in der Heiliggeistkirche und der Schloßbibliothek der Kurfürsten von der Pfalz
verstanden, die von Kurfürst Ottheinrich (1502-1559; reg. 1556-1559), vermutlich im Zusam-
menhang mit einem geplanten Bibliotheksneubau, vereinigt wurden. Standort der Bibliotheca Pa-
latina waren die Emporen der Heiliggeistkirche, wo bereits zuvor universitäre Buchbestände un-
tergebracht waren. Auch nach Ottheinrichs Tod wurde die Sammlung noch erheblich vermehrt,
so 1584 durch die Bibliothek des Augsburgers Ulrich Fugger (1526-1584) (vgl. Abb. 37), über den
unter anderem die Otfrid-Handschrift sowie die Bilderhandschrift des Sachsenspiegels Cod. Pal.
germ. 164 nach Heidelberg gekommen sind.
Die Codices Palatini germanici bilden heute die älteste, über Jahrhunderte gewachsene größere
Sammlung deutscher Manuskripte, die sich geschlossen erhalten hat. Ihre mittelalterlichen Teile
machen sie zum viertgrößten Bestand dieser Art nach den Sammlungen in Berlin, München und
Wien . Überwiegend handelt es sich bei den Codices Palatini germanici um die volkssprachigen
Anteile der Schloßbibliotheken der Heidelberger Kurfürsten und ihrer Familien, angereichert um
die deutschen Zugänge aus dem Besitz Ulrich Fuggers. Keine einzige dieser Handschriften läßt
sich bisher auf die Universität zurückführen.
Der Charakter einer Hofbibliothek spiegelt sich auch in den fachlichen Schwerpunkten der Co-
dices Palatini germanici wider. Die meisten Handschriften, etwa ein Drittel des Bestandes, über-
liefern Medizinisches und Alchemisches, was auf das besondere Interesse der pfälzischen Kurfür-
sten vor allem an deutschen medizinischen Rezepten zurückzuführen ist . Schwerpunktmäßig
handelt es sich um etwa 220 Handschriften dieser Art aus dem 16. Jahrhundert; immerhin 60
Handschriften stammen aus früherer Zeit. Die zweitgrößte Gruppe mit etwa 235 Einheiten (ca.
28 %) ist die der theologischen Codices, von denen etwa 100 vor 1500 entstanden sind.
Etwa 120 Handschriften lassen sich den Bereichen Geschichte (mit Chroniken), Kalender, For-
mular- und Stammbücher zuordnen (ca. 14 %). Der überwiegende Teil, fast 100 Codices, stammt
aus dem 16. Jahrhundert. Erst an vierter Stelle sind die gut 100 Handschriften zu verzeichnen, die
mittelhochdeutsche und frühneuhochdeutsche Literatur überliefern (ca. 12 %); sie entstanden fast
auschließlich vor 1500. Mit weitem Abstand folgen die Fächer Astronomie/Astrologie (etwa 29
' Zur Geschichte der gesamten Bibliotheca Palatina bis zu ihrer Wegführung 1622/23 nach Rom in den Wirren
des Dreißigjährigen Krieges siehe Kat. Heidelberg, ÜB 1, S. XVII-XXXVII; Kat. Heidelberg, ÜB 3,
S. XI-XXXIV und den Ausstellungskatalog Bibliotheca Palatina.
2 Vgl. Karin Schneider, Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung, Tübingen
1999 (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte B/8), S. 6.
3 Matthias MiLLER/Karin ZiMMERMANN/Wolfgang U. Eckart, Vor das Juckenn an haimlichen ortenn, in: Ru-
perto Carola 3 (2002), S.4-10.
XI
Die insgesamt 848 Codices Palatini germanici (Cod. Pal. germ.) sowie die althochdeutsche Otfrid-
Handschrift Cod. Pal. lat. 52 waren bis zum Dreißigjährigen Krieg Teil der Heidelberger Biblio-
theca Palatina1. Unter dieser Bezeichnung werden im Kern die Buchbestände der Universität, der
Stiftsbibliothek in der Heiliggeistkirche und der Schloßbibliothek der Kurfürsten von der Pfalz
verstanden, die von Kurfürst Ottheinrich (1502-1559; reg. 1556-1559), vermutlich im Zusam-
menhang mit einem geplanten Bibliotheksneubau, vereinigt wurden. Standort der Bibliotheca Pa-
latina waren die Emporen der Heiliggeistkirche, wo bereits zuvor universitäre Buchbestände un-
tergebracht waren. Auch nach Ottheinrichs Tod wurde die Sammlung noch erheblich vermehrt,
so 1584 durch die Bibliothek des Augsburgers Ulrich Fugger (1526-1584) (vgl. Abb. 37), über den
unter anderem die Otfrid-Handschrift sowie die Bilderhandschrift des Sachsenspiegels Cod. Pal.
germ. 164 nach Heidelberg gekommen sind.
Die Codices Palatini germanici bilden heute die älteste, über Jahrhunderte gewachsene größere
Sammlung deutscher Manuskripte, die sich geschlossen erhalten hat. Ihre mittelalterlichen Teile
machen sie zum viertgrößten Bestand dieser Art nach den Sammlungen in Berlin, München und
Wien . Überwiegend handelt es sich bei den Codices Palatini germanici um die volkssprachigen
Anteile der Schloßbibliotheken der Heidelberger Kurfürsten und ihrer Familien, angereichert um
die deutschen Zugänge aus dem Besitz Ulrich Fuggers. Keine einzige dieser Handschriften läßt
sich bisher auf die Universität zurückführen.
Der Charakter einer Hofbibliothek spiegelt sich auch in den fachlichen Schwerpunkten der Co-
dices Palatini germanici wider. Die meisten Handschriften, etwa ein Drittel des Bestandes, über-
liefern Medizinisches und Alchemisches, was auf das besondere Interesse der pfälzischen Kurfür-
sten vor allem an deutschen medizinischen Rezepten zurückzuführen ist . Schwerpunktmäßig
handelt es sich um etwa 220 Handschriften dieser Art aus dem 16. Jahrhundert; immerhin 60
Handschriften stammen aus früherer Zeit. Die zweitgrößte Gruppe mit etwa 235 Einheiten (ca.
28 %) ist die der theologischen Codices, von denen etwa 100 vor 1500 entstanden sind.
Etwa 120 Handschriften lassen sich den Bereichen Geschichte (mit Chroniken), Kalender, For-
mular- und Stammbücher zuordnen (ca. 14 %). Der überwiegende Teil, fast 100 Codices, stammt
aus dem 16. Jahrhundert. Erst an vierter Stelle sind die gut 100 Handschriften zu verzeichnen, die
mittelhochdeutsche und frühneuhochdeutsche Literatur überliefern (ca. 12 %); sie entstanden fast
auschließlich vor 1500. Mit weitem Abstand folgen die Fächer Astronomie/Astrologie (etwa 29
' Zur Geschichte der gesamten Bibliotheca Palatina bis zu ihrer Wegführung 1622/23 nach Rom in den Wirren
des Dreißigjährigen Krieges siehe Kat. Heidelberg, ÜB 1, S. XVII-XXXVII; Kat. Heidelberg, ÜB 3,
S. XI-XXXIV und den Ausstellungskatalog Bibliotheca Palatina.
2 Vgl. Karin Schneider, Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung, Tübingen
1999 (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte B/8), S. 6.
3 Matthias MiLLER/Karin ZiMMERMANN/Wolfgang U. Eckart, Vor das Juckenn an haimlichen ortenn, in: Ru-
perto Carola 3 (2002), S.4-10.
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