Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zoepfl, Heinrich
Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte: ein Lehrbuch in zwei Bänden (2,1): Geschichte der deutschen Rechtsquellen: compendiarisch dargest. — Stuttgart: Krabbe, 1846

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.47337#0025
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
§. 1. Charakter und Bezeichnungen.

13

Alle Leg es Barbarorum behandeln vorzugsweise das Straf-
recht 15): nebenbei auch, gewöhnlich mit geringerer Ausführlichkeit,
das öffentliche und Privatrecht und den gerichtlichen Prozess.
Nur in jenen Volksrechten, welche von Zeit zu Zeit einer Revision
unterlagen, wie die Lex Ripuarioum, Bajiivarioritm und Alamannorum,
begegnet man einer grösseren Berücksichtigung der öffentlichen Rechts-
verhältnisse, namentlich einer Darstellung der Reohte des fränkischen
Königs, des nationalen Herzogs und der christlichen Geistlichkeit. Die
feineren Materien des Privatrechts, namentlich das Vertragsrecht und
die sogenannten allgemeinen Lehren, nach deren Entwickelung die Höhe
der civilistischen Bildung eines Zeitalters zu bemessen ist, fehlen in
den meisten Volksrechten gänzlich, und wo sich in den Volksrechten,
wie z. B. im bayerischen und westgothischen Gesetze, einige Spuren
der Beachtung jener Rechtstheile finden, wird man durch diese überall
an ein römisches Vorbild erinnert. Ueberhaupt kann die Darstellung
keines Rechtstheiles in irgend einem der alten Volksrechte auf Voll-
ständigkeit Anspruch machen. Es ist daher eben so bedenklich, aus
dem Stillschweigen eines Volksrechtes über ein gewisses Rechtsinstitut
auf das Nicht-Vorkommen desselben bei einem gewissen Volksstamme
zu schliessen, als es gewagt ist, alles, was in einem einzelnen Volks-
rechte erwähnt wird, zu generalisiren, und als gemeines Recht aller
deutschen Stämme darzustellen. Gerade in dieser Beziehung ist der
Kritik das fruchtbarste Feld eröffnet: gerade-hier wird aber auch, der
Natur der Sache nach, noch lange Zeit am wenigsten eine Ueberein-
stimmung der Ansichten erreicht werden können, und nur ein fortge-
setztes Forschen wird hier später die richtige Gränze zwischen dem
allgemein- und dem partikulär-gültigen Rechte mit grösserer Sicherheit
erkennen lassen.
Mit Ausnahme der Gesetze der Angelsachsen, worin sich bereits
von der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunders n. Chr. an viele in
deutscher Sprache aufgezeichnete Stücke finden, welche somit nach
der Bibelübersetzung des Ulfias16) zu unseren ältesten Sprach-
,a) Sie waren also ihrer praktischen Bedeutung nach vorzugsweise Landfrie-
densgesetze (A'crgl. oben Note 13). — Ausdrücklich wird die Lex Salica in
dem Prologe der Emendata 4) als ein C r im in al c o d ex erklärt, indem als
Zweck ihrer Aufzeichnung angegeben wird: „ut juxta qualitatem causarum sumeret
actio criminalis terminum.“ — Auch der Inhalt der Leges Saxonum und Frisionum,
welche überhaupt mit besonderer Eilfertigkeit und mit absichtlicher Beschränkung
auf die nothwendigsten Bestimmungen abgefasst zu sein scheinen, ist fast durch-
gängig nur strafrechtlicher Natur. —
i6j Vergl, oben Bd. I, §. 16, Note 5. —
 
Annotationen