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Vorwort

Kunstgeschichte als Bildwissenschaft vermag sowohl das Interesse der Spezi-
alisten als auch die Neugier der Nachbardisziplinen und des breiten Publikums zu
wecken. Das vorliegende Buch trägt diesem Umstand in mehrfacher Hinsicht Rech-
nung, so zunächst durch seine Unterteilung in einen Haupttext und einen Katalog-
teil. Der Gemäldekatalog resümiert die Forschungsgeschichte und den aktuellen
Kenntnisstand zu den Gemälden Botticellis, unterzieht die bisherigen Ergebnisse
einer kritischen Würdigung und ergänzt sie um neue Einsichten. Die eher für Spezia-
listen bestimmten Katalogeinträge sollten aber auch fachfremde Leser in die Lage
versetzen, die Werke Botticellis sowie ihre Grundlagen und Entstehungshedingun-
gen umstandslos zu verstehen. Gleichzeitig richtet sich der etwas weniger speziali-
sierte Haupttext auch an das Fachpublikum im engeren Sinne, denn hier wird das
CEuvre Botticellis unter Gesichtspunkten betrachtet, die in der bisherigen Forschung
bestenfalls am Rande zur Sprache gekommen sind.
Die neun Kapitel des Haupttextes orientieren sich zunächst an der Biographie
des Künstlers, folgen aber im wesentlichen einem gattungs- und sozialgeschicht-
lichen Ansatz. Daneben stehen Fragen nach der besonderen Bedeutung Botticellis
für unser Verständis frühneuzeitlicher Kunst überhaupt. So stellt das erste Kapitel
Botticelli als Protagonisten der bis in die Moderne gültigen Auffassung vor, daß ein
Künstler an seinem Personalstil erkennbar sei und daß die individuelle künstlerische
Handschrift ein Kriterium für die Bewertung seiner Kunst sein könne. Im zweiten
Abschnitt werden das Verhältnis zwischen Bild- und Betrachterraum, die Anwen-
dung der Zentralperspektive und der Bildwitz im Frühwerk Botticellis abgehandelt.
Zudem kommt hier ebenso wie im achten Kapitel der Umgang Botticellis mit der
Gattung des Altarbildes zur Sprache. Gattungs- und funktionsgeschichtlich orien-
tiert ist auch das dritte, dem Bildnis gewidmete Kapitel, das Botticellis Rolle als Pro-
tagonist der Porträtmalerei beleuchtet und die Funktionen seiner Einzelbildnisse im
Kontext mediceischer Bildpolitik herausarbeitet. Die Bildpolitik der Medici ist
neben anderen Aspekten auch Gegenstand des vierten Abschnitts, in dem es um die
frühen mythologischen Gemälde Botticellis und damit um seinen bedeutendsten Bei-
trag zur europäischen Kulturgeschichte geht. Hier kommt neben einem gattungs-
und funktionsgeschichtlichen Ansatz auch die Quellenkritik zur Anwendung.
Zudem werden die in den mythologischen Gemälden eingeschriebenen Geschlech-
terhierarchien und deren gesellschaftliche Voraussetzungen problematisiert.
Um völlig andere Aspekte geht es im fünften Kapitel, das Botticellis Fresken
in der Sixtinischen Kapelle gewidmet ist. Im Vordergrund der Analyse stehen die for-
male Organisation des Bildraums, die ikonographischen und stilistischen Besonder-
heiten der Fresken sowie Botticellis Reaktion auf Vorgaben der Kunstliteratur. Die
beiden folgenden Abschnitte knüpfen wiederum an Fragestellungen des vierten
Kapitels an. Hier geht es einesteils um die extrem gewalttätige Geschichte des Nasta-
gio degli Onesti und um die Gattung der Spalliera-Malerei sowie andernteils um die
späteren mythologischen Gemälde Botticellis. Ausgehend von diesen Gemälden
wird gefragt, inwieweit soziale und geschlechtsspezifisch definierte Vorstellungen

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