Allgemeine theologische Bibliothek (1.1774)

174 An Herrn Lavater.
gcn Erinnerungen (in Absicht aufIhrBedürfniß)
Ihnrn cntbchrllch machende Stelle unbekannt ge-
blieben wäre, die ich hier noch mit dem innigsten
Vergnügen abschrcibe. S. 109. no. „ Gott
„ist nichts als Liebe. Nichts als Liebe soll der
„Mensch seyn. Jede Selbstverleugnung, derenZwcck
„nicht Güte ist, die die Güte nicht befördere, ist
„Tugendpedanterey, Leichnam ohne Geist. Wenn
„ich meinen Leib brennen ließe und hätte die Liebe
„nicht, so wäre ich nichts. Dieß ist Meine Lieb-
„lingsidce, die ich bcy mir, bey allen meinen Zuhö-
„rern, bey allen Lesern meiner Schriften, bey allen
„meinen Freunden ganz praktisch machen, so an-
schaulich machen möchte, daß es unmöglich seyn
„sollte, weiter darüber zu disputiren. —- Dieß
„bey Anlaß einiger ängstlichen und guten Herzen,
„die Gott zu ehren glauben, Gott eine Freude zu
„machen glauben, wenn ste sich selbst willkührli-
„che Enthaltungen und Ermüdungen ihres Körpers,
„ohne von Liebe dazu beseelt zu seyn, auch ohne die
„weise Absicht zu haben, sich selbst Stärke zur Aufs
„Opferung ihrer selbst um anderer willen, zu erwer-
„bcn, austaden, und dann Stundenlang darüber
„weinen, und sich ängstigen können, und Gottes
„Gnade sich wieder mit Zittern und Winseln herab-
„stehen zu müssen glauben, wenn sie etwa eine sol-
„che selbst gemachte Vorschrift nicht aufs gewisscn-
Hafteste befolgt. — Ist das auch evangelischer,
„kindlicher Geist? Ist das auch offene, erleuchtete
»Erkcuntniß der Wahrheit? —- Es gab auch Zei-