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Zoepfl, Heinrich
Deutsche Rechtsgeschichte (Bd. 3 : T. 2, Geschichte der Rechtsinstitute) — Braunschweig: Wreden, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.47346#0154
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138 §• 97. Gemeinde- und Privatbesitz.
so dass hiernach die Landesgemeinde als die Verleiherin des Pri-
vatbesitzes erscheint, indem sie bestimmt, was von ihrem Bezirke Ge-
meindebesitz (atmend, marca) bleibt, oder den Einzelnen als vererb-
licher Grundbesitz über lassen wird3). Dieses Prinzip hat sich
im Wesentlichen auch in den folgenden Zeitabschnitten und zum Theile
noch bis auf die neueste Zeit in den Landgemeinden erhalten 4).
IV. Aller Grundbesitz der Einzelnen konnte sonach nur durch Zu-
weisung durch die Gemeinde oder ihre Versammlung als Gericht und
unter ihrer Autorität und Gewährleistung erworben werden. In dem Pri-
vatgrundbesitz sind aber schon in dieser Periode zwei Arten unterscheid-
bar, nämlich der Hof, d. h. das Haus mit Hofraum und Umzäunung, und
das Ackerland. Der Hof war unzweifelhaft ein erbliches, eigenthüm-
liches Besitzthum5); das Ackerland aber wurde abwechselungsweise
besessen, wie es die damalige Culturart mit sich brachte, welche in einer
nach regelmässsigen Zeiträumen stattfindenden Abtreibung von Waldungen
und Benützung der abgeholzten Bezirke sowohl zum Fruchtbau, als zur
Weide bestand6). Da sonach die gesammte Einwohnerschaft des Bezirkes
ein gemeinsames Interesse an dem ordnungsmässigen Einhalten des Wech-
sels hatte, musste derselbe unter obrigkeitlicher Aufsicht stehen7). Wie
а) Tacit. Germ. c. 26: „Agri pro numero cultorum ab universis per vices
occupantur; quos mox inter se secundum dignationem partiuntur.“ (Siehe
Note 7). —• Das von mir aufgestellte Prinzip des Grundbesitzes (das genossen-
schaftliche Einnehmen des Gemeindebezirks), welches auch Tacitus ausdrücklich
bezeugt, ist somit durchaus nicht unverträglich mit dem Vorkommen eines Pri-
vatbesitzes, wie L. Zimmerte, das deut. Stammgutssystem, Tübingen 1857 p. 81,
ohne allen Grund behauptet hat, sondern gerade der Gemeindebesitz ist in Deutsch-
land die geschichtliche Wurzel und Quelle alles Privatbesitzes. — Vergl. Caesar,
de Bell. Gall. VI. 22; siehe Note 7.
4) Damit hängen zusammen: die Verloosung der Grundstücke bei der Occu-
pation eines Landes zur Zeit der Völkerwanderung, die sog. sortes barba-
ricae (§. 99 Note 2. 3); der Gegensatz von Privatbesitz und Ahnend oder
Mark, der jetzt noch fortbesteht; die Ausscheidung der Ländereien aus der Mark
durch den Beilwurf (securim jactare; L. Bajuv. XI. c. 6 §. 2; XVI. c. 1.2),
wo das neuere Bedürfniss der Bevölkerung dies erforderte, u. s. w.
5) Hierauf geht die Aeusserung von Tacitus Germ. c. 16: „Colunt dis-
creti ac diversi, ut fons, ut campus, ut nemus placuit.“
б) „Per vices“; Tacit. Germ. c. 26; siehe Note 3.
7) Ueberreste dieser Culturart finden sich noch in den altbayerischen Wech-
sel oder Wandelwiesen; in denHaubergs genossenschaften des Sieger-
landes, beschrieben von Achenbach, Bonn 1863, (mit 15 —2Ojähriger Umtriebs-
zeit, sog. Jähne (= Gang) oder güldene Jähne); und im Vemelbau in
den Neckargegenden (Verne, Vehme = districtio, Bann, Gebot). Caesar, de
Bell. Gall. VI. 22: „Neque quisquam agri modum certum aut fines habet pro-
prios: sed magistratus ac principes in annos sing ul os gentibus cognationi-
busque hominum qui una coierunt, quantum et quo loco visum est, agri
attribuunt, atque anno post al io transire cogunt; privati ac separati agri apud
eos nihil est.“
 
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